Schuldenfalle beseitigt

Krankenversicherung Schuldenfalle beseitigt

Versicherte, die ihre Krankenkassenbeiträge nicht mehr zahlen können, werden vor Überschuldung geschützt. Ausstehende Beiträge können erlassen werden, der Säumniszuschlag wird gesenkt und ein Notlagentarif für privat Versicherte wird eingeführt.

4 Min. Lesedauer

Seit 2007 besteht für alle Menschen in Deutschland, eine Krankenversicherungspflicht. Deshalb kann niemandem gekündigt werden, wenn Beiträge nicht eingezahlt werden. Die Beitragsrückstände in der gesetzlichen Krankenversicherung belaufen sich auf 4,5 Milliarden Euro.

"Das Gesetz ist ein wichtiger Schritt, um das Problem sozialer Überforderung von säumigen Beitragsschuldnern zu entschärfen", erläuterte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. "Wir treffen hier nötige Maßnahmen sowohl für den Bereich der gesetzlichen als auch für den der privaten Krankenversicherung."

Gründe für Beitragsschulden

Die Gründe für Beitragsrückstände sind verschieden. Von Versicherten, die ihre Beiträge an die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) selbst abführen, sind zirka 2,1 Milliarden Euro Rückstände aufgelaufen. "Selbstzahler" sind freiwillige Mitglieder der GKV und Menschen in der Auffangpflichtversicherung.

Freiwillig versicherte Selbständige geraten leicht durch Insolvenzen in den Rückstand mit ihren Beitragszahlungen. Auf diese Versichertengruppe entfällt eine Beitragsschuld in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro. 

In der privaten Krankenversicherung zahlen derzeit rund 146.000 Versicherte ihre Beiträge nicht. Nach Schätzung des Verbands der privaten Krankenversicherung gibt es jedes Jahr etwa 3.000 neue Nichtzahler. 

"Jeder soll seine Beiträge zahlen, denn eine Solidargemeinschaft existiert nur, wenn alle ihre Beiträge zahlen," so der Gesundheitsminister.

Hoher Säumniszuschlag gesenkt 

Nach dem GKV-Wettbewerbsststärkungsgesetz vom März 2007 kann niemand mehr aus der Krankenversicherung ausgeschlossen werden - auch wenn Beiträge nicht gezahlt werden. Um durchzusetzen, dass die Beiträge gezahlt werden, war bislang ein Säumniszuschlag von fünf Prozent erhoben worden. Dies galt für jeden angefangenen Monat im Rückstand. Durch den Säumniszuschlag waren die Rückstände noch zusätzlich höher geworden.

Aufgrund des neuen Gesetzes gilt nur der reguläre Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent. Der gesetzlich vorgeschriebene Jahreszins entspräche dann statt 60 nur noch zwölf Prozent. Dadurch wird ein noch größerer Anstieg der Schulden verhindert. Die Kassen können wieder mit Mehreinnahmen rechnen, weil Beitragszahlungen regelmäßiger eingehen.

Beitragsrückstände werden erlassen

Nachrangig Versicherten sollen Beitragsschulden, die zwischen Eintritt der Versicherungspflicht und Meldung bei der Krankenkasse angefallen sind, erlassen werden.  Haben sich die Versicherten noch nicht bei einer Krankenkasse angemeldet, müssen sie dies bis zum 31. Dezember 2013 nachholen. Durch das Erlassen der Beitragsschulden wird dafür ein Anreiz geschaffen.

Für Versicherte, die sich erst nach dem Stichtag melden, gilt eine andere Regelung. Für sie werden die Beiträge, zwischen Eintreten der nachrangigen Versicherungspflicht und der Meldung bei der Krankenkasse angemessen ermäßigt.

Zusätzlich werden allen freiwillig und nachrangig versicherten Mitgliedern die Schulden aus dem erhöhten Säumniszuschlag erlassen.  Dieser hat sich als nicht wirkungsvoll erwiesen, sondern das Problem der Überschuldung verschärft.

Der GKV-Spitzenverband hat die Details für ein einheitliches Verfahren geregelt. Das Gesundheitsministerium hat sie im September 2013 genehmigt.

Notlagentarif in der privaten Krankenversicherung 

In der privaten Krankenversicherung gilt seit Einführung der Versicherungspflicht, dass der Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen ruhend gestellt wird. Die Leistungen werden dann auf ein Notfallniveau herabgesetzt. Die Versicherung muss jedoch nach einem Jahr im Basistarif fortgesetzt werden. Diese Regelung hat zu einer weiteren Überschuldung geführt.

Das vom Bundestag beschlossene Gesetz sieht vor, in der privaten Krankenversicherung einen Notlagentarif einzuführen. Versicherte, die ihre Beiträge nicht zahlen, werden nach einem gesetzlich festgelegten Mahnverfahren in diesen Notlagentarif überführt. Auch rückwirkend gelten sie von dem Zeitpunkt als im Notlagentarif versichert, zu dem ihr Vertrag ruhend gestellt wurde. Der betroffene Versicherungsnehmer kann dieser rückwirkenden Umstellung jedoch widersprechen.

Versicherungsprämien wesentlich niedriger

Der Notlagentarif sieht ausschließlich Leistungen vor, die akute Erkrankungen und Schmerzzustände behandeln. Aufgrund ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit werden bei Kindern und Jugendlichen unter anderem auch bestimmte Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen bezahlt. Schwangere und Mütter erhalten ebenfalls alle erforderlichen Leistungen.

Alterungsrückstellungen werden im Notlagentarif nicht aufgebaut. Bereits vorhandene Alterungsrückstellungen können auf die zu zahlende Prämie angerechnet werden (bis zu einer Prämiensenkung in Höhe von 25 Prozent), um den Anstieg von Beitragsschulden zu verhindern.Deshalb sind die Versicherungsprämien wesentlich geringer und auch für die Betroffenen leichter bezahlbar.

Der bisherige Versicherungsvertrag ruht, solange die Versicherten im Notlagentarif sind. Eine Rückkehr ist möglich, sobald die Rückstände eingezahlt worden sind. Eine gesetzlich vorgegebene Umstellung in den Basistarif findet nicht mehr statt.

"Der Beitrag im Notlagentarif wird, so vermuten wir, zwischen 100 und 150 Euro liegen. Er soll aber nur eine Übergangslösung sein", so Bahr. "Das Ziel muss sein, wieder in den regulären Versicherungsschutz zu kommen."

Das Gesetz wurde am 20. April 2013 im Kabinett und am 14. Juni 2013 im Bundestag beschlossen. Es hat am 5. Juli 2013 den Bundesrat passiert und ist am 1. August 2013 in Kraft getreten.

In dieses Gesetz sind zwei weitere Regelungen mit eingeflossen. Die erste regelt, dass es strafbar ist, Wartelisten für Empfänger von Spenderorgane zu manipulieren. Die zweite entlastet die Krankenhäusern finanziell und enthält ein Hygiene-Förderprogramm.