Europameisterin 2018
Für die 19-jährige Auszubildende Elisabeth Hölscher ist ein Traum in Erfüllung gegangen: Sie hat die Europameisterschaften der Berufe in Budapest gewonnen. Außer ihrem Können beeindruckt ihre Einstellung: "Es gibt wenige Berufe, in denen man so unmittelbar eine Bestätigung erhält", erzählt die Bambergerin im Interview.
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Seit knapp zweieinhalb Jahren macht Elisabeth Hölscher ihre Ausbildung zur generalistischen Pflegefachkraft mit Schwerpunkt Gesundheits- und Krankenpflege bei der Sozialstiftung in Bamberg. Für die Goldmedaille bei den Europameisterschaften der Berufe musste sie 16 Einzelwettbewerbe absolvieren. Geprüft wurden Kompetenzen im Krankenhaus, in der Tagespflege, ambulanten und stationären Pflege.
Sie haben sich für eine Ausbildung im Gesundheits- und Pflegebereich entschieden. War das schon immer Ihr Traumberuf?
Elisabeth Hölscher: Für den Bereich habe ich mich schon lange interessiert, bestimmt schon seit der neunten Klasse. Wichtig war mir, trotz Abitur zunächst auf jeden Fall mit einer klassischen Berufsausbildung zu beginnen. Entscheidend fand ich auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes - und damit auch die freie Orts- und Betriebswahl. Ich persönlich bin sehr zufrieden mit meinem Arbeitgeber. Aber das könnte natürlich auch einmal anders laufen. Und dann kommt es einem zu Gute, dass im Pflegebereich überall Personal benötigt wird.
Attraktiv ist auch das vielfältige Angebot an Entwicklungsmöglichkeiten: Man kann nach der Ausbildung ein Studium draufsatteln oder sich für eine Spezialisierung entscheiden, wie den Fachpfleger für Onkologie oder Hämatologie. Und auch die Pflegedienstleistung ist später möglich. Besonders entscheidend war für mich auch der enge Kontakt mit anderen Menschen - sowohl mit den Patienten, als auch mit den Kollegen.
Wie sieht denn Ihr Arbeitsalltag aus?
Elisabeth Hölscher: Ich arbeite in drei Schichtsystemen: Es gibt die Früh-, die Spät- und die Nachtschicht. Dabei habe ich eine Mischung aus Rahmen- und situationsbedingten Aufgaben. Das bedeutet, dass ich mich zunächst an gewissen Strukturen orientieren muss, die jeden Tag gleich sind, wie die Essenszeit für die Patienten morgens um acht. Da ist es wichtig, dass ich die festen Termine in meine Aufgaben einbeziehe. Gerade auch, wenn es um die Zusammenarbeit mit den Ärzten geht, mit denen man gemeinsam Visite macht. Interprofessionelle Teamarbeit ist im Krankenhaus besonders wichtig. Das gilt auch für die gegenseitige Rücksichtnahme beispielsweise auf die Reinigungskräfte. Wenn diese im Schwesternzimmer säubern wollen, ist es ungünstig, wenn ich im selben Moment am PC meine Dokumentation machen will.
Ansonsten hängt sehr viel davon ab, wie viele Patienten ich gerade betreue und welche Krankheitsbilder sie haben. Muss jemand für eine Operation vorbereitet werden, braucht jemand einen neuen Verband oder bekommt einer gerade eine Chemotherapie. Grundsätzlich arbeiten wir bei uns vor allem nach dem System der Bezugspflege. Das heißt, dass man für einen Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung zuständig ist. Damit möchte man den Patienten entgegenkommen, gerade auch schon bei der Aufnahme: Sie können sicher sein, dass sie dann immer einen festen Ansprechpartner haben.
Wie gehen Sie mit der großen Verantwortung um, die Sie ja jeden Tag für Ihre Patienten haben?
Elisabeth Hölscher: Ich denke, in gewisser Weise sollte man keine Angst vor Verantwortung haben. Man wächst natürlich mit seinen Aufgaben, man wächst auch mit seinen Erfahrungen. Wer aber von Anfang an sagt, ich möchte nicht für andere verantwortlich sein, der sollte sich vielleicht doch für einen anderen Beruf entscheiden. Mich belastet persönliche Verantwortung nicht. Ich freue mich eher darüber, wenn ich sie übernehmen darf. Und im Alltag ist es natürlich sehr hilfreich, dass man ja Teil eines Teams ist, das füreinander da ist. Ich weiß: Wenn es darauf ankommt oder ich mich in einer schwierigen Situation befinde, ist im Notfall auch noch ein Kollege da.
Sie haben vor einigen Wochen die Goldmedaille im Bereich Gesundheit und Soziales bei den Europameisterschaften der Berufe in Budapest gewonnen. Was war das für ein Gefühl, für Deutschland auf dem Siegerpodest zu stehen?
