Nationaler Aktionsplan 2.0 beschlossen

Menschen mit Behinderung Nationaler Aktionsplan 2.0 beschlossen

Der Nationale Aktionsplan 2.0 für Menschen mit Behinderung zielt darauf ab, die Teilhabe für ein selbstbestimmtes Leben zu verbessern. Inklusion soll als universelles Prinzip in alle Lebensbereiche Einzug halten. Das hat das Kabinett beschlossen.

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Christoph Rieker fährt in Kirchheim in seinem Rollstuhl eine Rampe herunter.

Ziel des Nationalen Aktionsplans 2.0: Bessere Teilhabe-Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung.

Foto: picture alliance / dpa

Seit 2009 gilt für die Behindertenpolitik die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK). Jetzt hat das Bundeskabinett den Nationalen Aktionsplan 2.0 beschlossen. Er beschreibt, wie die Umsetzung der UN-Konvention in Deutschland gelingen soll.

Alle fünf Jahre ein Aktionsplan

Das Bundesarbeitsministerium legt alle fünf Jahre einen neuen Aktionsplan vor. Jetzt hat das Kabinett den zweiten Aktionsplan "NAP" mit 175 Maßnahmen beschlossen. Der Nationale Aktionsplan wurde zunächst für einen Zeitraum von 10 Jahren bis 2021 entwickelt.

Demnach soll Inklusion als universelles Prinzip in alle Lebensbereiche Einzug halten. Dazu tragen wichtige Rechtsetzungsvorhaben bei: Ein selbstbestimmteres Leben wird durch die Reform der Eingliederungshilfe ermöglicht. Dabei handelt es sich um individuelle Hilfen, die spezifische Bedarfe wie zum Beispiel beim Besuch einer Hochschule oder persönlicher Assistenz abdecken. Die Eingliederungshilfe soll aus dem "Fürsorgesystem" der Grundsicherung herausgeführt werden.

Inklusion im Sinne der UN-BRK bedeutet, gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen in allen Lebensbereichen zu ermöglichen. Für Menschen mit Beeinträchtigungen heißt das, ihren Aufenthaltsort wählen und entscheiden zu können, wo und mit wem sie leben. Auch sollen sie sich ihren Begabungen und Fähigkeiten entsprechend voll entfalten können. Durch frei gewählte Arbeit sollen sich Menschen mit Behinderungen ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können. Dazu müssen Bedingungen geschaffen werden, um eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Integration in den Arbeitsmarkt

Schwerpunkt des NAP ist die Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt. Dazu hat die Bundesregierung 2013 die Inklusionsinitiative auf den Weg gebracht. Mit verschiedenen Kampagnen und Aktionen sollen Unternehmen motiviert werden, mehr Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit Behinderung anzubieten. Denn eine hohe Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen und wirtschaftlicher Erfolg schließen sich keinesfalls aus.

Werkstätten für behinderte Menschen

In Deutschland werden auch weiterhin Werkstätten für diejenigen Menschen offen stehen, die dort gern arbeiten möchten. Behinderte können jetzt nach der Schule wählen, ob sie in einer Werkstatt oder auf dem ersten Arbeitsmarkt tätig sein möchten.

Rund 17 Millionen Menschen im Alter ab 18 Jahren leben mit gesundheitlichen oder chronischen Beeinträchtigungen. Das sind jede vierte Frau und jeder vierte Mann. Die meisten Beeinträchtigungen sind nicht angeboren. Durch Unfälle oder Krankheiten erfahren die meisten Menschen erst später eine Behinderung. Die Zahl der erwachsenen Menschen mit Beeinträchtigungen in Privathaushalten liegt bei etwa 16,9 Millionen.
Dies entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung (ab 18 Jahre) in Deutschland von 25 Prozent. Werden die Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren betrachtet, sind von diesen 9,7 Millionen beziehungsweise 19 Prozent beeinträchtigt. Von den 80-Jährigen und Älteren sind 1,4 Millionen beziehungsweise 53 Prozent beeinträchtigt.

Inklusive Bildung und duale Berufsausbildung

Gemeinsame Bildung für Menschen mit und ohne Behinderung soll selbstverständlich werden. So fördert die Bundesregierung seit vielen Jahren die Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) beim Deutschen Studentenwerk (DSW). Die Fördermittel steigen von 2015 bis 2018 auf rund 460.000 Euro pro Jahr. Die IBS berät Studierende, Studieninteressierte und Akteure aus Politik, Verbänden und Verwaltung.

Mehr kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sollen Menschen mit Behinderung ausbilden. Unterstützt werden sie dabei vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA). Das KOFA berät zu Fördermaßnahmen oder sucht für Betriebe nach einer sozialpädagogischen Begleitung.

Reform der Eingliederungshilfe

Die Reform der Eingliederungshilfe im geplanten Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist Bestandteil des NAP. Ein wesentliches Ziel der Reform ist die individuelle Gestaltung der Leistungen. Beispielsweise sollen Menschen mit Behinderungen mehr Geld ansparen dürfen. Bislang gab es für sie eine finanzielle Obergrenze von 2.600 Euro, weil sie unter die Sozialhilfe fallen.

Der Vermögensfreibetrag soll bis 2020 auf bis zu 50.000 Euro in Stufen ansteigen. Das Einkommen des Partners soll freigestellt werden. Menschen mit Beeinträchtigungen sollen solange wie möglich in der eigenen Wohnung und damit in ihrem vertrauten sozialen Umfeld bleiben dürfen.

Dies steht im Einklang mit dem Anspruch, sich vom "Fürsorgeprinzip" der Vergangenheit loszulösen. Dadurch erhalten Menschen mit Behinderung mehr Selbstverantwortung.

Mobilität und Barrierefreiheit

Mit dem KfW-Förderprogramm "Altersgerecht Umbauen" werden Eigentümer und Mieter unterstützt. Sie können Zuschüsse beantragen, um Barrieren in Wohngebäuden abzubauen. Der Bund stellte dafür im Jahr 2016 rund 50 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Initiative "Barrierefreiheit in Unternehmen" wird ebenfalls mit Bundesmitteln unterstützt. Sie soll insbesondere freiberufliche Arztinnen und Ärzte zugutekommen, die ihre Praxen barrierefrei umbauen. Der barrierefreie Umbau von Bahnhöfen wird zur Hälfte vom Bund finanziert. In den Jahren 2016 bis 2018 stehen dafür 50 Millionen Euro zur Verfügung.

Erstmals Befragung für Daten zu Teilhabe

Die Bundesregierung wird eine Repräsentativbefragung in Auftrag geben, um erstmals umfassende Daten zur Teilhabesituation zu erlangen.

Das Thema Bewusstseinsbildung hat im NAP erstmals ein eigenes Handlungsfeld erhalten. Ziel ist es die UN-BRK und das Thema Inklusion in der breiten Öffentlichkeit bekannter zu machen. Dies soll zu einem gesellschaftlichen Umdenken führen.

Die Bundesregierung hat den ersten Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (NAP) am 15. Juni 2011 mit einer zehnjährigen Laufzeit beschlossen. Er umfasst 200 Maßnahmen. Der vom Kabinett verabschiedete Aktionsplan 2.0 umfasst 175 neue Maßnahmen. Ziel ist, das Leben behinderter Menschen in allen Bereichen der Gesellschaft zu erleichtern.