Die internationale Gemeinschaft stellt rund elf Milliarden US-Dollar zur Lösung der Flüchtlingskrise in Syrien und den Nachbarländern bereit. Deutschland beteiligt sich bis 2018 mit 2,3 Milliarden Euro. Das gab Bundeskanzlerin Merkel auf einer Geberkonferenz in London bekannt.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte zum Abschluss der Konferenz "Supporting Syria and the Region", noch nie habe die internationale Gemeinschaft einen so hohen Betrag an einem einzigen Tag für ein einziges Projekt zur Verfügung gestellt. Allein in diesem Jahr werden insgesamt rund sechs Milliarden US-Dollar für die Syrien-Krise zur Verfügung stehen.
"Das Geld steht sofort zur Verfügung und wir haben eine Perspektive für die nächsten Jahre", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dies sei ein wichtiges Signal für die Flüchtlinge in Syrien und der Region. Mit dieser Summe sei es möglich, wichtige Projekte in Gang zu setzen und Maßnahmen auch in Zukunft fortzusetzen, sagte sie.
Deutschland werde seinen Beitrag zur Lösung der Situation in und um Syrien deutlich erhöhen. Die Kanzlerin kündigte an, dass bis 2018 insgesamt 2,3 Milliarden Euro bereitgestellt werden.
"Die Bundesregierung sagt für 2016 insgesamt eine Milliarde Euro für die humanitären Hilfsprogramme der Vereinten Nationen zu. Davon möchten wir 570 Millionen Euro für das Welternährungsprogramm geben", erklärte Merkel. Das seien 50 Prozent der Notwendigkeiten, die das Programm für die betroffenen Länder brauche.
Darüber hinaus werde sich die Bundesregierung an dem Programm "Partnership for Prospects" beteiligen. "So wird unsere Leistung für dieses Jahr 1,2 Milliarden Euro betragen", betonte die Bundeskanzlerin.
Um auch für die kommenden Jahre eine Sicherheit zu schaffen, werde sich die Bundesregierung für die Jahre 2017 und 2018 mit weiteren 1,1 Milliarden Euro beteiligen.
Als drittgrößter bilateraler Geber hat Deutschland seit 2012 bereits mehr als 1,3 Milliarden Euro zur Unterstützung der syrischen Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Mit der Aufstockung der finanziellen Zusagen können die UN-Hilfspläne gedeckt und weitere Aufbaumaßnahmen in der Region finanziert werden.
Mit den neuen Finanzhilfen wolle die internationale Gemeinschaft verhindern, dass sich noch mehr Menschen auf den gefährlichen Weg nach Europa machen und dabei ihr Leben riskieren, erklärte Merkel.
Die Bundeskanzlerin lobte ausdrücklich die Bereitschaft Libanons, Jordaniens und der Türkei, so viele Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Sie könne nachvollziehen, welch eine enorme Herausforderung es für diese Länder bedeute, so viele Menschen unterzubringen, die Zuflucht suchen. Besonders dankbar sei sie für die Bereitschaft dieser Länder, syrischen Flüchtlingen künftig Arbeitserlaubnisse zu geben und sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Die EU werde ihrerseits alles tun, um die Exportbedingungen in die Region zu verbessern und wo möglich Handelsvorteile zu gewähren. Angesichts von 300.000 Menschen, die im Syrien-Konflikt bereits ihr Leben verloren haben, sei keine Zeit mehr zu verlieren. "Es geht es darum, die Not zu lindern und die humanitäre Lage zu verbessern", betonte Merkel.
Dies ersetze aber nicht politischen Prozess, der in Zukunft dringend vorangetrieben werden müsse, um die Region zu stabilisieren, erklärte sie. Die Londoner Konferenz sei deshalb auch ein Aufruf an das Assad-Regime, dafür zu sorgen, dass es nicht zu noch mehr Elend in der Region komme.
