Europa soll geschlossen Antwort geben

Regierungserklärung Europa soll geschlossen Antwort geben

Im Vorfeld des EU-Rats hat die Kanzlerin für Solidarität in der europäischen Zuwanderungs- und Asylpolitik geworben. Zudem sprach sie sich für eine Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex aus. Wichtiges Thema des Gipfels wird auch die Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion sein.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht im Deutschen Bundestag.

Mit Blick auf Migration und Asyl warb Merkel für solidarisches Handeln der Mitgliedsstaaten.

Foto: Bundesregierung/Denzel

Video Regierungserklärung der Kanzlerin

Bundeskanzlerin Angela Merkel berief sich zudem auf den Europa-Bezug in der Deutschen Verfassung: Es gehe darum "in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen", so Merkel, und bekräftigte: "In dieser Tradition stehen wir."

Globalen Herausforderungen geschlossen begegnen

Die Themen des Europäischen Rates - die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion, Innovation und Digitales, die Wettbewerbsfähigkeit, der Mehrjährige Finanzrahmen ab 2021, die Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Migration - beträfen alle großen, globalen Herausforderungen unserer Zeit: "Und auf alle großen globalen Herausforderungen sollte Europa möglichst eine geschlossene Antwort geben", so Merkel. Zugleich dankte die Kanzlerin für die gedeihliche Zusammenarbeit bei der Entstehung der "guten deutsch-französischen Agenda" für den Rat.

"Es geht um eine starke Wirtschafts- und Währungsunion", sagte Merkel. "Der Euro ist heute stabil, die Programme sind beendet und die Länder sind wettbewerbsfähiger geworden", resümierte die Kanzlerin insbesondere zu Griechenland. Das sei ein gutes Stück Arbeit und europäische Solidarität - "in unserem eigenen Interesse", so Merkel.

Es bleibt jedoch Reformbedarf für die Wirtschafts- und Währungsunion. Als wesentliche Arbeitsfelder der 19 Euro-Mitgliedstaaten und weiteren interessierten Ländern nannte Merkel im Wesentlichen:

  • Den weiteren Abbau der Risiken im Bankensektor. Erst danach gehe es um den Ausbau eines gemeinsamen Sicherheitsnetzes.
  • Die Fortentwicklung des ESM zu einer "Art europäischen Währungsfonds". Erst durch selbständige Überwachung von Programmen entstehe mehr Unabhängigkeit vom Internationalen Währungsfonds.
  • Einen neuen Investivhaushalt zur Stärkung der gemeinsamen europäischen Währung. Dieses Budget soll die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern angleichen, die eine Währung teilen. Es könne ab 2021 – parallel zum mehrjährigen Finanzrahmen - zum Tragen kommen. "Dabei muss die Leistungsfähigkeit der Besten der Maßstab sein und nicht der Durchschnitt aller", sagte Merkel. Jeder Mitgliedsstaat sei weiter für seinen Haushalt zuständig. "Haftung und Kontrolle gehören zusammen", eine Schuldenunion werde es nicht geben, so Merkel.

Die gemeinsame europäische Außenpolitik solle kohärenter und schlagfähiger werden. Mit Blick auf mögliche Strafzölle der Vereinigten Staaten auf Stahl und Aluminium sprach sich Merkel für eine geschlossene Haltung aus: "Wir halten die Zölle für rechtswidrig, die von den Vereinigten Staaten verhängt worden sind", forderte gleichwohl dazu auf, mit den Vereinigten Staaten im Gespräch zu bleiben.

"Koalition der Willigen" in der Asylpolitik

Mit Blick auf Migration und Asyl warb Merkel für solidarisches Handeln der Mitgliedsstaaten: "Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen", räumte Merkel ein. Das gemeinsame Europäische Asylsystem sei zwar nicht abstimmungsreif, die Bundeskanzlerin verwies jedoch auf die gemeinsamen Erfolge: Zu fünf von sieben notwendigen Rechtsakten zur gemeinsamen Asylpolitik seien die Mitgliedsstaaten weitgehend einig.

