Rede von Kulturstaatsministerin Monika Grütters anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Aby Warburgs Bilderatlas MNEMOSYNE“ im Haus der Kulturen der Welt in Berlin.

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Im Wortlaut Rede von Kulturstaatsministerin Monika Grütters anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Aby Warburgs Bilderatlas MNEMOSYNE“ im Haus der Kulturen der Welt in Berlin.

Die Anerkennung und Wertschätzung für das Verbindende der unterschiedlichen Kulturen und Epochen zu verteidigen  bleibt Voraussetzung für Verständigung, für interkulturellen Dialog und damit Aufgabe für die Zukunft, so die Kulturstaatsministerin in ihrer Rede zur Ausstellungseröffnung.


Donnerstag, 3. September 2020

Aby Warburg formulierte einmal die Maxime „der liebe Gott steckt im Detail“. Wie recht er hat, erleben wir gerade alle, wenn es darum geht, Kultur in Zeiten der Corona-Pandemie unter Abstandsregeln und mit ausgefeilten Hygienekonzepten wieder neu zu ermöglichen. Dass die Ausstellung – zwar knapp fünf Monate später und mit deutlich weniger Gästen als geplant, immerhin live und mit Vernissage-Atmosphäre – heute ihre Pforten öffnen kann, freut mich vor diesem Hintergrund sehr.

Gerade schwierige Zeiten wie diese erfordern, dass wir die gewohnten Pfade des Denkens und Handelns verlassen, dass wir nach neuen Ideen und Ansätzen suchen. Ein Lehrmeister dieser Kunst war Aby Warburg. Seine Bilderkästen visualisieren auf faszinierende Weise, wie neue Zu- und Anordnungen alte Gedanken aufbrechen, wie ungewöhnliche Kategorisierungen unglaubliche Verbindungen und Zusammenhänge hervorbringen. Mit seiner Methode, Bilder zu sammeln, zu gruppieren und zu kategorisieren, mit seinem Anspruch, Mythos, Ritual, Religion, Kunst, Ethos und Wissenschaft in Beziehung zueinander zu setzen, schuf Aby Warburg eine Art Mind-Map der Kulturgeschichte - und eine Inspirationsquelle für unser aller Phantasie.

Welcher Ort wäre also geeigneter, um die Forschung Aby Warburgs zu präsentieren, als das HKW, das mit seinem Selbstverständnis als „Denkfabrik“ in vielerlei Hinsicht dem Ansatz dieses unkonventionellen Denkers folgt und mit ungewöhnlichen Konzepten immer wieder für Perspektivwechsel sorgt?

Mit Ihrer Kompetenz, Wissenschaft, Kultur und Kunst miteinander zu verknüpfen, setzen auch Sie Maßstäbe und Trends, lieber Herr Professor Scherer, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des HKW. Ob mit dem „Anthropozän“-Projekt, der Ausstellung „Bauhaus Imaginista“ oder Ihrer „New Alphabet School“: in unterschiedlichen Formaten brechen Sie mit Sehgewohnheiten und hinterfragen gängige Einordnungen. Wie Warburg machen Sie übergreifende zeitliche und kulturelle Zusammenhänge sichtbar, beleuchten verbindende Muster und Strukturen und setzen damit markante Akzente für ein offenes Denken und gegen „grenzpolizeiliche Befangenheit“, um es mit Warburgs Worten zu sagen. Dass es Ihnen, lieber Herr Dr. Ohrt und lieber Herr Professor Heil, in Zusammenarbeit mit dem Londoner Warburg Institut nun gelungen ist, erstmals das gesamte unvollendete Hauptwerk Aby Warburgs mit dem originalen Bildmaterial hier in Berlin, im Haus der Kulturen der Welt, zu präsentieren, ist eine echte Sensation und begeistert nicht nur mich sehr. Denn Aby Warburg wirkt nicht nur wie ein Spiritus Rector dieses Hauses. Gerade jetzt ist er auch ein Botschafter des offenen, unvoreingenommenen Denkens, ein Botschafter für Diskurs und Verständigung.

Denn er erforschte, was wir durch weltweite Vernetzung und Migration heute mehr denn je erleben: Dass Motive, Emotionen, Affekte und Gebärden uns über Zeiten und geographische Grenzen hinweg verbinden – dass sich Kunst, dass sich Kulturen in Wanderungsbewegungen, in stetigem Rückgriff auf das kollektive Bildergedächtnis und im lebendigen Austausch mit anderen Kulturen gegenseitig befruchten und entwickeln. Die Gemäldegalerie zeigt derzeit in schöner Ergänzung zu dieser Ausstellung Originale des Bilderatlas „Mnemosyne“. Auf einer Tafel bringt sie Aby Warburgs Botschaft mit folgenden Worten auf den Punkt: „Kultur ist eben nicht entweder „high“ oder „low“, sie ist nicht nördlich oder südlich, nicht westlich oder östlich – Kultur ist ein unteilbares Ganzes.“ Warburg stellt mit seinen Forschungen etablierte Denkschemata in Frage und weitet den Blick für das Verbindende der unterschiedlichen Kulturen und Epochen - eben für das „unteilbare Ganze“. Dessen Anerkennung und Wertschätzung zu verteidigen – insbesondere gegen jene, die in Abgrenzung zum Eigenen Vorurteile und Hass gegen das Andere, das vermeintlich Fremde schüren – bleibt Voraussetzung für Verständigung, für interkulturellen Dialog, und damit Aufgabe für die Zukunft.

So kann man dem HKW nur wünschen, dass die Göttin Mnemosyne, die Göttin des Gedächtnisses und Namensgeberin des Warburgschen Bilderatlas, viele Besucherinnen und Besucher anzieht und dafür sorgt, dass ihnen Warburgs kulturgeschichtliche Mind-Map lange im Gedächtnis bleibt.

In diesem Sinne: viel Erfolg für die Ausstellung und Ihnen allen viel Freude, Begeisterung und viele Entdeckungen bei Ihrem Rundgang.

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