„Dass wir hier zusammen sind, gibt uns Halt“

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Ukrainische Fußballmannschaft flieht nach Deutschland „Dass wir hier zusammen sind, gibt uns Halt“

Sie sind auf dem Weg in ein Trainingslager als dreihundert Meter neben ihnen die Bomben einschlagen – auf einmal befinden sich Alina Stetenco und Liubov Mozgha, Trainerin und Spielerin des ukrainischen Erstligisten FC Kryvbas, mit ihrer Mannschaft auf der Flucht. Der 1. FC Köln und der Blau-Gelbe Kreuz e.V. bringen sie nach Deutschland. Dort tun sie weiter das, was ihnen Kraft gibt: Fußball spielen.

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Bundeskanzler Scholz im Gespräch mit den geflüchteten Fuballerinnen Alina Stetenco (33, l.) und Liubov Mozgha (27).

Bundeskanzler Scholz im Gespräch mit den geflüchteten Fußballerinnen Alina Stetenco (33, l.) und Liubov Mozgha (27).

Foto: Bundesregierung/Kugler

Eigentlich war der Weg für das kommende Jahr klar: Die Mannschaft rund um Trainerin Alina Stetenco (33) wollte sich für die UEFA Women’s Champions League qualifizieren. Darauf sollte sie das Trainingslager in der Türkei vorbereiten. Am 24. Februar 2022 sind alle bereit zur Abreise. „Wir waren in der Nähe des Flughafens von Kryvyi Rih, als wir drei Explosionen hörten“, erzählt Stetenco. Die gesamte Mannschaft erlebt auf einmal hautnah mit, wie Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine startet. Jetzt muss alles schnell gehen, die geplante Reise wird abgebrochen.

Hilferuf der Mannschaft erreicht den 1. FC Köln

Das gesamte Team kommt in einem Hotel an einem sichereren Ort in der Innenstadt unter. Zwei Wochen lang harrt die Mannschaft, die sich erst im Sommer 2021 gegründet hat, auf engstem Raum – in ständiger Angst um ihre Angehörigen und sich selbst. „Es war nicht einfach. Viele haben geweint. Ungefähr sechs Mal am Tag mussten wir in den Keller“, berichtet Mittelfeldspielerin Liubov Mozgha (27). Trotz aller Hoffnung hört der Beschuss nicht auf, die Nachrichten von zerstörten Städten häufen sich. Sie beschließen: Lange können sie dort nicht mehr bleiben. Der Verein wendet sich per E-Mail an europäische Fußballvereine. Die Hilfegesuche erreichen schließlich über einen ehemaligen Spieler des ukrainischen Vereins den 1. FC Köln. 

Am Freitagabend traf Bundeskanzler Scholz in Köln die geflüchteten Fußballerinnen Alina Stetenco und Liubov Mozgha bei seinem Besuch des deutsch-ukrainischen Vereins Blau-Gelbes Kreuz. „Die Arbeit des Vereins beeindruckt mich“, betonte der Bundeskanzler.

Zu Fuß über die Grenze

Der deutsche Erstligist organisiert die Flucht der gesamten Mannschaft. Es werden Busse gemietet, um die Spielerinnen und ihr Team an der ukrainisch-polnischen Grenze abzuholen und in Sicherheit zu bringen. „Bis zur Grenze sind wir mit Kleinbussen gefahren“, schildert Mozgha, die seit zwölf Jahren professionell Fußball spielt. Große Busse oder ein Lastwagen wären zu auffällig gewesen. „Über die Grenze ging es mit unseren ganzen Sportmaterialien dann zu Fuß. Mitnehmen durften wir, was wir mit unseren Händen tragen konnten.“

Außer den 50 Personen der Mannschaft und des Teams nehmen die Busse des 1. FC Kölns noch weitere ukrainische Geflüchtete auf. Es ist laut und eng. An Bord sind sieben Hunde und viele Kinder – Schlaf ist kaum möglich. Die Gedanken wandern immer wieder zurück in die verlassene Heimat. Was passiert jetzt? Nach circa 14 Stunden Fahrt erreichen die Frauen nachts um zwei Uhr erschöpft Köln. Die Heimat zu verlassen, sei für viele schwer gewesen, berichtet Mozgha: „Aber wir wussten, wir sind in Deutschland sicher“ – das gebe ihnen Kraft. 

