Kriminalstatistik zur Partnerschaftsgewalt
2020 gab es mehr als 148.000 Opfer von Partnerschaftsgewalt – 80,5 Prozent davon sind Frauen. Das ist das Ergebnis einer Auswertung des Bundeskriminalamtes. Inwiefern hat die Corona-Pandemie Auswirkungen? Wohin können sich Betroffene wenden? Fragen und Antworten im Überblick.
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„Jede Stunde werden in Deutschland durchschnittlich 13 Frauen Opfer von Gewalt in Partnerschaften. Alle zweieinhalb Tage stirbt eine Frau durch die Gewalttat ihres Partners oder Ex-Partners“, berichtete die geschäftsführende Bundesfamilienministerin Lambrecht in einer Pressekonferenz in Berlin. Dort stellte sie gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, und der Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“, Petra Söchting, die Kriminalistische Auswertung zur Partnerschaftsgewalt 2020 vor.
Welche Entwicklung zeigt die Kriminalstatistik zum Thema Partnerschaftsgewalt 2020?
Ob Bedrohung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung oder Vergewaltigung: Partnerschaftsgewalt hat viele Formen und nimmt in Deutschland weiter zu. Das zeigen die neuen Zahlen des Bundeskriminalamtes, das mittlerweile zum sechsten Mal die Statistik zum Thema Partnerschaftsgewalt ausgewertet hat.
2020 wurden insgesamt 148.031 Opfer von Partnerschaftsgewalt polizeilich erfasst, das sind 4,9 Prozent mehr Fälle als im Jahr zuvor. Dabei waren die Betroffenen zu 80,5 Prozent Frauen. Die Statistik zeigt außerdem, dass die Zahlen von Partnerschaftsgewalt insgesamt seit 2015 kontinuierlich steigen.
Man müsse allerdings von einem "erheblichen Dunkelfeld" an Fällen ausgehen, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) Münch. Denn in der BKA-Auswertung sind nur die bei der Polizei gemeldeten Fälle enthalten.
Opfer in Partnerschaften im Jahr 2020 insgesamt:
- Opfer von Tötungsdelikten: 359 Frauen und 101 Männer
- Opfer von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung: 72.013 Frauen und 19.199 Männer
- Opfer von Bedrohung, Stalking und Nötigung: 29.301 Frauen und 3.721 Männer
- Opfer von Freiheitsberaubung: 1.567 Frauen und 192 Männer
- Opfer von gefährlicher Körperverletzung: 12.449 Frauen und 5.570 Männer
Haben die Corona-Lockdowns 2020 zum Anstieg der Fälle beigetragen?
Die Corona-Lockdowns im Jahr 2020 ergaben keinen eindeutigen Anstieg der Fälle. Im Vergleich zum Vorjahr zeigte sich im April 2020 ein Anstieg von 2,9 Prozent, im Mai von 3,7 Prozent. Während des zweiten Lockdowns ab Anfang November sank die Anzahl der registrierten Fälle im Vergleich zum Vorjahr um 1,5 Prozent. Im Dezember sank diese sogar um 3,2 Prozent. Ein Grund hierfür kann die Situation im Lockdown sein, die es Betroffenen schwerer machte, Anzeige zu erstatten und für Außenstehende schwieriger, Gewalttaten im Umfeld zu bemerken.
Wie BKA Präsident Münch betonte, geht seine Behörde „von einem hohen Dunkelfeld aus, da sowohl die psychische Situation als auch individuelle Stressfaktoren in der Pandemie die Anwendung von Gewalt begünstigen und die Fähigkeit, Konflikte und Aggression zu bewältigen, verringern.“
Das Ausmaß von Partnerschaftsgewalt könnte sich daher sogar vergrößert haben, ohne sich bislang in polizeilich registrierten Fällen niederzuschlagen. Ein Hinweis dafür könnten die Auswertungen des bundesweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ sein. Diese zeigen, dass die Zahl der Beratungskontakte in den Corona-Lockdowns erheblich zugenommen hat. „Insgesamt wurden im Jahr 2020 mehr als 51.000 Beratungen dokumentiert, rund 15 Prozent mehr als im Vorjahr“, so die Leiterin des Hilfetelefons Petra Söchting.
