Volkskrankheiten zentral erforschen

Gesundheitsforschung Volkskrankheiten zentral erforschen

Krebs, Demenz, Diabetes: Wissenschaftler erforschen Volkskrankheiten im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung. Zentren für Gesundheitsforschung helfen, Informationen schneller auszutauschen und Grenzen zu überwinden.

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Messung des Grundumsatzes. Der Energiebedarf wird anhand der Atemgase ermittelt.

Experten schätzen, dass die Zahl unerkannten Diabetes' sehr hoch ist

Foto: DZD

Der Patient, 50 Jahre alt, nur wenig übergewichtig und ohne bekannte Vorerkrankungen, kam mit hohem Fieber ins Krankenhaus. Eher nebenbei bemerkten die Ärzte eine Schwellung am Fuß, die allerdings keine Beschwerden verursachte. Eine Untersuchung ergab massiv erhöhte Blutzuckerwerte und Blutfettwerte, eine Fettleber und eine schwerwiegende Knochenentzündung: Diabetes.

Bis dahin unerkannt, schränkte der Diabetes – landläufig Zuckerkrankheit genannt – die Nervenfunktion des Patienten ein. Er spürte die Schmerzen im Fuß nicht. Der stationäre Aufenthalt dauerte sieben Wochen. Ärzte behandelten die Entzündung am Fuß, stellten den Diabetes medikamentös ein. Der Patient musste seine Lebensweise ändern: seine Ernährung umstellen, sich mehr bewegen.

Sechs Millionen Typ-2-Diabetiker

Was wissen wir über Diabetes? In Deutschland leiden derzeit mehr als sieben Prozent der Erwachsenen an einem diagnostizierten Diabetes mellitus und lassen sich behandeln. Das geht aus der Erhebung "Gesundheit in Deutschland aktuell 2009" des Robert Koch-Instituts hervor. Zudem schätzen Experten die Zahl der Menschen sehr hoch ein, die zwar erkrankt sind, es aber nicht wissen.

In der Medizinischen Klinik IV der Universität Tübingen arbeitet Hans-Ulrich Häring als Ärztlicher Direktor. Er erklärt: "Wir haben zwei Diabetes-Formen: Das eine ist der jugendliche Diabetes, auch Typ-1-Diabetes genannt. Das sind in Deutschland circa 500.000 Betroffene. Da kommt es früh im Leben zu einem Mangel an Insulin, da die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse ihre Tätigkeit einstellen. Die sechs Millionen Typ-2-Diabetiker haben einen anderen Weg in die Erkrankung. Da ist die Produktion an Insulin normal, aber es kommt mit zunehmenden Alter durch die Faktoren Bewegungsmangel und Übergewicht, mit entsprechender genetischer Veranlagung kombiniert, dazu, dass mehr Insulin notwendig ist, um die gleiche Wirkung im Körper zu erzielen."

Von links: Prof. Dr. Michael Roden, Prof. Dr. Dr. Hans-Georg Joost, Prof. Dr. Michele Solimena, Prof. Dr. Martin Hrabé de Angelis, Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Ulrich Häring

Sprecher des DZD

Foto: DZD e.V.

In etwa 80 bis 90 Prozent aller Diabetes-Erkrankungen handelt es sich um den Typ-2-Diabetes. Michael Roden ist wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Diabetes Zentrums in Düsseldorf. Er erläutert: "Ein Drittel aller Herzinfarkte steht in direktem Zusammenhang mit Diabetes. Gut jeder zweite tödliche Schlaganfall hängt mit Diabetes zusammen und fast drei Viertel aller Fußamputationen im Erwachsenenalter sind durch Diabetes bedingt."

Diabetes ist eine Volkskrankheit, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionskrankheiten, Krebs, Lungenerkrankungen und Demenz. Volkskrankheiten stehen im Mittelpunkt des Gesundheitsforschungsprogramms der Bundesregierung. Für jede wurde ein Zentrum gegründet, um Ursachen und Heilung zu erforschen.

Spitzenforschung bündeln

Grundlagenforscher und Kliniker arbeiten im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung zusammen. Ihr Ziel ist es, Patientinnen und Patienten die Ergebnisse der Grundlagenforschung schneller zugute kommen zu lassen.

Hrabé de Angelis ist Direktor des Instituts für Experimentelle Genetik und Sprecher für die Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München. Er erläutert, warum ein Zusammenschluss sinnvoll ist : "Wir haben wichtige Netzwerkprojekte auf die Reise geschickt, die eine Gruppe allein so nicht stemmen könnte. Ziel ist die Entwicklung individualisierter Präventionsstrategien bis hin zu kausalen Therapien. Hierzu ist es einerseits wichtig, in der Grundlagenforschung die Mechanismen der Diabetesentstehung aufzuklären. Weiterhin suchen Grundlagenforscher und Kliniker mit vereinten Kräften nach Wegen, die körpereigene Insulinproduktion im Patienten zu erhalten."

Über das Netzwerk ließen sich Informationen schneller austauschen und Grenzen überwinden, erklärt de Angelis. Und weiter: "Neben Workshops, die wir regelmäßig durchführen, tauschen wir auch Wissenschaftler aus."

Häring, Roden und de Angelis bilden den Vorstand des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Zu diesem Zentrum gehören, neben den eigenen Instituten, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke und das Paul Langerhans Institut am Dresdener Universitätsklinikum.

Berliner Institut für Gesundheitsforschung

Im Sommer 2013 eröffnete Bundesforschungsministerin Johanna Wanka das Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG). Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und die klinischen Forschung an der Charité schlossen sich zusammen.

Erstmals forschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der medizinischen Grundlagenforschung und der klinischen Anwendung unmittelbar zusammen.

Mit Hilfe eines ferngesteuerten Roboters entfernt ein Chirurg in New York einer 68-jährigen Frau in Straßburg die Gallenblase.

Operieren per Roboter

Foto: picture-alliance / dpa

Das neue Institut beschreitet mit der fachübergreifenden Systemmedizin einen neuen Weg. Die Systemmedizin betrachtet bei der Erforschung von Krankheiten nicht einzelne Aspekte. Sie verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, um grundlegende krankheitsrelevante Prozesse zu erforschen. Sie nutzt dafür modernste Methoden und Infrastrukturen. Dabei geht es um das Zusammenwirken genetischer, zellbiologischer, physiologischer und visueller Informationen.

Anders als die sechs Gesundheitsforschungszentren erforscht das BIG unterschiedliche Krankheiten. Erwartet wird, dass es eine Spitzenstellung erlangt und für Nachwuchstalente und Spitzenwissenschaftler aus aller Welt Perspektiven bietet.

Der Bund, das Land Berlin und die Helmholtz-Gemeinschaft stellen 300 Millionen Euro bis 2018 für den Aufbau des BIG zur Verfügung. Der Bund finanzierte 90 Prozent.

Die sechs Deutsche Zentren für Gesundheitsforschung:
• Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung
• Das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung
• Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung
• Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung
• Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung
• Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen

Im Bundesgebiet arbeiten 105 Institutionen zusammen, um Volkskrankheiten zu untersuchen und neue Therapieformen zu entwickeln.