„Ich bin Europäerin“

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Interview zum Europäischen Freiwilligenjahr „Ich bin Europäerin“

Franziska Lüffe aus Baden-Württemberg hat ein Jahr lang als Freiwillige des Europäischen Solidaritätskorps in Deutschlands Nachbarland Tschechien gearbeitet. Dort unterstützte sie den Jugendaustausch beider Länder. Gerade im Jahr der tschechischen Ratspräsidentschaft merkte die 20-jährige Essingerin: Eine europäische Identität ist vielen in Tschechien nicht mehr fremd. 

4 Min. Lesedauer

Europa

Ein Highlight des europäischen Freiwilligendienstes von Franziska Lüffe war eine Podiumsdiskussion – u.a. mit Jindrich Fryc (Staatssekretär tschechisches Schulministerium) und Jochen Rummenhöller (Deutscher Bundesjugendring) diskutierte sie über die Entwicklungen und Perspektiven des deutsch-tschechischen Jugendaustausches.

Foto: Jan Růžička

Sie unterstützten als Freiwillige das Koordinierungszentrum des deutsch-tschechischen Jugendaustausch „Tandem“. Wie sah Ihr Arbeitsalltag aus?

Meine Arbeit war sehr breit gefächert. Daher hatte ich eigentlich keinen festen Arbeitsalltag. Ich bin morgens ins Büro gekommen und habe dann das gemacht, was anstand.

Ich hatte bei Tandem mein eigenes Projekt: das deutsch-tschechische Jugendportal ahoj.info. Wir organisieren im Rahmen des Projekts zwei Seminare und betreuen die Social Media Kanäle. Außerdem habe ich in Pilsen einen deutsch-tschechischen Stammtisch organisiert. 

Manchmal habe ich Kolleginnen und Kollegen bei ihren Veranstaltungen unterstützt. Das reichte dann von Übersetzungen bis zur Unterstützung vor Ort beim Programmablauf. 

Welche Projekte oder Veranstaltungen haben Ihnen bislang am besten gefallen?

Während meines Freiwilligenjahrs habe ich zwei mehrtägige Seminare selbst organisiert. Diese waren definitiv Highlights für mich. Wir haben für unsere Veranstaltung zum Thema LGBTQ+ und Diversität viel positives Feedback bekommen. Das hat mir gezeigt, dass der Aufwand, der hinter solchen Veranstaltungen steht, es definitiv wert ist.

Ein weiteres Highlight war das 25-jährige Jubiläum von Tandem, das wir im Sommer gefeiert haben. Die Planungen dafür starteten schon im November vergangenen Jahres. Umso schöner war es, dass die Veranstaltung im Juni ohne Corona Einschränkungen ablaufen konnte. Ich hatte dabei die Möglichkeit, auf einem Podium über die Zukunft von Tandem zu diskutieren. Diesen Abend werde ich so schnell nicht vergessen. 

Sie haben sich schon vorher in Deutschland für den deutsch-tschechien Austausch engagiert. Woher kommt Ihr Interesse an dem Land?

Bei uns ist es eine Familientradition, sich für den deutsch-tschechichen Austausch einzusetzen. Meine Familie ist oder war aufgrund unserer familiären Wurzeln hier aktiv.

Ich finde an Tschechien besonders interessant, wie wenig wir eigentlich über dieses Land wissen. Auch wenn es eines unserer Nachbarländer ist, waren viele Leute noch nie in Kontakt mit der Kultur oder der Sprache. Deutschland und Tschechien teilen eine lange und teils schwierige Vergangenheit. Genau aus diesem Grund sollte man meiner Meinung nach aktiv an der Beziehung untereinander arbeiten. In den letzten Jahren ist da auf jeden Fall schon einiges passiert. Trotzdem sind wir noch längst nicht an einem Punkt, wo alle Arbeit getan ist. 

Ihr Arbeitsort war Pilsen, nah an der deutschen Grenze. Konnten Sie durch das Programm auch andere Teile Tschechiens kennenlernen?

Glücklicherweise ist das Tandem Büro in Pilsen für die gesamte Tschechische Republik zuständig und veranstaltet seine Programme im ganzen Land. Dadurch hatte ich die Möglichkeit viel von Tschechien zu sehen. Beispielsweise habe ich beim Tag der offenen Tür in der deutschen Botschaft in Prag einen Infostand von Tandem betreut. Ich konnte mich in der Botschaft umschauen. Das war wie eine Reise in die Vergangenheit. Das Gebäude ist ein wichtiger Teil der deutsch-deutschen Geschichte und viele Erinnerungen an diese Zeit hängen noch an den Wänden. 

Über die beiden vorbereitenden Seminare des Europäischen Solidaritätskorps habe ich zudem andere Freiwillige kennengelernt, die in Tschechien arbeiten. Wir haben uns im gesamten restlichen Jahr gegenseitig besucht und gemeinsam Ausflüge gemacht – auch in die Nachbarländer. 

Das Europäische Solidaritätskorps ist eine Initiative der Europäischen Union. Es fördert junge Menschen dabei, sich im Rahmen eines Freiwilligenjahres grenzüberschreitend für ein so-ziales und vielfältiges Europa zu engagieren. Ihre Arbeit kommt Gemeinschaften und Menschen in ganz Europa zugute. 

Tschechien ist seit 2004 ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Wo sehen Sie Europa im Land besonders, gerade jetzt während der Ratspräsidentschaft?

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Kollegen auf dem Weg zu einer Veranstaltung. Unser Gespräch führte uns zum Thema Europa. Wie aus dem Nichts sagte er zu mir, dass er sich selbst nie als Tscheche identifizieren würde. Er sei Europäer und darauf sehr stolz. Mich hat diese Aussage ehrlich gesagt erstmal überrascht. Aber umso länger ich darüber nachge-dacht habe, fand ich die Aussage immer schöner und auch für mich zutreffend. 

Ansonsten sind es eher die kleinen Dinge, die auffallen. In der ersten Woche der Ratspräsidentschaft hing zum Beispiel die europäische Flagge am Pilsner Rathaus. Auch jetzt sieht man noch hin und wieder europäische Flaggen an Museen oder Privathäusern. Man kann also definitiv einen gewissen Stolz fühlen.

Was ist für Sie richtig „tschechisch“?

Ich glaube, viele verbinden mit Tschechien Essen und vor allem Bier. Ich habe jedoch eine andere Besonderheit ausmachen können: Tschechien hat viele Flüsse. Im Sommer ist es quasi Tradition sich ein Kanu auszuleihen und damit drei oder vier Tage den Fluss entlang zu paddeln. Abends wird dann direkt am Fluss auf Campingplätzen ein Zelt aufgeschlagen, um am Morgen direkt wieder weiter zu fahren. Es war wirklich faszinierend, wie viele Leute mir von ihren Kanuabenteuern erzählt haben.