Mehr Aufmerksamkeit gegen Diskriminierung 

Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle Mehr Aufmerksamkeit gegen Diskriminierung 

In Deutschland werden immer mehr Fälle von Diskriminierung gemeldet. Im vergangenen Jahr nahmen die Anfragen um 78 Prozent zu. Hat die Corona-Pandemie Einfluss auf die Zahlen oder die Themen der Ratsuchenden? Und was unternimmt die Bundesregierung gegen verschiedene Arten von Diskriminierung? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Antidiskriminierung

Die Bundesregierung bietet gleichwohl umfassende wie vielseitige Angebote im Kampf gegen Diskriminierung an.

Foto: picture alliance / Robert Schlesinger

Wie haben sich die Zahlen zu Diskriminierungen entwickelt?

Im Jahr 2020 ist die Zahl der Beratungsanfragen bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Vergleich zum Vorjahr so stark gestiegen wie nie zuvor – insgesamt um 78 Prozent. Zusammengenommen wurden im vergangenen Jahr in 6.383 Fällen Rechtsauskünfte erteilt, Stellungnahmen eingeholt oder gütliche Einigungen vermittelt. Das zeigt der Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS). 

„Einen derart drastischen Anstieg der Beratungsanfragen haben wir noch nie erlebt“, betonte der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle, Bernhard Franke, bei der Vorstellung des Jahresberichts 2020 . Man könne eine gesteigerte gesellschaftliche Sensibilität für das Thema erkennen, ein wacheres Auge. Immer mehr Menschen suchten sich aktiv qualifizierte Beratung, so Franke. 

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine unabhängige Anlaufstelle für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Eingerichtet wurde sie 2006 mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Sie berät Menschen, die aufgrund der ethnischen Herkunft, Religion, Weltanschauung, sexuellen Identität, des Alters, einer Behinderung oder des Geschlechts im Arbeitsleben oder bei Alltagsgeschäften benachteiligt werden.

Macht sich die Corona-Pandemie bei den Anfragen bemerkbar?

Der außergewöhnliche Anstieg der Beratungsfälle hängt zu einem wesentlichen Teil – aber nicht ausschließlich - mit der Corona-Pandemie zusammen: 2020 zählte die Antidiskriminierungsstelle 1.904 Anfragen, die in direktem Bezug zur Pandemie standen. Vor allem rassistische Übergriffe gegen als asiatisch wahrgenommene Menschen prägte den Beginn der Pandemie. Auch wurde chronisch kranken Menschen und jenen in hohem Alter beispielsweise die Arbeit im Homeoffice verwehrt.

Der Großteil der Anfragen – 1.496 Fälle – bezog sich indes auf Benachteiligungen im Zusammenhang mit der sogenannten Maskenpflicht. Sie stellt Menschen vor Schwierigkeiten, die aus gesundheitlichen Gründen keinen Mundschutz tragen können. Die Bewertung dieser Fälle wird allerdings dadurch erschwert, dass Personen und Gruppierungen im Laufe der Pandemie damit begonnen haben, sich der Maskenpflicht mittels ärztlicher Atteste zu entziehen, auch wenn tatsächlich keine medizinischen Gründe vorlagen.

Die zahlreichen Anfragen zum Maskenschutz führten dazu, dass sich 2020 etwa 41 Prozent aller Beratungsersuchen insgesamt auf das Merkmal „Behinderung und chronische Krankheiten“ bezogen. In absoluten Zahlen entspricht dies 2.631 Fällen. Deshalb hat sich die Zahl der Fälle in diesem Merkmalsbereich im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht.

Welche anderen Formen der Diskriminierung gibt es?

Mit der Pandemie allein ist der spürbare Zuwachs der Anfragen im vergangenen Jahr aber nicht vollständig erklärt. Auch die Beratungsanliegen ohne inhaltlichen Bezug zur Pandemie sind um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen.

Neben pandemiebedingter Fälle ist ein signifikanter Anstieg rassistischer Diskriminierungen zu verzeichnen. Hier stieg die Zahl der gemeldeten Fälle um 78 Prozent auf 2.101. Das war ein Drittel (33 Prozent) aller Anfragen des gesamten Jahres. Die Betroffenen berichteten häufig von sowohl unterschwelligem als auch offensiv-aggresivem Alltagsrassismus.

