Der Fernseher überwacht die Gesundheit

Perlen der Forschung Der Fernseher überwacht die Gesundheit

Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik wollen helfen, dass alte Menschen so lange wie möglich selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben können. Dabei hilft das allen vertrauteste Gerät: der Fernseher.

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Professor Harald Mathis bat Bundeskanzlerin Merkel bei der Präsentation "Perlen der Forschung" im Januar in ein auf der Bühne aufgebautes Wohnzimmer und ließ sie auf einem Sofa Platz nehmen. Er demonstrierte ihr die Idee des Forschungsprojekts seines Instituts und der Bayer AG Die Frage, der sich das Projekt widmet, ist: Wie kann der Arzt auf virtuellem Weg in die Wohnung alter Menschen kommen? Das geeignete Medium dafür ist der Fernseher, den jeder gewohnt ist, mit der Fernbedienung zu steuern.

Gewohntes Medium

System-Startseite mit den Angeboten Notruf, Video-Anruf, Info-Kanal und Vital-Tagebuch

Angebote des Systems

Foto: Fraunhofer FIT

Der speziell programmierte Fernseher hat zahlreiche neue Möglichkeiten. Er ist mit verschiedenen Diagnoseinstrumenten verbunden, die der Patient möglichweise am Körper trägt oder regelmäßig verwendet. Das Gerät kann die Daten interpretieren und bei auffälligen Werten den Arzt verständigen.

Gleichzeitig kann aber auch der Betroffene seine eigenen Daten abrufen und beispielsweise prüfen, ob der Blutdruck in Ordnung ist oder wie viele Schritte er heute schon gegangen ist – vielleicht eine Anregung, noch einen Spaziergang zu machen. Daraus entsteht ein Tagebuch der medizinisch relevanten Daten für sich selbst, für den Arzt und eventuell für einen Notdienst.

Hausbesuch per Fernseher

Ansicht des elektronischen medizinischen Tagebuchs

Medizinisches Tagebuch

Foto: Fraunhofer FIT

Auch der Arzt kommt ins Haus per Fernseher. Er ist auf dem Bildschirm zu sehen, sieht auch seinen Patienten und kann sich mit ihm unterhalten. Das ersetzt nicht den persönlichen Besuch beim Arzt, aber so kann mit geringem Aufwand häufiger und weniger aufwändig Rat eingeholt werden. Das ist gerade in ländlichen Regionen wichtig, in denen ein Arztbesuch für den Patienten mühsam und für den Arzt aufwändig und teuer ist.

Über diesen Videokanal ist es auch möglich, mit Familienangehörigen in Kontakt zu treten und mit ihnen Auge in Auge über den Fernsehbildschirm zu sprechen. Für beide Seiten kann dies beruhigend sein. So können sich die Kinder ein Bild machen, ob es ihren Eltern gut geht.

Informationsmedium

Ansicht des Informationskanals

Informationskanal

Foto: Fraunhofer FIT

Der Fernseher wird so aber auch zu einem ganz persönlichen Informationsmedium. Gezielt erhält der Nutzer Angebote, sich über Gesundheit oder chronische Erkrankungen zu informieren. In einem Video animiert eine Physiotherapeutin zum Mitturnen. Es gibt sogar Kochrezepte.

Entscheidend ist natürlich die Notruf-Möglichkeit – durch rotes Symbol auf dem Fernseher und eine rote Taste auf der Fernbedienung erkennbar. Wenn diese betätigt wird, geht ein Notruf bei einer Zentrale ein, die dann in Kenntnis der medizinischen Daten der Person geeignete Rettungsmaßnahmen einleitet.

Ethische Fragen

Das klingt zunächst recht einfach und plausibel, ist aber durchaus nicht nur ein technisches Problem, sondern beinhaltet auch ethische und rechtliche Fragestellungen. Von zentraler Bedeutung ist die Souveränität der Patienten. Sie müssen selbst über ihre Daten bestimmen und verfügen können. Gleichzeitig muss ein sicherer und geschützter Austausch der medizinischen Daten gewährleistet sein.

Vortrag von Prof. Wrobel

Bundeskanzlerin bei der Präsentation

Foto: Ausserhofer/MPG

Derzeit befindet sich das System in einer großflächig angelegten Erprobung in den USA. Deshalb sind noch alle Symbole auf Englisch beschriftet. Großes Interesse besteht aber auch bei uns schon an der neuen Entwicklung. Bei der Präsentation auf der Cebit im vergangenen Jahr kamen viele ältere Herrschaften, die es gerne gleich erworben und nach Hause mitgenommen hätten. Inzwischen ist das Programm fast marktreif, also bald geeignet, um ein selbstbestimmtes Leben auch im Alter zu unterstützen.

Die Bundeskanzlerin fragte, ob denn die alten Menschen noch mit der Technik zurechtkommen. Mathis bestätigte, dass dies tatsächlich funktioniert, allenfalls nicht bei fortgeschrittener Demenz. Am besten gelingt der Umgang übrigens, wenn der Enkel die Einweisung übernimmt.