Ein Kühlschrank, der weiß, ob Zutaten für das Abendessen fehlen? Künftig bieten Maschinen Dienstleistungen an, die über ihre eigentliche Funktion weit hinausgehen und das Internet einbeziehen. Diese "Smart Services" sind ein Thema der Zukunftsaufgabe "Digitale Wirtschaft und Gesellschaft" der Hightech-Strategie der Bundesregierung.
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"Das war aber ein smarter Service!" Würden wir so die außerordentlich gute Bedienung in einem Restaurant loben, das wir im Urlaub besucht haben? Sicher nicht, denn der englische Begriff ist in Deutschland noch nicht angekommen und auch kaum zu übersetzen.
Was ist unter "smarter Service" zu verstehen? Dass der Kellner seine normalen Aufgaben wahrgenommen hat, ist selbstverständlich: Er nahm die Bestellung auf, servierte Getränke und Speisen und kassierte korrekt.
Das Besondere waren seine zusätzlichen Serviceleistungen, die er erbrachte, weil er uns als Touristen erkannte. Er beriet uns über die Speisen und erläuterte deren Zubereitung. Er empfahl einen Wein, der sehr gut die Geschmäcker aller Beteiligten traf und zum Essen passte. Schließlich zeigte er uns einen Weg zum Hotel, der nicht wesentlich länger war, aber an sehenswerten Orten vorbeiführte.
So ähnlich können wir uns den Zusatznutzen von modernen Geräten in Industrie und Haushalt vorstellen, die über das Internet zusätzliche Leistungen anbieten. Gleichzeitig analysieren sie selbstständig die aktuelle Situation. Professor Wolfgang Wahlster, Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, spricht von intelligenten Dienstleistungen und digital veredelten Produkten.
Smart Services werden eine zentrale Bedeutung in der Industrie erhalten, im Verkehr, aber auch im Alltag. Wer hat sich nicht schon einmal geärgert, wenn er mit nassen Händen vor einem leeren Papierhandtuchspender einer öffentlichen Toilette stand?
Eine Firma bietet jetzt intelligente Spender für Seife, Desinfektionsmittel und Handtücher an. Sie sind mit einem Funksystem ausgestattet, das Füllstand, Batteriestatus und die Anzahl der Abgaben ständig über das Internet an eine zentrale Stelle meldet.
Anhand dieser Daten analysiert das "smarte" Programm das Nutzerverhalten im Waschraum und meldet, wann nachgefüllt werden muss. Das Reinigungspersonal erhält einen perfekt auf den Bedarf abgestimmten Tourenplan. Nachbestellungen beim Lieferanten lassen sich exakt vorausplanen.
Das Internet der Dinge wird auch im Haushalt ankommen. Wir haben uns beispielsweise über eine Smartphone-App im Internet ein Rezept herausgesucht, das wir am Abend zubereiten möchte.
Unser Kühlschrank informiert uns, was von den Zutaten fehlt und bereitet einen Einkaufszettel für das Smartphone vor. Während der Zubereitung führt uns unser Handy durch das Rezept und wärmt den Herd rechtzeitig vor. Kochendes Wasser steht genau zum richtigen Zeitpunkt bereit. Der Kochvorgang auf dem Herd wird so gesteuert, dass alles gleichzeitig fertig ist.
Ein weiteres Beispiel für Smart Services sind die Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Noch rollen nur wenige der umweltfreundlichen Fahrzeuge auf unseren Straßen, sodass die Suche nach einer freien Ladestation und die Bezahlung des Stroms noch kein Problem darstellen. Wenn aber - wie geplant - eine Million der Fahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs ist, wird ein System universell vernetzter Ladestationen benötigt.
Auf einem virtuellen Marktplatz bieten Betreiber von Ladestationen ihre Dienste an. Diesen Marktplatz kann ich wiederum über mein Smartphone besuchen und die nächste freie Ladestation auswählen. Nur mit diesem Marktplatz muss ich einen Vertrag schließen, nicht mit den einzelnen Ladestationsbetreibern. Dieser Marktplatz regelt dann auch das Bezahlen und die Weiterleitung des Geldes an den Betreiber.
Ganz entscheidend für unsere Wirtschaft ist jedoch, dass Maschinen künftig mit zusätzlichem Service angeboten werden. Schon heute gilt dies für moderne Autos. Sie stellen eine Kombination aus Mechanik und Computer dar.
Die Werkstatt verbindet den Computer des Autos mit einer Analyseeinrichtung, die direkt beim Herstellen stehen kann. Fehler werden identifiziert und mitunter einfach dadurch behoben, dass eine neue Software installiert wird. Wird ein defektes Teil identifiziert, kann der Austausch durch einen Mechatroniker in sehr kurzer Zeit erfolgen.
Derartige Wartungsaufgaben gibt es natürlich in der Industrie bei größeren Produktionsanlagen ständig. Alle angefallenen Maschinendaten sind gespeichert und können aus der Ferne ausgelesen und analysiert werden.
Ein Textilfabrikant hat beispielsweise der Wunsch, auf seiner Webmaschine neue Garne zu verarbeiten, die andere Eigenschaften haben als üblich. Der Maschinenhersteller kombiniert die digital übermittelten Eigenschaften des neuen Garns mit den Maschinenparametern. So kann er aus der Ferne die Textilbearbeitungsmaschine so umprogrammieren, dass die Produktion schnellstmöglich mit dem neuen Material beginnen kann.
Ein anderer Smart Service in der Industrie kann aber auch darin bestehen, dass sich die Maschine flexibel einstellt. So nutzt sie Daten der Produktion, Uhrzeit und der Umgebung um bestimmte Prozesse dann ablaufen zu lassen, wenn dies ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. So wird ein energieintensiver Reinigungsprozess dann ablaufen, wenn eine Unterbrechung die Produktion wenig stört, der Strom preiswert und eventuelle Emissionen wenig störend sind.
Druckluft wird an unterschiedlichsten Stellen in der Industrie benötigt. Also investieren Unternehmen und schaffen Kompressoren an, um Druckluft herzustellen. Ein Kompressoren-Hersteller verkauft künftig nicht mehr seine Maschinen, sondern verleiht die inzwischen intelligenten Geräte und verkauft nur noch die Druckluft. Die Maschinen melden die Abnahmemenge ebenso wie Störungen über das Internet an die Lieferfirma.
Smart Services waren auch ein wichtiges Thema des IT-Gipfels, zu dem die Bundesregierung am 21. Oktober nach Hamburg eingeladen hatte. Wie nicht anders zu erwarten, präsentierte die Hansestadt ein Beispiel für Smart Services, in dem es um den Hamburger Hafen geht. Intelligente und vernetzte Logistik bietet innovative Lösungen an, um Verzögerungen und Engpässe zu verhindern. Alle Beteiligten - Lkw, Schiff, Entladestation, Lager - liefern in Echtzeit ihre Positionsdaten und Wünsche, sodass exakt feststeht, wann ein Lkw unter Berücksichtigung der Verkehrslage wo ankommt. Damit kann ohne Wartezeit der benötigte Container zum Verladen bereitstehen.
Der Arbeitskreis "Smart Service Welt" bei der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften hat Umsetzungsempfehlungen zum Zukunftsprojekt "Internetbasierte Dienste für die Wirtschaft" entwickelt. Er übergab sie an Bundeskanzlerin Angela Merkel am 10. März 2014. Ziel ist, das Deutschland zu einem führenden Anbieter für Smart Services "Made in Germany" wird. Dabei sind gleichermaßen Industrie, Wissenschaft, Gewerkschaften, Verbände, Verwaltung und Politik gefragt.