Die Mannschaft bleibt zusammen

Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer der Stiftung 1. FC Köln nehmen die Spielerinnen am Busbahnhof in Köln in Empfang. Die Stiftung des 1. FC Köln und der Verein das Blau-Gelbe Kreuz verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz: Sie kümmern sich nicht nur um Fluchtmöglichkeiten von Ukrainerinnen und Ukrainern, sondern betreuen sie auch umfassend nach der Flucht. So kann die ganze Mannschaft zusammenbleiben. Denn mit der Flucht sei es noch nicht zu Ende, erklärt Lida Dziubek vom Verein das Blau-Gelbe Kreuz. „Es kommen immer wieder Fragen auf: Wo kann ich Deutsch lernen? Muss ich zum Sozialamt oder zur Ausländerbehörde?“

Die Mannschaft kommt in einem Hotel in Köln-Porz unter, bezahlt von der Stiftung 1. FC Köln, dem Blau-Gelben Kreuz und dem Karnevalsverein Goldene Jungs. Dort übernachten die Spielerinnen und ihr Team in Zwei- und Dreibettzimmern. „Dass wir hier zusammen sind, gibt uns Halt“, sagt Mozgha, „und auch, dass wir sehen, wie die Ukraine von den anderen Fußballvereinen unterstützt wird.“

Die Mannschaft des FC Kryvbas beim Training.

Die Mannschaft des ukrainischen Erstligisten FC Kryvbas beim Training.

Foto: FC Kryvbas

Jeden Tag Training

Dank dieser Unterstützung haben die Spielerinnen ein kleines bisschen Alltag, trotz Krieg in ihrer Heimat. „Wir können fünfmal die Woche trainieren“, berichtet Trainerin Stetenco, „dafür sind wir so dankbar.“ Dreimal ist das sogar auf einem Platz eines Partnervereins des 1. FC Köln möglich, an den anderen zwei Tagen findet das Training im Park neben dem Hotel statt.

„Wir trainieren jeden Tag fleißig, aber natürlich ist es psychisch eine schwierige Situation“, so Stetenco. Viele Angehörige befänden sich noch in der Ukraine. Außerdem seien einige Spielerinnen nach gängiger Praxis an europäische Vereine „verliehen“ worden. Die Trainerin gebe aber ihr Bestes, um die Mannschaft in Deutschland zusammenzuhalten. Gemeinsam mit dem Team versuche sie alles, damit sich die Frauen wohlfühlten. Die helfenden Vereine organisieren neben der allgemeinen Versorgung und Betreuung auch Freizeitaktivitäten wie Kinobesuche. 

„Mit der Seele sind wir in der Ukraine“

Langfristig will der ukrainische Verein wieder zurück in seine Heimatstadt Kryvyi Rih in der südlichen Ukraine. Diese steht allerdings noch immer unter starkem Beschuss, eine Rückkehr wäre zu gefährlich. „Natürlich können wir hier in Deutschland trainieren, aber das ist nicht unser Zuhause“, erklärt Stetenco: „Uns geht es körperlich gut und wir sind hier sicher, aber mit unserer Seele sind wir in der Ukraine.“ Sie beten jeden Tag, dass der Krieg ende und bald wieder Frieden herrsche – und dass sie doch noch ihren Traum leben können: „Wir alle haben ein Ziel: die Champions League gewinnen.“

Blau-Gelbes Kreuz e.V.
Gegründet im Jahr 2014, als Verein seit 2017 tätig, organisierte das Blau-Gelbe Kreuz zunächst Urlaub für Verletzte und Waisenkinder aus dem Ostukraine-Krieg nach Köln. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 kümmert sich der Verein um die Versorgung und Betreuung Geflüchteter in Köln und transportiert Hilfsgüter und Medizinprodukte in die Ukraine.

Stiftung 1. FC Köln
In der Stiftung 1. FC Köln bündelt der Fußballverein sein soziales Engagement und setzt sich gezielt für gesellschaftlich benachteiligte Menschen ein. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges unterstützt die Stiftung zahlreiche Vereine, die humanitäre Hilfe in der Ukraine und für Geflüchtete in Deutschland leisten.