Mehr Lebensqualität durch Technik

Hightech-Strategie Mehr Lebensqualität durch Technik

Ältere und Menschen mit Behinderungen können durch moderne, vernetzte Computertechnik besser selbstständig und mobil bleiben. Wie das funktioniert und angenommen wird, untersuchen Forscher im Rahmen der Zukunftsaufgabe "Digitale Wirtschaft und Gesellschaft" der Hightech-Strategie.

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Im Rahmen von Mobia durch einen Mobilitätslotsen unterstützter Rollstuhlfahrer am Fahrkartenautomat

Mit Technik und Hilfe mobil bleiben

Foto: Saarbahn GmbH

„Ich möchte eine Pizza essen“, sagt der Rollstuhlfahrer. Und schon setzt sich sein Rollstuhl in Bewegung und bringt ihn in die Küche. Computer können heute das Leben von älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen wesentlich erleichtern. Durch neue technische Hilfsmittel lassen sich viele Alltagsprobleme lösen, für die bisher ein menschlicher Helfer nötig war.

Altersgerechte Assistenzsysteme

Natürlich gibt es dafür wieder nur einen englischen Begriff: „Ambient Assisted Living" (AAL). Das bedeutet so viel wie „Altersgerechte Assistenzsysteme für ein gesundes und unabhängiges Leben". Der Begriff umfasst alle Konzepte, Produkte und Dienstleistungen, die neue Technologien und soziales Umfeld miteinander verbinden und verbessern. Technik soll die Lebensqualität für Menschen in allen Lebensabschnitten erhöhen, nicht begrenzt auf Senioren und Menschen mit Behinderungen.

Eine zentrale Anlaufstelle für Forschung, Entwicklung und Verbreitung von innovativen AAL-Technologien ist das Kompetenzzentrum Ambient Assisted Living (CCAAL). Es ist eine Einrichtung innerhalb des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI).

Wohnen im Labor

Bestandteil des CCAAL ist das Bremen Ambient Assisted Living Lab, eine 60 m² große alters- und behindertengerechte Wohnung. Hier kann die Alltagstauglichkeit der AAL-Assistenzsysteme in der Realität überprüft werden.

An erster Stelle steht hier die Mobilitäts-Assistenz durch den Bremer "Intelligenten Rollstuhl" sowie den "Intelligenten Rollator". Beide sind so ausgestattet, dass sie den Nutzer beim sicheren Fahren und bei der Navigation zu bekannten Zielen unterstützen. In einem Video verdeutlichen die Forscher, wie es in der Laborwohnung mit der Pizza des Rollstuhlfahrers weitergeht.

Hightech-Strategie Assistenzsysteme unterstützen Menschen mit Behinderung

Natürlich kann eine vollständig computerisierte Wohnung sehr viel mehr. Licht schaltet sich selbsttätig ein, wenn man einen Raum betritt. Verlässt der letzte Bewohner die Wohnung und ein Fenster ist offen oder der Herd nicht ausgeschaltet, meldet sich das Handy.

Gerade für Senioren gibt es inzwischen zahlreiche technische Hilfsmittel, die ihnen ein unabhängiges Leben ermöglichen. Oftmals gibt es gesundheitliche Probleme, die überwacht werden müssen: Herzschlag, Sauerstoffgehalt oder Zuckerspiegel im Blut oder die Atmung im Schlaf. Sobald ein kritischer Wert auftritt, wird eine Notfallzentrale verständigt. Tagsüber könnte ein Modul mit einem winzigen integrierten Beschleunigungssensor in der Kleidung häusliche Unfälle schnell melden. Alternativ gibt es inzwischen Sensoren im Boden oder Teppich, die einen Sturz erkennen.

All diese technischen Hilfsmittel erleichtern die Betreuung Pflegebedürftiger und helfen bei der Überwachung von Risikofaktoren und bei der Gesundheitsvorsorge. Das Bundesforschungsministerium hat wesentliche Impulse gegeben mit der inzwischen abgeschlossenen Fördermaßnahme „Altersgerechte Assistenzsysteme".