Mit 17 Prozent aller Anfragen liegt die dritthäufigste Ursache für das Ersuchen der Antidiskriminierungsstelle in der Diskriminierung der Betroffenen aufgrund ihres Geschlechts. Beratungsanfragen, in denen es um Diskriminierung wegen des Lebensalters (neun Prozent), wegen der Religion oder Weltanschauung (fünf beziehungsweise zwei Prozent) oder wegen der sexuellen Identität (vier Prozent) ging, folgen anteilsmäßig.

Der Bericht der Antidiskriminierungsstelle zeigt auch, dass sich Menschen häufig aufgrund mehrerer Merkmale benachteiligt.

In welchen Situationen kommt es zu Ausgrenzungen?

Situationen, in denen Menschen ihren Alltagsgeschäften nachgehen, bilden das zentrale Umfeld für Diskriminierungserfahrungen. Hierunter fallen Benachteiligungen bei der Wohnungssuche, beim täglichen Einkauf, bei Versicherungs- und Bankgeschäften oder beim Besuch eines Restaurants. Allein 40 Prozent der Anfragen bezogen sich 2020 auf Erfahrungen in solchen Situationen.

Diskriminierungserfahrung im Arbeitsleben machen 23 Prozent aller Anfragen aus. Darüber hinaus treten Fälle in anderen Lebensbereichen auf, hierzu zählt auch staatliches Handeln.

Agg (Weitere Beschreibung unterhalb des Bildes ausklappbar als "ausführliche Beschreibung")

Entwicklung der Beratungsanfragen in Bezug zu einem Merkmal des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG)

Die Grafik trägt den Titel: Enwicklung der Beratungsfragen mit Bezug zu einem AGG (Allgemeines Gleichstellungsgesetz)-Merkmal

Darunter sind vier Balken in unterschiedlichen Farben, unterschiedlicher Höhe und jeweils anderer Beschriftung abgebildet

  1. Balken (links, türkis): unten steht die Jahreszahl 2017, am oberen Ende des Balkens die Zahl 2.995
  2. Balken (zweiter von links, blau): unten steht die Jahreszahl 2018, am oberen Ende des Balkens die Zahl 3.455
  3. Balken (zweiter von rechts, rot): unten steht die Jahreszahl 2019, am oberen Ende des Balkens die Zahl 3.580.
  4. Balken (rechts, gelb): unten steht die Jahreszahl 2020, am oberen Ende des Balkens die Zahl 6.383. Das obere Drittel des Balkens ist braun hinterlegt. Daneben steht: 1.904 AGG-Beratungsanfragen im Zusammenhang mit Corona.

Foto: Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Was unternimmt die Bundesregierung gegen verschiedene Formen der Diskriminierung?

Mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes  hat die Bundesregierung eine erste Anlaufstelle geschaffen, an die sich Betroffene von Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechts, ihres Alters, der Hautfarbe oder ethnischen Herkunft, der Religion, einer Behinderung oder ihrer sexuellen Identität wenden können.

Besondere Priorität für die Arbeit der Bundesregierung hat der Komplex rund um das Thema Rassismus. Die Einrichtung des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus verdeutlichen das. Der Ausschuss hatte Ende November 2020 ein umfassendes Maßnahmenpaket im Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus beschlossen. Mehr als eine Milliarde Euro wird die Bundesregierung in den Jahren 2021 bis 2024 im Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus bereitstellen.

Welche Bundesprogramme zur Prävention gibt es?

Das mit Abstand größte Bundesprogramm gegen Extremismus, Rassismus und für Demokratie „Demokratie leben “, fördert zivilgesellschaftliches Engagement. Für 2021 hat die Bundesregierung 150 Millionen Euro bereitgestellt, um deutschlandweit Projekte zu fördern, die sich für ein vielfältiges, respektvolles und gewaltfreies Miteinander einsetzen. Bis 2024 steigt die Fördersumme auf 200 Millionen Euro jährlich. Von diesem Programm profitieren derzeit ungefähr 500 Projekte mit kommunalen, regionalen und überregionalen Schwerpunkten. 

Mit dem Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe" fördert die Bundesregierung regional verankerte Vereine, Verbände und Multiplikatoren im ländlichen Raum und strukturschwachen Gebieten. Das Bundesinnenministerium setzt hierfür jährlich etwa zwölf Millionen Euro ein. 

Die Antidiskriminierungsstelle kündigte als Konsequenz aus den deutlich gestiegenen Anfragen die Einrichtung einer Servicestelle mit einem ausgeweiteten, neuen telefonischen Beratungsangebot ab Juli an – dank entsprechender finanzieller Zusagen des Bundesfamilienministeriums. Damit könne man künftig mehr Menschen Beratungen anbieten und die juristische Beratung intensivieren, erklärte Franke.