„Imkerei erfordert Zeit und Flexibilität“

Weltbienentag 2021 „Imkerei erfordert Zeit und Flexibilität“

Die Anzahl der Bienenvölker nimmt in Deutschland kontinuierlich zu. Dafür sorgen immer mehr Imkerinnen und Imker. Christian Grune ist einer von ihnen. Im Interview berichtet er von seinem Start in die Imkerei, was Artenschutz für ihn bedeutet und was ein jeder für Bienen tun kann.

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Imker hält eine Bienenwabe in der Hand.

Je nach Jahreszeit und Status des Bienenvolkes sind regelmäßige Durchsichten notwendig.

Foto: Julianna Grune

Herr Grune, beschreiben Sie doch bitte kurz Ihre Imkerei im brandenburgischen Woltersdorf. Wie sind Sie gestartet, was sind Ihre Ziele?

Christian Grune: Kennengelernt habe ich die Imkerei bereits als Kind über Vater und Onkel. Beide haben geimkert und mich in der Kindheit auch schon mal dazu „zwangsverpflichtet“ – ich habe es nicht immer gerne gemacht. Aber das Interesse an Bienen war geweckt. Richtig angefangen mit dem Imkern habe ich vor etwa fünf Jahren. Inzwischen ist die Imkerei kein Hobby mehr, sondern ein Nebenerwerb. Ob ein Haupterwerb daraus wird, wird sich zeigen.

Wir wollen mit unserer Imkerei – ich werde von meiner Frau und meinen Kindern unterstützt - natürlich ein Einkommen erwirtschaften. Aktuell bieten wir Honig an und einen leckeren Likör nach einem Familienrezept. Weitere Produkte wie Pollen und Wachstücher sind geplant – aber jetzt fehlt mir die Zeit dafür. Von Anfang an war mir wichtig, dass wir mit unserer Imkerei wertvolle regionale Lebensmittel anbieten, zu denen wir zur Herkunft und Qualität genaue Angaben machen können. Deshalb sind wir auch Bioland zertifiziert.

Sie betreiben die Imkerei nun einige Jahre. Welche positiven, aber auch negativen Erfahrungen haben Sie gemacht?

Grune: Ich habe gelernt: Die Imkerei erfordert Zeit und Flexibilität. Da man mit der Natur arbeitet, muss man sich intensiv mit komplexen Zusammenhängen beschäftigen, um flexibel reagieren zu können. Je nach Witterung verläuft die Entwicklung der Völker anders – ein starrer Zeitplan nach dem Kalender ist hier wenig hilfreich.

Auch braucht man neben Fachkenntnissen ein Gefühl für die Bienen in ihrer jeweiligen Umgebung. Honigbienen sind Nutztiere, die sich wesentliche Eigenschaften der Wildtiere erhalten haben. Sie sind nicht wie Hunde oder Pferde dressierbar.

Welche Ratschläge können Sie anderen Interessierten für den Start in die Imkerei geben?

Grune: Imkern ist inzwischen ein Trend. Doch leider gibt es meiner Meinung nach auch viele falsche Vorstellungen vom „einfachen Imkern“. Nach meiner Erfahrung braucht der Einstieg in die Imkerei drei Jahre. Anfängern würde ich raten, sich zunächst mit der Fachliteratur zu befassen. Dann sollte man über ein Jahr lang einen erfahrenen Imker in seiner Praxis begleiten. Der Start ist dabei optimal im Frühjahr mit der aufsteigenden Volksentwicklung. Im darauffolgenden Jahr können dann ab dem Frühjahr von dem begleitenden Imkerpaten drei bis fünf Ableger von Bienenvölkern übernommen und über das Jahr geführt werden.

Aber die Betriebsweise sollte in der Imkerei einfach sein. Das heißt, hier ist es wichtig, gute Abläufe zu überlegen und wiederkehrende Arbeiten möglichst schnell zu erledigen. Dann bleibt mehr Zeit für die komplexen Herausforderungen, wie etwa die Königinnenzucht.

Nicht zu vergessen: Der Einstieg kostet Geld und Zeit.

Wie kann die Bundesregierung fördernd eingreifen?

Grune: Die Bundesregierung sollte mehr dafür tun, das Bewusstsein der Menschen für die engen Zusammenhänge zwischen Ökonomie und Ökologie zu stärken. Die Bereitschaft, höhere Preise für wertvolle, regionale Lebensmittel zu zahlen, ist ein wichtiger Faktor, der es konventionellen Landwirten ermöglicht, ihre Produktion umzustellen.

Zudem sind die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, um Landwirte dazu zu bewegen, auf Bio umzustellen. Es muss sich für sie wirtschaftlich lohnen. Gelingen kann das im Austausch mit den Bioverbänden, wie etwa Bioland, Naturland oder Demeter.