Elisabeth Hölscher: Ich persönlich war vollkommen überwältigt! Man fühlt sich sehr stolz: Einerseits für einen selbst, andererseits für sein Land, das man vertreten darf. Gerade in Deutschland ist das Bild des Pflegeberufs ja leider oft noch negativ besetzt. Da war es einmal etwas Gutes, die Pflege durch den Sieg positiv erscheinen zu lassen. Man braucht eine ganze Zeit, um das alles zu realisieren, in dem Moment, wenn man die Medaille um den Hals gehängt bekommt. Als die Fotos gemacht wurden, da habe ich kaum etwas davon mitbekommen, weil ich vollkommen neben mir gestanden habe. Das hat sich erst in den Tagen danach gelegt.
Sie sprechen das Image des Berufes an. Was bräuchte es denn für einen Imagewandel?
Elisabeth Hölscher: Ich glaube, man sollte nicht immer nur die Schattenseiten des Berufes in den Vordergrund stellen. In jedem Beruf gibt es Aspekte, die schlecht sind, die nicht allen Spaß machen oder die verbesserungswürdig sind. In der Pflege gibt es ganz viele Dinge, die den Beruf liebenswert machen und ihn zu einer Berufung machen können! Wir bräuchten viel mehr Stimmen, die auch diese Seite vertreten und präsentieren.
Können Sie ein Beispiel nennen, weshalb Ihr Beruf für Sie eine persönliche Bereicherung darstellt?
Elisabeth Hölscher: Es gibt wenige Berufe, in denen man so unmittelbar eine Bestätigung erhält, dass man weiß, man hat wirklich etwas Gutes getan. Also nicht nur seine Arbeit ordnungsgemäß ausgeführt, sondern im Wortsinn etwas Gutes. Wenn ich Menschen vor mir habe, die gerade noch furchtbare Schmerzen geplagt haben, und denen ich helfen konnte, dass sie die Schmerzen nicht mehr empfinden, dann ist das ein sehr gutes Gefühl. Ich erlebe oft, dass sich Patienten bei mir für meine Arbeit bedanken, und wenn das aus tiefstem Herzen kommt, dann ist das sehr schön für einen selbst.
Außerdem ist der Beruf auch für den eigenen praktischen Alltag von Vorteil. Wenn man sich auskennt mit Gesundheit und Krankheit oder Ahnung hat von Medikamenten, dann ist das schon hilfreich. Hinzu kommt die soziale Kompetenz, die man für diesen Beruf benötigt - alles Dinge, die mir auch privat nützen.
Was raten Sie anderen jungen Leuten, die sich für den Pflegeberuf interessieren?
Elisabeth Hölscher: Probiere es aus, es lohnt sich! Interesse ist schon einmal die beste Grundlage. Es gibt viele Möglichkeiten, in den Pflegebereich hinein zu schnuppern. Beispielsweise mit einem Praktikum in einem Krankenhaus, einem Pflegeheim oder in der ambulanten Pflege. Es gibt Praktika von einer Woche bis zu einem Jahr. Man sollte sich auf jeden Fall gut informieren, die Ausbildungsmöglichkeiten sind sehr vielfältig. Für Abiturienten sind vielleicht auch duale Angebote interessant, wenn man also neben der Arbeit im Pflegebereich auch studieren möchte. Wichtig ist, sich unbedingt einen persönlichen Eindruck zu machen: Die Bedingungen können von Fachbereich zu Fachbereich oder von Station zu Station sehr unterschiedlich sein.
Ihre Ausbildung dauert noch bis August kommenden Jahres. Wie geht es dann bei Ihnen weiter?
Elisabeth Hölscher: Für mich ist klar, dass ich in der Pflege bleiben möchte. Ich habe meine Berufung gefunden. Und auch keine Angst vor Herausforderungen oder Veränderungen. Geplant ist, dass ich nach der Ausbildung Pflegemanagement studiere. Auf jeden Fall will ich aber parallel auf der Station im Krankenhaus weiterarbeiten, weil ich den direkten Kontakt mit den Patienten nicht verlieren möchte. Das ist es ja, was ich an meinem Beruf liebe.
Alle zwei Jahre treten bei der Europameisterschaft der Berufe Auszubildende, Studierende und junge Fachkräfte aus allen Teilen Europas und in Begleitung ihrer Ausbilder und Lehrer zu einem öffentlichen Wettbewerb an. 2018 präsentierten rund 530 Teilnehmer aus 28 Ländern ihr Können in Budapest. Aus Deutschland mit dabei: 23 junge Fachkräfte aus Handwerk, Industrie und dem Dienstleistungsbereich.