Weniger Fürsorge, mehr Selbstbestimmung

Tag der Menschen mit Behinderung Weniger Fürsorge, mehr Selbstbestimmung

Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung findet immer am 3. Dezember mit weltweiten Aktionen statt. Mehr Teilhabe und Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung - das sieht auch das neue Bundesteilhabegesetz vor. Die Eingliederungshilfe wurde reformiert, die Assistenzleistungen modernisiert.

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Mehr als sieben Millionen schwerbehinderte Menschen leben in Deutschland. Weitere 17 Millionen haben gesundheitliche Beeinträchtigungen oder chronische Krankheiten. Sie werden ab 2017 selbstbestimmter leben können. Denn dann wird das Bundesteilhabegesetz stufenweise in Kraft treten.

Freibeträge steigen

Ab 2017 werden die Freibeträge für Erwerbseinkommen um bis zu 260 Euro monatlich erhöht. Die Vermögensfreigrenze liegt dann bei 25.000 Euro. Bis 2020 soll die Freigrenze auf 50.000 Euro steigen. Das Partnereinkommen wird nicht angerechnet. Ab vollständigem Inkrafttreten der Reform im Jahr 2020 werden Menschen mit Behinderung dadurch über mehr Geld verfügen. Monatlich können das bis zu 300 Euro sein. Das erleichtert Betroffenen zum Beispiel, einer Arbeit auf dem regulären Arbeitsmarkt nachzugehen.

Der Vermögensfreibetrag von Leistungsbeziehern der Sozialhilfe wird von 2.600 auf 5.000 Euro angehoben. Davon profitieren Menschen mit Behinderung, die nicht arbeiten können.

Länger im vertrauten Umfeld wohnen

Menschen mit Behinderung können jetzt wählen, ob sie länger in ihrem vertrauten Umfeld, der eigenen Wohnung, leben wollen. Wer in einer eigenen Wohnung lebt und Assistenz benötigt, ist vom "Poolen" der Leistungen befreit. Das heißt, die Assistenzleistungen müssen nicht mit anderen Betroffenen geteilt werden. Dazu käme es erst, wenn Betroffene in Betreuungseinrichtungen leben.

Gleiche Chancen am Arbeitsmarkt

Das Bundesteilhabegesetz soll Menschen mit Behinderung außerdem mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnen. Arbeitgeber werden durch ein "Budget für Arbeit" unterstützt. Wenn sie Menschen mit wesentlicher Behinderung einstellen, erhalten sie Lohnkostenzuschüsse von bis zu 75 Prozent. Das "Budget für Arbeit" ermöglicht damit eine Alternative zur Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen.

Klar ist auch: Menschen mit Behinderung sollen arbeiten können. Dafür engagiert sich auch die Bundesagentur für Arbeit. Die Agenturen für Arbeit und Jobcenter veranstalten zum Thema inklusive Arbeit im Dezember eine Aktionswoche. Sie helfen den Unternehmen bei der Inklusion: Geschulte Fachkräfte bieten kompetente Beratung an, zum Beispiel, wie ein Arbeitsplatz an die Bedürfnisse behinderter Menschen angepasst werden kann.

Mehr Teilhabe an Bildung

Bisher wurden Hilfeleistungen für behinderte Studenten nur bis zum ersten Examen finanziert. Dies ändert sich nun. Erstmals wird klargestellt, dass die Teilhabe an Bildung eine eigene Reha-Leistung ist. Damit werden Assistenzleistungen für höhere Studienabschlüsse wie ein Masterstudium oder in bestimmten Fällen eine Promotion ermöglicht.

Weniger Barrieren in Bundesgebäuden

Schon im Juli 2016 wurde das Behindertengleichstellungsgesetz verabschiedet. Der Bund muss bei allen Projekten darauf achten, dass sich Menschen mit Behinderung in den Gebäuden gut bewegen können. Ab dem Jahr 2018 müssen Bundesbehörden Bescheide in "Leichter Sprache" erläutern.

Teilhabe und Pflege nebeneinander

Auch bei einer leichteren Behinderung muss es eine angemessene Unterstützung bei der Pflege geben. Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz hatte die Bundesregierung einen neuen Pflegebedürftigkeits-Begriff eingeführt. Dieser orientiert sich am Grad der Selbständigkeit. Damit werden neben körperlichen auch mentale Beeinträchtigungen einbezogen. Das kommt vor allem demenziell Erkrankten zugute.

Leben pflegebedürftige behinderte Menschen zu Hause, sind die Leistungen der Pflegeversicherung grundsätzlich vorrangig. Das Dritte Pflegestärkungsgesetz präzisiert die Abgrenzungen, zum Beispiel zwischen Pflegeversicherung und Eingliederungshilfe. Die Hilfe zur Pflege bleibt als ergänzende Leistung erhalten.

Der internationale Gedenk- und Aktionstag der Menschen mit Behinderung wurde 1993 von den Vereinten Nationen ausgerufen. 2007 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtkonvention unterzeichnet. Das Übereinkommen beinhaltet das Recht für behinderte Menschen an Bildung, kulturellem Leben und Arbeit teilzunehmen. Für die konkrete Umsetzung hat die Bundesregierung in diesem Jahr schon den zweiten Nationalen Aktionsplan (NAP) verabschiedet. Er läuft bis zum Jahr 2021.