Seiner Zeit weit voraus: Aby Warburgs Bildatlas

Haus der Kulturen der Welt Seiner Zeit weit voraus: Aby Warburgs Bildatlas

Aby Warburgs legendärer Bildatlas "Mnemosyne" ist aktuell in einer Ausstellung im Berliner Haus der Kulturen der Welt zu sehen. Dass er dort mit dem originalen Bildmaterial präsentiert wird, ist eine kleine Sensation. Die Fragen, die der Kunst- und Kulturwissenschaftler damit bereits in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts aufwarf, sind heute aktueller denn je.

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Blick in die Ausstellung "Aby Warburg. Bilderatlas Mnemosyne - das Original"

Blick in die Ausstellung "Aby Warburg: Bilderatlas Mnemosyne - das Original"

Foto: Bergander/BKM

Bildgedächtnis der europäischen Kultur

Eine Geschichte europäischer Kunst und Kultur, dargestellt anhand fotografischer Reproduktionen, Illustrationen aus Büchern, Originalgrafiken oder Zeitungssei­ten auf schwarz bespannten Tafeln: So präsentiert sich der Bilderatlas “Mnemosyne” – benannt nach der griechischen Göttin der Erinnerung und Mutter der Musen – in der aktuellen Ausstellung im Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW). Wiederhergestellt wurden sie mit Warburgs originalem vielfarbigem Bildmaterial, das die Kuratoren in der Photographic Collection des Warburg Instituts in London entdeckten.

Zusammengestellt wurde der fast tausend Abbildungen umfasssende Bildatlas in den 1920er Jahren vom deutsch-jüdischen Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler Aby Warburg. Bis zu seinem Tod im Jahr 1929 arbeiteten Warburg und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Form und Funktion des Atlas. Als er starb, hinterließ er 63 Tafeln. Sie wurden anschließend auf Schwarzweiß-Glasnegativen festgehalten und ermöglichten jetzt die originalgetreue Rekonstruktion.

Pionier der modernen Bildwissenschaft

Im Rückblick erweist sich Warburg als ein Pionier der modernen Kunst- und Bildwissenschaft. Seine Methode setzte gerade dadurch, dass sie eine sparten-, fächer- und epochenübergreifende Neu-Anordnung versuchte, Maßstäbe - auch indem sie auf ganz unterschiedliche Bildmaterialien von der fotografischen Reproduktion bis zum Zeitschriftenbild zurückgriff.

Auch wenn es Warburg vor allem um die Frage ging, welchen Einfluss die antike Kunst und Kultur auf die Neuzeit hatte, so sei Warburgs Ansatz auch heute noch aktuell, erklärte Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei der Eröffnung der Ausstellung. "Aby Warburg hat mit seinen ungewöhnlichen Bilderstudien etablierte Denkmuster in Frage gestellt. Damit hat er den Blick auf das Verbindende zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Epochen gelenkt und als ein ‚unteilbares Ganzes‘ sichtbar gemacht."

Teil der Reihe "Das neue Alphabet"

Es ist deshalb auch kein Zufall, dass der Bildatlas im Berliner Haus der Kulturen der Welt zu sehen ist – im Rahmen der Projektreihe "Das neue Alphabet". Ergänzt wird die Präsentation durch eine Ausstellung in der Gemäldegalerie unter dem Titel "Zwischen Kosmos und Pathos: Berliner Werke aus Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne" mit Kunstwerken, die Warburg als Vorlagen seiner enzyklopädischen Bildersammlung zum Thema Kosmos und Pathos dienten.

Warburg habe eine Art Mind-Map der Kulturgeschichte - und eine Inspirationsquelle für unsere Phantasie geschaffen, erklärte Grütters. "Welcher Ort wäre also geeigneter, um die Forschung Aby Warburgs zu präsentieren, als das HKW, das mit seinem Selbstverständnis als "Denkfabrik" in vielerlei Hinsicht dem Ansatz dieses unkonventionellen Denkers folgt und mit ungewöhnlichen Konzepten immer wieder für Perspektivwechsel sorgt?"

Die Ausstellung ist bis zum 30. November 2020 im Berliner Haus der Kulturen der Welt zu sehen. Das HKW wird als Teil der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH (KBB) in diesem Jahr mit rund 9 Millionen Euro aus dem Etat der Kulturstaatsministerin finanziert.
Weitere Informationen unter www.hkw.de und www.smb.de