Wiedervereinigung nicht auf der Tagesordnung

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11. Januar 1990 - Auf dem Weg zur Deutschen Einheit Wiedervereinigung nicht auf der Tagesordnung

11. Januar 1990: In einer Regierungserklärung vor der Volkskammer nennt DDR-Ministerpräsident Hans Modrow eine Vereinigung von DDR und Bundesrepublik Deutschland nachrangig. Zunächst gelte es, die wirtschaftliche Krise zu überwinden.

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Die Regierungserklärung

Acht Wochen nach Amtsantritt zieht der Regierungschef in seiner Regierungserklärung eine erste Bilanz. Die Zweifel an der Legitimität seiner Regierung weist Modrow entschieden zurück: „Ich kann mich nicht entsinnen, durch einen Staatsstreich Ministerpräsident geworden zu sein!“

Angesichts der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise sagt Modrow: „Ich habe ein übles Erbe angetreten und nicht aus Übermut, sondern weil ich mich vor allem den Menschen dieses Landes verpflichtet fühle.“ Zu diesem Zeitpunkt ist die DDR mit mehr als fünfzig Milliarden D-Mark verschuldet.

Für die weitere Entwicklung der DDR seien die finanzielle Unterstützung von außen und eine enge Zusammenarbeit mit der „BRD“ unerlässlich. Dennoch müsse die DDR die eigenen Möglichkeiten optimal nutzen, um der neuen wirtschaftlichen Situation nach der Grenzöffnung zu begegnen. Es müsse das entschiedene Ziel sein, die DDR in die internationale Arbeitsteilung zu integrieren und die weitere demokratische Erneuerung fortzuführen.

Richtig spannend wird es gegen Ende der Regierungserklärung: „Die Regierung der DDR, und nicht sie allein, ist der Auffassung, dass eine Vereinigung von DDR und BRD nicht auf der Tagesordnung steht“, so Modrow. Die Perspektive des Verhältnisses der deutschen Staaten zueinander sei eine Frage der Zukunft. Sie könne nur im gesamteuropäischen Zusammenhang geklärt werden. Modrow hält weiter an der „kooperativen Koexistenz“ beider Staaten fest. Eine solche Lösung hatte er bereits in seiner Regierungserklärung am 17. November 1989 befürwortet.

Kritische Reaktionen

Bundeskanzler Helmut Kohl hat keinen Zweifel, dass Modrow ernsthaft Reformen anstrebt. Später schreibt er in seinen Erinnerungen: „Ob diese von ihm angekündigten Schritte ausreichen würden, daran hatte ich allerdings erhebliche Zweifel.“ Kohl sieht dringenden Handlungsbedarf. Er will sich daher möglichst schnell mit Modrow treffen, um ganz konkret über die nächsten Schritte bei den Wirtschaftsreformen zu verhandeln.

Kohls Berater im Kanzleramt, Horst Teltschik, urteilt direkt, Modrows Regierungserklärung enthalte keine neuen Perspektiven für die Menschen in der DDR. Er stellt beim DDR-Ministerpräsidenten eine „zunehmende Ratlosigkeit“ fest.

Auch oppositionelle Gruppen in der DDR reagieren zurückhaltend. Sie wollen Modrows Einladung zur Einbindung in die Regierungsarbeit nicht annehmen. Sie haben kein Interesse, eine Krise zu verwalten, für die aus ihrer Sicht allein die SED verantwortlich ist. Stattdessen fordern sie, „schleunigst Abschied von allen Übeln der alten Ordnung“ zu nehmen. Notwendig sei ein gänzlich neues Wirtschaftssystem, keine Neuauflage der sozialistischen Strukturen und der Planwirtschaft.