Rede von Bundeskanzlerin Merkel zur Übergabe des Vorsitzes des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft am 13. Oktober 2021

Sehr geehrter Herr Kaeser,
sehr geehrter Herr Busch
und ‑ stellvertretend für die fünf Trägerverbände des Asien-Pazifik-Ausschusses ‑ sehr geehrter Herr Russwurm und sehr geehrter Herr Stepken,
Exzellenzen,
sehr geehrte Damen und Herren!

„In einer Welt, die die schlimmste Pandemie seit 100 Jahren erlebt, sind Führung, Offenheit, Zusammenarbeit und Kooperation die wichtigsten Gegenmittel.“ ‑ Diesen Satz haben Sie, lieber Herr Kaeser, auf dem Indonesisch-Deutschen Business Forum der diesjährigen Hannover Messe gesagt; und ich kann ihn nur unterstreichen. Zugleich wissen wir, dass Führung, Offenheit, Zusammenarbeit und Kooperation natürlich auch über Pandemiezeiten hinaus gefragt sind, wenn es darum geht, die Chancen der Globalisierung zu nutzen.

Chancen und Risiken liegen oft nahe beieinander. Es gibt nur wenige Regionen, in denen dies so sehr zuzutreffen scheint wie im Asien-Pazifik-Raum ‑ einer Region, die für ihre Wachstumsdynamik, aber auch für manch konfliktträchtige Situation bekannt ist.

Als Sie, Herr Kaeser, den Vorsitz des Asien-Pazifik-Ausschusses übernahmen ‑ Sie haben es eben auch gesagt ‑, konnte noch niemand ahnen, welche außergewöhnlichen Zeiten uns bevorstehen sollten: Zeiten, in denen die für Wirtschaftsbeziehungen so wichtige Kontaktpflege erschwert war; Zeiten, in denen sich die Anfälligkeit internationaler Lieferketten zeigte; Zeiten der Wachstumseinbußen, in denen der Ruf nach Protektionismus wieder lauter wurde.

Doch als APA-Vorsitzender haben Sie sich konsequent für Multilateralismus, für offene Märkte und freien Handel eingesetzt. Und damit fanden Sie auch weithin Gehör. Das zeigte sich schon allein an der regen Teilnahme an der virtuellen Asien-Pazifik-Konferenz im vergangenen Jahr. Auch haben Sie der Bundesregierung immer wieder Impulse für ihre Arbeit gegeben. Unermüdlich haben Sie auf die große Bedeutung Asiens hingewiesen und immer Wert auf die Vertiefung der Beziehungen zu allen asiatischen Ländern gelegt. So manches davon ist auch im APA-Positionspapier zur Wirtschaftszusammenarbeit mit den Ländern der Asien-Pazifik-Region dokumentiert.

Die Bundesregierung ihrerseits hat im letzten Jahr „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ beschlossen. Darin haben wir verschiedene Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit ‑ nicht nur, aber auch in der Wirtschaft ‑ beleuchtet.

Ich möchte drei Prinzipien hervorheben, die für eine Vertiefung unserer Beziehungen maßgebend sind: erstens ein verlässliches Regelwerk, das für fairen Handel sorgt, zweitens Nachhaltigkeit und drittens Diversifizierung.

Zum ersten Punkt, einem verlässlichen Regelwerk.

Wir erleben, dass die Regeln des globalen Handels einerseits vielerorts in Frage gestellt werden, es andererseits aber geradezu einen Boom bei Handelsabkommen auf bilateraler und regionaler Ebene gibt ‑ besonders im asiatisch-pazifischen Raum. Als Deutsche und Europäer wollen wir dabei keine unbeteiligten Zuschauer sein. Vielmehr wollen und sollten wir weiterhin für einen regelbasierten Handel arbeiten.

Daher schloss vor über zwei Jahren die Europäische Union mit Japan eines ihrer wichtigsten Handelsabkommen. Beide Wirtschaftsräume stehen gemeinsam für rund ein Viertel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Wie sehr dieses Abkommen mit Leben erfüllt wird, zeigt sich besonders daran, dass die Liste der geografischen Angaben so schnell wie noch bei keinem anderen Abkommen erweitert werden konnte. Das macht den Handel für europäische wie für japanische Produzenten einfacher und günstiger.