Von all diesen Forschungsaktivitäten profitieren übrigens nicht nur Senioren, sondern auch die Jüngsten. Am Institut für Textil- und Verfahrenstechnik Denkendorf wurde ein integriertes Baby-Leibchen entwickelt. Das Kleidungsstück überwacht alle lebenswichtigen Körperfunktionen des Babys: Herz, Atmung, Temperatur und Hautfeuchtigkeit. Damit lässt sich der plötzliche Kindstod verhindern, für den bis heute keine eindeutige Erklärung gefunden wurde. Nach wie vor ist er die häufigste Todesursache bei Neugeborenen.

Das intelligente Haus

Die neuen Möglichkeiten des „Internet der Dinge“ sind aber nicht nur für hilfsbedürftige Personen nützlich. Sie können Komfort auch für junge und gesunde Menschen bieten. Die Grundidee: Unsere Wohnungen sind voll mit elektronischen Geräten: vom Telefon über PC, Fernseher bis hin zu Heizung, Kühlschrank, Waschmaschine und Herd.

Bremer Ambient Assisted Living Lab

Bremer Laborwohnung

Foto: DFKI

Trotz heute grenzenloser Datenkommunikation über das Internet enden alle Informationswege meist jedoch im Heimcomputer oder im Telefon. Es ist durchaus normal, sich die Wetterdaten aus Honolulu mal eben auf den Bildschirm zu holen. Dagegen ist es meist nicht möglich, die simplen Verbrauchsdaten der eigenen Heizung auf dem Bildschirm des Fernsehers oder PCs anzuzeigen.

Das Internet könnte sich im Wohnhaus fortsetzen. Komponenten und Geräte wie Heizung, Wettersensoren, Anwesenheitssensoren und Geschirrspüler hätten das Zeug, Informationen miteinander und auch mit dem Internet auszutauschen.

Aktiv ihre Zukunft planende Menschen, die Senioren in spe, sollen sich in einer möglichst frühen Lebensphase eine ansprechende Wohnsituation gestalten, in der sie später möglichst lange wohnen können. Die Forscher in Bremen informieren über bauliche und technologische Chancen, die selbstbestimmtes Wohnen mit Lebensqualität verbinden. Das Living Lab ist so ausgelegt, dass ein Probewohnen möglich wird, um konkrete Erfahrungswerte zu sammeln.

Sicher im öffentlichen Nahverkehr

Mann mit Krücken bekommt Hilfe beim Aussteigen. Ambient Assisted Living, Mobia

Einfaches Aussteigen nicht selbstverständlich

Foto: Saarbahn GmbH

Moderne Technik kann aber auch helfen, dass ältere Menschen oder Menschen mit Behinderungen mobil bleiben. Im Öffentlichen Personennahverkehr macht oftmals schon die Bedienung von Fahrkartenautomaten Probleme. Ein- und Ausgänge der Züge und Busse sind oft nur mit großem körperlichen Einsatz zu bewältigen. Aber auch die Planung einer Reiseroute kann durch die komplizierten Fahrpläne ein schwieriges Unterfangen sein. Viele ältere Menschen verzichten daher oftmals ganz darauf, Busse und Bahnen zu benutzen.

Das Saarbrücker Forschungsprojekt „Mobia – Mobil bis ins Alter“ will hier einen neuen Weg aufzeigen. Das DFKI entwickelte in Zusammenarbeit mit der Saarbahn und weiteren Partnern eine altersgerechte Technologie und Dienstleistung.

Wer mit einem Smartphone umgehen oder den Umgang lernen kann, hat die Möglichkeit, seine Route selbst damit zu planen. Wem das nicht möglich ist, der kann in der Zentrale anrufen und um Unterstützung bitten. Im Projekt standen so genannte Mobilitätslotsen zur Verfügung. Bei Bedarf holten sie den Benutzer zu Hause ab und brachten ihn zur Haltestelle. Beim Umsteigen standen dann weitere Lotsen zur Verfügung, die hier unterstützten. An der Zielstation wartete wiederum einer der Helfer und unterstützte beim Aussteigen und wies den Weg zum Ziel.

Mobia zeigt, dass erprobte und bewährte technische Komponenten, Dienstleistungen und Managementmodelle zu einem Gesamtkonzept zusammengefügt werden können. Das Ergebnis: Die Verbindung von Mensch und Technik kann helfen, mobil zu bleiben.