Zu zwei Rechtsakten bestehe jedoch Beratungsbedarf: Bei der Asylverfahrensrichtlinie gehe es um "gleiche Standards bei der Gewährung von Asyl in allen Mitgliedsstaaten". Das zweite sei die sogenannte Dublin-IV-Verordnung, die auch die solidarische Verteilung von Flüchtlingen in den Mitgliedsstaaten beinhalte.

Europäische Maßnahmen wirken

Merkel verwies auf die Möglichkeit, auch in der Asylpolitik zwischen Staaten legale Vereinbarungen zu treffen. "Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht", sagte die Kanzlerin und nannte als Beispiel die Erklärung der Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern. In diesem Zusammenhang erinnerte sie an gemeinsame europäische Erfolge in der Asyl- und Zuwanderungspolitik: Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge ist deutlich gesunken, die Verhältnisse hätten sich zum Besseren verändert. Die Kanzlerin sprach den Rückgang der Seeanlandungen in der Ägäis seit 2015 um 97 Prozent sowie im zentralen Mittelmeer im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 77 Prozent an.

Dies unterstreiche die Wirksamkeit der gemeinsamen europäischen Anstrengungen. Als Beispiele nannte Merkel:

  • Das EU-Türkei-Abkommen: "In vielerlei Hinsicht als Modellabkommen."
  • Die Mission Sophia zur Rettung von Menschen in Seenot und zur Ausbildung der libyschen Küstenwache.
  • Die europäische Grenzschutzagentur Frontex. Diese sei noch nicht ausreichend ausgestattet. Aber sie arbeite und müsse zu einer "wirklichen europäischen Grenzpolizei" fortentwickelt werden.

Auch in Deutschland seien die Asylzahlen zurückgegangen, resümierte Merkel und verwies auf gemeinsame Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag, darunter Maßnahmen zum Familiennachzug für subsidiär geschützte und Ankerzentren.

Beim EU-Gipfel gehe es nun in erster Linie um die "externe Dimension" der Migration. "Wir müssen mit afrikanischen Staaten sprechen." Des weiteren gehe es darum, Sekundärmigration besser zu ordnen und zu steuern. Wenn Regelungen dazu nicht mit 28 Mitgliedstaaten erreicht werden könnten, brauche es eine "Koalition von willigen Ländern". Dies dürfe aber nicht unilateral, nicht unabgestimmt und nicht zulasten Dritter geschehen, sondern im Gespräch mit Partnern, so die Kanzlerin.

Bekenntnis zur Nato

Zur Zukunft der Nato betonte die Kanzlerin: "Wir sind überzeugt, dass dieses Bündnis für unsere gemeinsame Sicherheit zentral bleibt." Sie unterstrich die Bereitschaft Deutschland, sich bis 2024 der Zielmarke von zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes anzunähern. Bei dieser Grundsatzfrage der Verteidigungsausgaben gehe es nach Meinung der Kanzlerin - auch im europäischen Rahmen - "um nicht mehr oder weniger als den zukünftigen Erhalt des transatlantischen Bündnisses."

Die Haushalte 2018 und 2019 werden bereits eine deutliche Erhöhung der Ausgaben für den Verteidigungshaushalt berücksichtigen, so dass Deutschland bis 2024 einen Beitrag von 1,5 Prozent erreichen kann. Beim folgenden Nato-Gipfel stehen zusätzliche Anpassungen auf der Agenda. Neben einer weiteren Erhöhung der Einsatzbereitschaft werden auch die Aufstellungen zweier neuer Kommandos beschlossen werden - eines davon in Deutschland.

Einigkeit mit dem Nato-Generalsekretär bestehe laut der Kanzlerin auch bei der gewünschten Fortführung des zweigleisigen Ansatzes gegenüber Russland. Zudem soll die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Nato intensiviert werden.