Ob mit Blick auf die relativ jungen Abkommen mit Japan, Vietnam und Singapur oder auf das seit zehn Jahren bestehende EU-Korea-Abkommen: Handelserleichterungen kommen allen Beteiligten zugute ‑ das ist unsere Erfahrung. Mit dieser Erfahrung sollte es auch gelingen, die Verhandlungen mit Australien und Neuseeland erfolgreich zum Abschluss zu bringen. Erfreulicherweise wurden auch die Verhandlungen mit Indien und Indonesien wieder aufgenommen.

Deutschland unterstützt die Bemühungen der Europäischen Union, das Fundament für einen regelbasierten, freien und fairen Handel mehr und mehr zu festigen. Der APA achtet sicher darauf, dass das auch bei der neuen Bundesregierung der Fall ist.

Zum zweiten Punkt, der nachhaltigen Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen.

Hierbei spielen besonders Energiepartnerschaften eine wichtige Rolle. So wollen wir zum weltweiten Klimaschutz beitragen, indem wir deutschen Unternehmen neue Marktchancen für klimafreundliche Technologien erschließen.

Ein Meilenstein ist der im Juni vereinbarte deutsch-australische Wasserstoff-Akkord. Gemeinsam wollen wir die Forschung und die Produktion von Grünem Wasserstoff und seinen Derivaten sowie den Handel mit ihnen fördern.

Auch freue ich mich, dass die Energiepartnerschaften mit China, Indien, Japan und Korea fortgeführt und intensiviert werden. Damit positionieren wir uns als wichtiger Partner beim für die Zukunft so entscheidenden Thema Nachhaltigkeit.

Zum dritten Punkt: Diversifizierung.

Fast 50 Prozent des deutschen Außenhandels im indo-pazifischen Raum entfallen auf China. China ist unser wichtigster Handelspartner. Zahlreiche deutsche Unternehmen sind in China vertreten. Umso wichtiger ist es, dass wir nicht darin nachlassen, uns für gleiche Wettbewerbsbedingungen, für einen wirksamen Schutz geistigen Eigentums und einen weiteren Abbau von Handelshemmnissen einzusetzen. Mit dem EU-China-Investitionsabkommen haben wir schon einiges erreicht. Es gibt allerdings erhebliche Schwierigkeiten bei der Ratifikation. Ich wünsche mir, dass der APA sich auch dafür einsetzt, dass dieses Abkommen ratifiziert werden kann.

Wir sollten aber nicht übersehen, dass Asien-Pazifik mehr ist als China. Daher drängen wir auch mit Blick auf andere Länder der Region auf gute bzw. bessere Rahmenbedingungen für Handel und Investitionen.

Herr Kaeser, Sie haben vom 21. Jahrhundert als einem asiatischen Jahrhundert gesprochen. Wenn wir einmal annehmen, dass dem so ist, dann stellt sich für uns die Frage, ob wir Europäer in den Akteuren asiatischer Wachstumszentren eher Konkurrenten oder eher Partner sehen.

Ich bin überzeugt, dass es jede Mühe wert ist, sich sowohl dem Wettbewerb zu stellen als auch dafür einzusetzen, dass wir über einen fairen Wettbewerb Partner sein können. Aus einer besseren Einbindung asiatisch-pazifischer Volkswirtschaften in die internationale Arbeitsteilung erwachsen neue Chancen, von denen alle Beteiligten profitieren können. Dem APA kommt dabei, lieber Herr Busch, auch in Zukunft eine große Rolle zu.

Lieber Herr Kaeser, ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihr Engagement an der Spitze des Asien-Pazifik-Ausschusses! In manchem Gespräch konnte ich einiges von Ihnen lernen ‑ vielleicht galt es auch umgekehrt. Es waren immer gewinnbringende Gespräche ‑ in China würde man sagen: eine Win-win-Situation.

Nun ist es an Ihnen, lieber Herr Busch, das Fundament der Wirtschaftsbeziehungen zur Asien-Pazifik-Region weiter zu festigen. Vor allem Ihre Erfahrungen in Shanghai dürften Ihnen dabei von Nutzen sein. Jedenfalls danke ich Ihnen für die Übernahme dieser sehr verantwortungsreichen Aufgabe als APA-Vorsitzender und wünsche Ihnen dabei ‑ in politisch sicherlich nicht einfacher werdenden Zeiten ‑ eine glückliche Hand!

Ihnen zur Seite stehen das APA-Board und all jene, die sich als Regionalsprecher und in den Arbeitskreisen engagieren. Auch ihnen gilt mein herzlicher Dank!

Ihnen allen wünsche ich alles erdenklich Gute für die Zukunft und danke für die Aufmerksamkeit!