Die erste Stasi-Besetzung

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4. Dezember 1989 Die erste Stasi-Besetzung

In einem Radiointerview erzählt ein Stasi-Mitarbeiter, dass die Staatssicherheit Unterlagen vernichtet. DDR-Bürgerrechtler wollen das nicht hinnehmen. Noch am selben Tag besetzt ein Bürgerkomitee die erste Stasi-Außenstelle.

2 Min. Lesedauer

Foto zeigt Bürger und Stasi-Unterlagen

Die Auflösung des Geheimdienstes ist nicht mehr zu stoppen: Suche nach Akten in der Stasi-Bezirksverwaltung in Erfurt.

Foto: TA-Bildarchiv

Am Morgen des 4. Dezember 1989: Der "Berliner Rundfunk" interviewt den Stasi-Mitarbeiter Frank L. Er hat sich selbst bei dem Ost-Berliner Sender gemeldet. "Es geht mir darum, dass Akten oder Unterlagen oder Papiere verbrannt werden, vernichtet werden, durch den Ofen gehen", sagt  er. Damit bestätigt Frank L. Gerüchte, die seit mehreren Tagen kursieren: dass die Stasi systematisch Akten vernichtet, um ihre Machenschaften zu verschleiern.

Neues Etikett - alte Gefahr

Mitte November hat die DDR-Regierung dem Ministerium für Staatssicherheit ein neues Etikett verpasst. Aber auch als "Amt für Nationale Sicherheit" ist die Behörde für die Demokratiebewegung nicht akzeptabel. Nach wie vor sehen die Bürgerrechtler in der Stasi eine große Gefahr. Zu Recht, wie sich später zeigt. Die Stasi-Unterlagen enthalten frische Richtlinien "zur Operativen Arbeit in Sammlungsbewegungen". Sie tragen das Datum 2. Dezember 1989.

Mit Unterlagen ins Heizhaus

Einerseits macht die Stasi also weiter wie bisher, andererseits scheint sie zu ahnen, dass ihre Zeit abläuft. Deshalb hat sie begonnen, Beweismaterial zu beseitigen. Frank L. sagt im Hörfunk, sein Dienstvorgesetzter sei mit Unterlagen ins Heizhaus gegangen. In der Umgebung seien dann verbrannte Papierschnitzel zu sehen gewesen.

Die Bürgerrechtler sind alarmiert. Sie wollen, dass die Beweise für die Unterdrückungsmaßnahmen des SED-Regimes erhalten bleiben. Mutige Frauen der Bürgerinitiative "Frauen für Veränderung" machen in Erfurt den Anfang und initiieren die Besetzung die Stasi-Bezirksverwaltung.

"Der 4. Dezember war der Anfang vom Ende der Staatssicherheit in der DDR", sagt Barbara Sengewald. Es sei der erste Schritt gewesen, danach folgte ein langer Kampf bis zur Auflösung der Stasi.

Die städtischen Verkehrsbetriebe helfen mit

Andere Oppositionelle schließen sich den Frauen an. Sogar die Verkehrsbetriebe Erfurts unterstützen sie: Mit einem Lkw blockieren sie den Zugang zum Gebäudekomplex. Mit zwei angeforderten Militärstaatsanwälte versiegeln die Bürgerrechtler die Archivbestände und sichern somit Unterlagen, die die Stasi "verkollern" will. Verkollerungsanlagen sind Apparate, in denen Papier zu Klumpen wird.

Erfurt ist nur der Anfang

Die Aktion in Erfurt zeigt Wirkung: Sofort befiehlt der neue Stasi-Chef, Generalleutnant Wolfgang Schwanitz, allen Bezirks- und Kreisdienststellen, die Aktenvernichtung einzustellen. Die Ämter sollen den Bürgerrechtlern entgegengehen, ihnen aber sensible Akten vorenthalten. Sollte er gehofft haben, dadurch weitere Besetzungen wie in Erfurt zu verhindern, sieht er sich sehr bald enttäuscht.

Noch am selben Tag besetzen Oppositionelle die Stasi-Bezirksverwaltungen in Suhl, Leipzig und Rostock. Am 5. Dezember folgen die Stasi-Verwaltungen in den meisten anderen Bezirkshauptstädten. Auch in den Kreisdienststellen gelingt es nach und nach, Akten zu versiegeln und damit vor der Vernichtung zu retten. Ende Dezember 1989 arbeiten von den 15 Bezirksverwaltungen sieben gar nicht mehr, acht nur noch eingeschränkt.

Nur die Stasi-Zentrale in Berlin ist noch funktionsfähig. Erst Mitte Januar gelingt es, sie zu besetzen und damit die Geheimpolizei zu entmachten.