Renten werden rückwirkend gezahlt

Anerkennung der Arbeit im Ghetto Renten werden rückwirkend gezahlt

Wer in der Zeit des Nationalsozialismus in einem Ghetto gearbeitet hat, dem steht eine Rentenzahlung ab 1997 zu. Die Regelung soll ausnahmslos gelten. Der Bundestag hat ohne Gegenstimmen eine entsprechende Gesetzesänderung beschlossen. Der Bundesrat hat abschließend zugestimmt.

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Jüdische Zwangsarbeiter in Reih und Glied mit Spaten geschultert auf dem Weg zum Arbeitseinsatz

Die Rentenansprüche für Arbeit im Ghetto während der NS-Zeit werden neu berechnet.

Foto: picture alliance / JudaicaSammlungRichter

Rund 40.000 ehemalige Beschäftigte in einem Ghetto können ihre Rentenzahlung neu berechnen lassen. Die vom Bundestag beschlossene und vom Bundesrat verabschiedete Gesetzesänderung kann nun nach Verkündung in Kraft treten.

Zustimmung im gesamten Parlament

Die Bundesregierung hatte einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Änderung der geltenden Regelung für die Zahlung von Ghettorenten im April 2014 beschlossen. Die Gesetzesänderung sieht vor, dass allen, die während des Nationalsozialismus in einem Ghetto gearbeitet und Rentenanträge gestellt haben, eine Rente ab Juli 1997 zusteht. Mit der Gesetzesänderung wird nun die Regelung der vierjährigen Rückwirkungsfrist im deutschen Rentenrecht außer Kraft gesetzt. Dies gilt sowohl für bereits bewilligte als auch für neue Rentenanträge.

Bundessozialministerin Andrea Nahles: "Wir alle können uns heute nicht mehr vorstellen, was es hieß, unter unmenschlichen Bedingungen in einem Ghetto der Nationalsozialisten zu arbeiten. Doch es gibt immer noch Zehntausende, die dieses harte Schicksal erleiden mussten und die lange auf eine Rente im eigentlich beabsichtigten Geiste der Regelung von 2002 warten mussten. Um diese Lebenswege geht es. Es ist gut, dass diese mittlerweile hochbetagten, vom Leben gezeichneten Menschen nun ihre Rente für die Arbeit im Ghetto auch von Juli 1997 an erhalten können - und zwar schnell und unbürokratisch. Es ist wichtig, dass wir nach langen Jahren eine einvernehmliche Lösung für alle gefunden haben."

Der Bundestag hatte die Gesetzesänderung einstimmig angenommen. Damit wird in der gesetzlichen Rente den berechtigten Interessen der ehemaligen Beschäftigten in einem Ghetto an einer angemessenen Würdigung ihrer Arbeit in einem Ghetto Rechnung getragen.

Rentenzahlungen stehen ab 1997 zu

Viele Rentenanträge wurden in der Vergangenheit abgelehnt und erst nach längeren Überprüfungsverfahren anerkannt. Dann galt bereits die gesetzliche Verjährungsfrist. Rentenansprüche wurden nur vier Jahre rückwirkend gewährt. Rund zwei Drittel der Antragsteller, die während der NS-Zeit in den Ghettos arbeiteten, beziehen die Rente dadurch erst seit 2005.

Die Betroffenen erhalten jedoch für den späteren Rentenbeginn einen Ausgleich. Dieser erhöht die Rentenzahlung pro Jahr des Aufschubs um sechs Prozent. Seit Juli 1997 ist das einen Zuschlag in Höhe von 45 Prozent auf die Rente aus Beschäftigungen in einem Ghetto.

Nun gelten alle Rentenanträge rückwirkend ab Juli 1997. Alle ehemaligen Beschäftigten in einem Ghetto, die einen Rentenantrag gestellt haben, können ihre Renten neu berechnen lassen. Auch Hinterbliebene können einen Antrag auf Witwen- oder Witwerrente stellen.

Betroffene können Rentenzahlung wählen

Die Rentenversicherungen werden verpflichtet, zügig alle rund 40.000 Rentenberechtigten über die Gesetzesänderung zu informieren. Dies soll in einfacher, verständlicher Weise und möglichst in der jeweiligen Landessprache geschehen. Dazu werden die Betroffenen kurzfristig angeschrieben. Sie werden darüber aufgeklärt, dass sie ihre Renten neu berechnen lassen können, und wie sich dies individuell auswirken würde.

Bei der Berechnung der Rente zu dem nunmehr früheren Rentenbeginn vermindert sich der monatliche Rentenbetrag rückwirkend um die bisher für den späteren Rentenbeginn gezahlten Rentenzuschläge. Mit der Rentennachzahlung ist also eine abgesenkte Monatsrente verbunden.

Die Berechtigten können nun wählen: Entweder bekommen sie die neu festgestellte Rente (Rentennachzahlung und eine um den bisherigen Zuschlag verminderte monatliche Rente) oder sie behalten die bisherige Regelung bei (Rentenzahlung mit Zuschlag, jedoch keine Nachzahlung).

1997 hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass Beschäftigten aus dem Ghetto eine Rente zusteht. 2002 hat der Deutsche Bundestag auf Grundlage des Urteils des Bundessozialgerichts das Gesetz zur Ghetto-Rente beschlossen. Danach wurde ein eigenständiger Rentenanspruch ab 1997 zuerkannt. Dennoch scheiterte die Mehrheit der Anträge, die bei den Rentenversicherungsträgern gestellt wurden, an bürokratischen Hürden.
2009 hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass rund 65.000 ursprünglich abgelehnten Antragstellern eine Rente zusteht. Aufgrund der im allgemeinen Sozialrecht geltenden Regelung allerdings nur rückwirkend für vier Jahre. Die Gesetzesänderung sieht vor, diese Frist aufzuheben.