Agil arbeiten bei der Software-Entwicklung

Neue Hightech-Strategie Agil arbeiten bei der Software-Entwicklung

Neue Anforderungen der Arbeitswelt zeigen sich zuerst in der innovativsten Branche: der Software-Entwicklung. Die Forschung verfolgt im Zukunftsfeld "Innovationen der Arbeitswelt" der neuen Hightech-Strategie neue Arbeitsmethoden wie das "agile Arbeiten".

4 Min. Lesedauer

Konferenz bei IBM

Das Team ersetzt den Einzelkämpfer

Foto: IBM

Bei komplexen Aufgaben im Bereich der Software-Entwicklung funktionieren herkömmliche Formen der Arbeitsorganisation und Hierarchie nicht mehr. Als die EDV Einzug in die Wirtschaft hielt, gab es den bewunderten Spezialisten, der die notwendige Software entwickelte und dann den Kunden einwies. Klappte dann etwa die computerbasierte Buchhaltung nicht so, wie sie sollte, musste der Spezialist nachbessern oder die Mitarbeiter zusätzlich schulen.

Komplexe Produkte

Heute sind Software-Produkte so komplex, dass weder der Einzelkämpfer aus der IT-Branche anstehende Aufgaben meistern kann, noch der Auftraggeber wirklich sagen kann, was er will. In Teams, die nicht hierarchisch aufgebaut sind, arbeiten Entwickler und Auftraggeber zusammen, um die anstehende Aufgabe zu lösen. Was dort genau geschieht, scheint man gern unter einer Vielzahl schwer verständlicher Kunstwörter und Anglizismen verbergen zu müssen. Wer kann sich etwas vorstellen unter "agiles Arbeiten", "Scrum Master", "Sprint", "Product Owner" oder "Product backlog"?

Unter agilem Arbeiten versteht man das Arbeiten in Teams, in denen die Mitglieder unterschiedliche Rollen wahrnehmen. Neben den IT-Entwicklern gibt es vor allem den Auftraggeber, dem später das entwickelte Produkt gehören wird, deshalb "Product Owner".

Anders als früher entwickelt er kein Aufgabenheft, dessen Umsetzung er nach einem Jahr anhand des fertigen Produkts überprüft. Statt dessen ist er in den Produktionsprozess eingebunden und verantwortlich dafür, Fehlentwicklungen sofort festzustellen und zu korrigieren. Er muss sich dabei klar sein, dass eine Fehlentwicklung daran liegen kann, dass er seine Vorstellungen unklar formuliert hat.

Arbeit in Zyklen

Die Teams arbeiten nicht kontinuierlich über einen Zeitraum von vielen Monaten, bis dann das fertige Produkt vorliegt. Sie nehmen sich vor, innerhalb eines wesentlich kürzeren Zeitraums von einer bis zu vier Wochen jeweils Teilziele zu erreichen.

Diese Zyklen bezeichnet man als "Sprints". Im Idealfall steht am Ende eines Sprint sogar schon ein lauffähiges Teil-Programm zu Verfügung, das in die Anwendung gehen kann.

Die verbreitetste Entwicklungsmethode wird als "Scrum" bezeichnet. Scrum bedeutet im Englischen Gedränge, ein Begriff, der vor allem im Rugby verwendet wird. Inzwischen spielt die Herkunft des Begriffs, der vor allem auf die Teamarbeit abhebt, keine besondere Rolle mehr.

Gedränge bei der Arbeit

Wichtig ist allerdings die dritte Rolle neben Entwicklerteam und Product-Owner beim agilen Arbeiten nach der Scrum-Methode: der Scrum-Master. Er ist eine Art Moderator, der dafür sorgt, dass die Entwicklungsarbeit plangemäß abläuft. Er leitet die täglichen Sitzungen des Teams (Daily Scrum), in der jedes Teammitglied die Fragen beantwortet: "Was hab ich gestern getan?", "Was tue ich heute?" und "Was hindert mich?".

Am Ende des Sprints steht immer das "Sprint Review". Hier überprüft das Team den Arbeitsfortschritt zusammen mit dem Product Owner im abgelaufenen Zyklus und plant den nächsten. Das "Product Backlog" schließlich ist eine geordnete Auflistung der Anforderungen an das Produkt. Es ist dynamisch und wird ständig weiterentwickelt.

Schulen und forschen

Das agile Arbeiten hat sich zu einem komplexen Arbeitsverfahren entwickelt mit einer Vielzahl von Methoden.  Um erfolgreich die Arbeit von herkömmlichem Vorgehen auf agiles Arbeiten umzustellen, bedarf es Spezialisten, die alle Mitglieder des Teams besonders schulen. Schulungen bietet für diesen Zweck unter anderem die Karlsruher Firma "Andrena objects" an.

Ihr Mit-Begründer Matthias Grund macht deutlich, was das Ziel des agilen Arbeitens ist. Innovative Produkt- und Dienstleistungsideen im Bereich der Software-Entwicklung sollen schneller an den Markt kommen. Dabei wird eine höhere und klar definierte Qualität des Produkts erreicht. Dadurch, dass der Kunde in den Prozess einbezogen ist, sollen seine Bedürfnisse zielgenau berücksichtigt werden.

Mitarbeiter der Firma SAP SE

Weltweit agil arbeiten

Foto: Wolfram Scheible / SAP AG

Andreas Boes vom ISF München (Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung) hat sich wissenschaftlich mit dem Nutzen der neuen Methode befasst. Die Forschung hat die Aufgabe übernommen, Gestaltungsoptionen sichtbar zu machen und zu bewerten.

Dabei wurde bereits deutlich, dass agiles Arbeiten durchaus auf Widerstände stoßen kann. So muss der Experte seine Sonderstellung als Einziger, der sein Programm vollständig beherrscht, an das Team abgeben. Seine Arbeit wird ins helle Licht der Öffentlichkeit - einschließlich des Kunden - gestellt. Er muss sein Wissen nicht nur abgeben, sondern es auch in einer für Nichtexperten verständlichen Weise kommunizieren. Er gibt seinen Status als Einzelkämpfer ab.

Eigene Fähigkeiten einsetzen

Teams stehen in der Gefahr, sich zu überfordern. Andererseits nimmt das Team, wenn es sich erfolgreich formiert hat, den Erfolgsdruck von einzelnen Schultern. Die neuen Arbeitstechniken sollen dem Team helfen, die eigenen Fähigkeiten realistisch einzuschätzen und Pläne umsetzbar zu machen.

Eine gründliche wissenschaftliche Begleitung wird zu grundlegenden Erkenntnissen darüber führen, ob sich agiles Arbeiten auch für andere Arbeitsbereiche, beispielsweise für Ingenieurarbeiten, eignet. Grund sagt: "Agile Software-Entwicklung ist heute Stand der Technik. Wer nicht in der Lage ist, agil zu entwickeln, dessen Innovationsfähigkeit wird leiden. Allerdings ist das Potenzial der Methode noch lange nicht ausgeschöpft."