Welche Faktoren können Partnerschaftsgewalt fördern?
Partnerschaftsgewalt kann in der Regel aus dem Zusammentreffen verschiedener Risikofaktoren resultieren. Dazu zählen beispielsweise „eigene Gewalterfahrungen im häuslichen Bereich in der Kindheit oder Jugend sowie ausgeprägte patriarchalische Einstellungen und traditionelle Rollenbilder. Aber auch situative Faktoren wie Stresssituationen, wirtschaftliche und berufliche Unsicherheiten oder Trennung spielen dabei eine ganz große Rolle“, so der BKA Präsident.
Die Tatsache, dass die meisten Taten im privaten Bereich stattfinden, darf nicht dazu führen, dass die Täter sich sicher fühlen. Deshalb appelliert Münch an alle: „Achten Sie auf ihre Mitmenschen und wenden Sie sich mit einem Verdacht an die Beratungsstellen oder an die Polizei.“
Wohin können sich Betroffene wenden?
Um Betroffenen möglichst schnell zu helfen, gibt es verschiedene Hilfsangebote. Sie können erste Anlaufstelle – für Betroffene, aber auch für Zeugen, sein:
- Frauenhilfetelefon: Unter der kostenlosen Telefonnummer 08000 116 016 beraten und informieren die Mitarbeiterinnen des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ rund um die Uhr in 17 Sprachen zu allen Formen von Gewalt gegen Frauen. Hilfe gibt es auch über die dazugehörige Internetseite.
- Männerhilfetelefon: Auch Männer können genauso wie Frauen von Gewalt betroffen sein. Unter der Telefonnummer 0800 1239900 erhalten sie Beratung und Hilfe. Zudem ist eine Online-Beratung per Chat oder auch per Mail möglich.
- Frauenberatungsstellen: Bundesweit gibt es mittlerweile mehr als 600 Fachberatungsstellen, an die sich Betroffene wenden können. Sie sind darauf spezialisiert, Frauen zu beraten, unterstützen und begleiten, die Opfer von Gewalt geworden sind.
- Frauenhäuser: Um Frauen mit ihren Kindern schnell, unbürokratisch und zuverlässig Schutz und Beratung anbieten zu können, gibt es bundesweit Frauenhäuser.
- Internetseite "Stärker als Gewalt": Die Initiative bündelt auf der Website den Zugang zu einer Vielzahl an bundesweiten Hilfe- und Beratungsangeboten für Betroffene von Gewalt und deren Umfeld.
In bedrohlichen Situationen gilt: Sofort den Notruf der Polizei 110 wählen. Dabei muss es noch nicht zu körperlicher Gewalt gekommen sein. Es reicht, dass die Situation als bedrohlich empfunden wird.
Mit welchen Programmen unterstützt der Bund?
Neben dem Frauenhilfetelefon fördern Bund und Länder weitere Programme, die helfen sollen, Gewalt aktiv zu bekämpfen. Dabei steht auch die Stärkung der Prävention von Gewalt im Fokus.
- Initiative „Stärker als Gewalt“: Mit ihr soll mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit für häusliche Gewalt erreicht werden. Das Ziel ist, dass mehr Menschen genau hinschauen und sich auch einschalten, wenn Gewalt droht. Betroffene sollen ermutigt werden, sich Unterstützung zu holen. Zudem gilt es, Hilfsangebote besser bekannt zu machen.
- Runder Tisch gegen Gewalt an Frauen: Er hat das Ziel, durch enge Vernetzung Finanzhilfen und die Unterstützung vor Ort besser abzustimmen. Denn es gibt Lücken und große regionale Unterschiede im Hilfesystem.
- Förderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“: Damit investiert der Bund in den Ausbau von Beratungsstellen und Frauenhäusern in Deutschland. Hierfür stehen in den kommenden vier Jahren 120 Millionen Euro bereit - zur Unterstützung von Ländern und Kommunen.