Die fünf Geberländer Großbritannien, Deutschland, Norwegen, Kuwait und die Vereinten Nationen hatten sich am Rande des G20-Gipfels in Antalya auf die gemeinsame Ausrichtung der Geberkonferenz geeinigt, um dem finanziellen Notstand der UN-Hilfsorganisationen in Syrien und den Anrainerstatten entgegenzuwirken.
Unter dem Vorsitz der Bundeskanzlerin hat sich der Themenblock "Inside Syria" dem humanitären Schutz und der humanitären Versorgung der Menschen in Syrien gewidmet. Die Bundeskanzlerin machte deutlich, dass es angesichts der chaotischen Zustände und der Zerstörung in Syrien vor allem darum gehen müsse, möglichst rasch befriedete Gebiete in und um Syrien zu stabilisieren.
Der humanitäre Zugang zu Flüchtlingen im Krisengebiet müsse verbessert und Wiederaufbaumaßnahmen gefördert werden. Es sei wichtig, nicht nur die Flüchtlinge in den Nachbarländern, sondern auch die notleidenden Menschen in Syrien selbst im Blick zu haben und dort für Inseln der Hoffnung zu sorgen.
Dazu gehörten Infrastrukturmaßnahmen, der ungehinderte Zugang zu Strom und Wasser sowie die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Eine nachhaltige Stabilisierung könne aber nur durch politische Lösungen flankiert werden, betonte die Kanzlerin.
Neben finanziellen Mitteln sind langfristige Maßnahmen geplant, um die Zukunftsperspektiven der Flüchtlinge in Syrien und den Nachbarländern zu verbessern. Dazu gehören Wiederaufbaumaßnahmen sowie Projekte zur Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten und der Bildungschancen.
Die Beschäftigungsinitiative "Partnership for Prospects" soll den Flüchtlingen vor Ort Beschäftigungsperspektiven eröffnen, damit sie ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren können. Insgesamt 500.000 Arbeitsplätze sollen in der Region geschaffen werden, um die Errichtung von Gemeindezentren, Schulen und Krankenhäusern zu unterstützen, die von den Flüchtlingen selbst gebaut werden. "Deutschland wird sich 2016 mit 200 Millionen Euro an diesem Programm beteiligen", betonte Merkel in London.
Um der Entstehung einer verlorenen Generation entgegenzuwirken, sollen bis zum Schuljahr 2016/17 alle Kinder – syrische Flüchtlinge wie auch Kinder in aufnehmenden Gemeinden – einen Schulplatz erhalten. Darüber hinaus soll auch der Hochschulzugang verbessert und die berufliche Bildung eingegliedert werden.
Dazu erklärte die Bundeskanzlerin: "Wir werden außerdem 1.900 Hochschulstipendien für syrische Flüchtlinge anbieten, damit sie ihre Ausbildung voranbringen können."
Die Bundeskanzlerin kündigte zudem die Einrichtung von Partnerschaften zwischen Kommunen an: "Wir werden dazu eine Internet-basierte Kommunikationsplattform einrichten und in Deutschland dafür werben, dass Bundesländer oder Städte Partnerschaften mit Städten in Jordanien, im Libanon und in der Türkei übernehmen, um ihrerseits Hilfe anzubieten." Sie warb bei den Teilnehmern dafür, dieses Programm international bekannt zu machen, damit es anlaufen könne.
Im Anschluss an die Londoner Syrien-Konferenz betonte Entwicklungsminister Gerd Müller die Bedeutung der raschen Bereitstellung der in London vereinbarten Mittel. Er halte eine Bündelung der weltweiten Initiativen zu einer Art "Marshall-Plan" für notwendig, sagte er am Freitag (05.02.2016) im ZDF. Damit könnte – angelehnt an die Wiederaufbauhilfe nach dem Zweiten Weltkrieg - im humanitären Bereich der Wiederaufbau unterstützt werden. Flüchtlinge sollten die Möglichkeit erhalten, in bereits wieder "befriedete Zonen" zurückzukehren.