Dem Plastik im Meer auf der Spur

Meeresforschung Dem Plastik im Meer auf der Spur

Jedes Jahr gelangen Millionen Tonnen Plastikabfälle in die Weltmeere. Das Ausmaß dieser Vermüllung und das Vorkommen von Mikroplastik im Nordpazifik untersuchen Forscherinnen und Forscher im Projekt Micro-Fate. Das Bundesforschungsministerium fördert das Vorhaben.

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Einer der größten Müllstrudel weltweit, das "Great Pacific Garbage Patch", wurde erstmals von der Wissenschaft genauer untersucht.

Einer der größten Müllstrudel weltweit, der"Great Pacific Garbage Patch", wurde erstmals von der Wissenschaft genauer untersucht.

Foto: UFZ/Roman Kroke

Fünf Wochen war das Forschungsschiff Sonne auf dem Pazifik unterwegs. Die Route führte quer über den Ozean von Vancouver nach Singapur. Das Besondere an dieser Fahrt: Erstmals wurde einer der größten Müllstrudel weltweit, der "Great Pacific Garbage Patch", von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern genauer untersucht und mit geringer belasteten Gebieten verglichen.

Der "Great Pacific Garbage Patch", ein Müllteppich im Nordpazifik, umfasst laut einer im Jahr 2018 veröffentlichten Studie eine Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometern. Natürliche Strudel im Meer sowie die vorherrschende Windrichtung treiben den Müll in diesen Bereich des Ozeans, nördlich des Äquators, immer weiter zusammen.

Winzige Plastikteilchen treiben im Meer

Doch wie viel Plastik im "Great Pacific Garbage Patch" tatsächlich im Meer treibt, darüber gibt es bislang hauptsächlich Schätzungen. In der genannten Studie ist von 1,8 Billionen Plastikteilen die Rede. Unklar ist vor allem, welche Mengen an Plastik unterhalb des Müllstrudels in den Tiefen des Ozeans schwimmen oder auch zum Meeresgrund absinken - nicht nur in großen Teilen, sondern auch als winzige Partikel.

Ein wichtiges Ziel des Projekts Micro-Fate ist die Analyse von marinem Mikroplastik: Hier wird die Größe der Partikel sowie deren Konzentration in den Proben betrachtet. Auch der Verwitterungszustand und die Ansiedlung von Mikroorganismen an den Oberflächen von Plastik sind für die Forschenden von Interesse. Ebenso wird die Anreicherung von Schadstoffen untersucht.

"Detaillierte Daten, wie sich die Plastikteilchen im Ozean verteilen, existierten bislang nicht", sagt Projektleiterin Annika Jahnke. Schätzungen beruhen vorwiegend auf Computermodellen, Einzeldaten und Luftaufnahmen. "Uns ging es darum, Daten zu sammeln und sie dann mit den bestehenden Modellen abzugleichen, um ein vollständiges Bild zu erhalten", betont die Forscherin.

Von der Oberfläche bis zum Meeresgrund

Das Projekt verfolgt auch in anderer Hinsicht einen neuen Ansatz: So wurde während der Expedition erstmals die gesamte Wassersäule, von der Oberfläche bis zum Meeresboden, auf das Vorkommen von Plastikpartikeln untersucht. Dafür wurden spezielle Tiefseeforschungsinstrumente eingesetzt, darunter Pumpen, die große Mengen Meereswasser filtern können.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hoffen durch diese Vielzahl an Proben mehr über die vertikale Verteilung der Kunststoffteilchen zu erfahren und weitere Informationen über Mikroorganismen wie Bakterien und Algen zu erhalten, die den Plastikmüll als ihren Lebensraum annehmen. Darüber hinaus sollen die Sedimentkerne und Wasserproben Hinweise über Schadstoffe liefern, die von Mikroplastik abgegeben oder aufgenommen werden. 

Untersuchungen in 6.000 Metern Tiefe

An insgesamt acht Stationen wurden Hunderte Proben inmitten des "Great Pacific Garbage Patch" sowie an Standorten mit mutmaßlich geringeren Gehalten genommen. An jeder dieser Station hieß es für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: arbeiten rund um die Uhr. "Es dauerte allein schon zwei Stunden, bis die Geräte über die Winde den Meeresgrund erreicht haben", sagt Jahnke. Knapp 6.000 Meter Meerestiefe werden in dieser Region gemessen.

Auch die an der Oberfläche sichtbar treibenden Plastikteile haben die Forscher im "Great Pacific Garbage Patch" dokumentiert. "Wir haben keinen zusammenhängenden, flächendeckenden Müllteppich gesehen, aber es schwimmt sehr viel Plastik dort im Meer", berichtet Jahnke. Streckenweise seien jede Minute neue Überbleibsel der Zivilisation entdeckt worden.

Veränderung des marinen Lebensraums durch Plastik

"Es waren viele Kanister, Fässer und Bojen darunter, aber auch Fischernetze aus Kunststoff, dazu auch Gebrauchsgegenstände aus Plastik wie zum Beispiel Kleiderbügel", sagt die Umweltchemikerin. Der große Plastikmüll wurde mit Netzen aus dem Ozean gefischt. "Manches sah noch fast neu aus, andere Plastikteile waren stark bewachsen", so Jahnke.

Besonders gut in Erinnerung ist der Forscherin ein großes blaues Kunststoff-Fass geblieben, das ebenfalls an Bord gehievt wurde. "Darin hatten zahlreiche Fische ein neues Habitat gefunden, eine neue Behausung. Ein Fisch war so groß, dass er nicht mehr durch die Öffnung passte", erzählt Jahnke. Dies sei ein Beispiel dafür, wie sehr Plastikmüll die marinen Lebensräume verändern könne.

Die Forschungsfahrt durch eine Ansammlung von Plastikmüll fernab der Zivilisation hat einen bleibenden Eindruck auf Jahnke hinterlassen: "Mich hat die Dimension der Vermüllung negativ beeindruckt", sagt sie. "Denn dieses Plastik wird noch viele Jahrzehnte in der Umwelt verbleiben und täglich kommt mehr hinzu." Bis zu 13 Millionen Tonnen werden laut der Studie einer amerikanisch-australischen Forschergruppe jährlich in die Weltmeere gespült.

Nächster Schritt: Analyse der Proben

Der Großteil der Arbeit hat für das Forscherteam jedoch erst Wochen nach der Forschungsfahrt begonnen. Die gewonnenen Proben werden jetzt in den Laboren der beteiligten Forschungseinrichtungen analysiert. Zu den Instituten zählen unter anderem das Fraunhofer-Institut für keramische Technologien und Systeme (IKTS) in Dresden sowie das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW).

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierte Projekt Micro-Fate wird vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig geleitet. Es setzt sich aus einem internationalen Wissenschaftlerteam zusammen. Die Forschung läuft bis 2021. Dann soll eine "Gesamtschau" über Vorkommen und Verbleib von Mikroplastik im Meer vorliegen.