Das Thema Bienenretten ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Maßnahmen, die ein jeder ergreifen kann, um etwas für Bienen zu tun?

Grune: Aus meiner Sicht ist es wichtig, im eigenen Garten für natürliche Lebensräume und ein vielfältiges Nahrungsangebot zu sorgen. Außerdem sollte auf chemische Mittel verzichtet und ein natürliches Wachstum von Pflanzen und Wildnis zugelassen werden. Der gepflegte Garten mit millimetergenau gestutztem Rasen ist definitiv kein Paradies für Bienen.

Eine weitere einfache Möglichkeit wäre, auf dem eigenen Grundstück die Aufstellung von Bienenvölkern zu erlauben, die von einem erfahrenen Imker betreut werden. Wir bieten hierzu Patenschaften für Firmen an, die oft über größere Aufstellmöglichkeiten verfügen.

Aber auch ohne eigenen Garten kann man Imker unterstützen: So wäre eine Maßnahme, Honig von den Imkern aus der näheren Umgebung zu kaufen. Mit unserem Honig-Abo versuchen wir, enge Beziehungen zu unseren Kunden aufzubauen. Das gibt uns Planungssicherheit und den Kunden die Sicherheit, unverfälschten Honig zu bekommen.

Der Erhalt von Artenvielfalt sowie der Schutz von Biodiversität sind wichtige Themen unserer Zeit. Ihr Augenmerkt liegt auf der Dunklen Biene. Welche Ziele verfolgen Sie mit der Zucht?

Grune: Einer unserer Schwerpunkte in der Imkerei ist die Erhaltungszucht der Dunklen Biene, der Apis mellifera mellifera. Diese Unterart der westlichen Honigbiene war ursprünglich in ganz Europa nördlich der Alpen und Pyrenäen bis nach Skandinavien heimisch. Sie wurde durch importierte Bienenvölker aus südlicheren Ländern in den letzten 150 Jahren verdrängt. Die Zuchtarbeit wurde in Deutschland im letzten Jahrhundert auf andere Unterarten wir Carnica und Buckfast konzentriert, inzwischen gibt es kaum noch Bestände der Dunklen Biene. Sie steht auf der roten Liste der bedrohten Nutztierarten.

Mit unserer Zucht wollen wir dazu beitragen, stabile Bestände der Dunklen Biene aufzubauen, die in unserer Region angepasst und damit wieder heimisch sind.

Erst kürzlich haben Sie zusammen mit Berliner Sekundarschülerinnen und -schülern sechs Bienenvölker auf dem Gelände der Jugendschule Strausberg aufgestellt. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Grune: Die Schüler sind fasziniert von den Bienen. Es geht uns in einem ersten Schritt darum, sie mit den Abläufen in der Imkerei vertraut zu machen, die Zusammenhänge in einem Bienenvolk zu verdeutlichen und eine Beziehung zu ihm zu entwickeln. Es geht weniger darum, sie zu Imkern zu machen.

Im nächsten Jahr könnten die Schüler dann durchaus eigene Völker führen. Die Herausforderung dabei ist die notwendige Kontinuität. Das ist mit Schülern im klassischen Schulbetrieb eventuell nicht so leicht möglich. Die Jugendschule in Strausberg bietet mit der Umsetzung der Montessori Konzepte für die Sekundarschule dafür aber sehr gute Voraussetzungen: Im Mittelpunkt stehen hier nicht ein starrer Lehrplan, sondern die Abläufe in der Natur und der Landwirtschaft.

Unser zentrales Anliegen ist es, Jugendlichen eigene Erfahrungen zu ermöglichen, die sie in die Lage versetzen, selbständig Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Dazu muss eine Menge auch schiefgehen können. Das braucht es eine große Flexibilität und Lehrkräfte, die dies fördern und unterstützen.

Ein erster Schritt für interessierte Nachahmer wäre hier der Aufbau eines Netzwerks von Fachleuten, die die Jugendlichen begleiten und anleiten. Das Weitere ergibt sich dann aus den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Der Freiraum dafür müsste von den Schulen geschaffen und pädagogisch begleitet werden.

Mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung Bienen und Imker. Zwei Beispiele: Mit dem im September 2019 beschlossenen „Aktionsprogramm Insektenschutz“ will die Bundesregierung die Lebensbedingungen für Insekten und die biologische Vielfalt in Deutschland verbessern. Ein gezielter Schutz ist etwa für Wildbienen notwendig. Zur konkreten Unterstützung von Imkern stehen in Deutschland mit dem „Imkereiprogramm“ jährlich rund 3,2 Millionen Euro bereit. Sie dienen zur Verbesserung der Erzeugungs- und Vermarktungsbedingungen für Imkereiprodukte.