Rede von Bundeskanzlerin Merkel beim 12. Petersberger Klimadialog am 6. Mai 2021 (per Video)

Sehr geehrter Herr Generalsekretär, lieber António Guterres,
sehr geehrter Premierminister, lieber Boris,
lieber Präsident der COP 26, Herr Alok Sharma,
liebe Svenja Schulze,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir wollen natürlich, dass die COP 26 in Glasgow ein Erfolg wird. Deutschland wird dabei mitwirken. Wir sind uns, glaube ich, auch alle einig, dass die Welt diesen Erfolg braucht. Und dieser heutige und morgige Klimadialog ist ja auch genau diesem Ziel gewidmet.

Der Petersberger Klimadialog hat ja bereits eine Tradition. Ich hatte ihn 2010 initiiert, nachdem es im Vorjahr 2009 das Scheitern der Konferenz in Kopenhagen gab. Es musste wieder Vertrauen für neue Verhandlungen aufgebaut werden. Ich glaube, in dieser Hinsicht hat sich der Petersberger Klimadialog dann auch bewährt und sich als ein fester Bestandteil der internationalen Klimapolitik etabliert. Ich danke natürlich Svenja Schulze und dem Umweltministerium für all die Vorbereitungen.

Wir sprechen mittlerweile von Klimaneutralität als einem gemeinsamen, globalen Ziel. Für Fortschritte auf dem Weg dorthin sind zwei Dinge entscheidend: zum einen nationale Ambition und zum anderen internationale Solidarität.

Lassen Sie mich zunächst etwas zur nationalen Ambition sagen. Alle Staaten sind aufgefordert, neue nationale Beiträge, die sogenannten NDCs, sowie Langfriststrategien zu entwickeln. Die Europäische Union hat hier ein deutliches Zeichen gesetzt. Wir wollen unseren CO2-Ausstoß bis 2030 um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 senken.

Auch viele andere Staaten haben stärkere nationale Beiträge zum Klimaschutz angekündigt. Zum Beispiel hat Präsident Biden kürzlich ein neues Ziel der USA bis 2030 vorgestellt. Boris Johnson hat für das Vereinigte Königreich ein anspruchsvolles Ziel bis 2035 vorgegeben. Und auch Kanada und Japan haben mit neuen Zielen deutlich gemacht, dass sie bereit sind, mehr zu tun. Schön wäre es, ehrlich gesagt, wenn ich mir diese Anmerkung erlauben darf, wenn wir uns alle auf vergleichbare Basiszahlen einigen könnten, weil es in Bezug auf Zieljahre und Ausgangsjahre ganz schön durcheinander geht und man für Vergleiche immer eine Umrechnungstabelle dabei haben müsste.

In Deutschland haben wir unseren Weg zur Klimaneutralität mit einem Klimaschutzgesetz vorgezeichnet. Wir arbeiten mit Hochdruck an der Umsetzung, etwa beim nationalen Kohleausstieg und beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir planen, die Ziele des Gesetzes weiter zu konkretisieren und fortzuentwickeln. Dabei hat – Svenja Schulze hat es schon erwähnt – das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil uns zur Aufgabe gemacht, beim Klimaschutz die Generationengerechtigkeit stärker in den Blick zu nehmen und den Weg zur Klimaneutralität konkreter zu beschreiben. Wir werden daher unser nationales Minderungsziel für 2030 um zehn Prozentpunkte auf 65 Prozent anheben und zugleich bereits 2045 Klimaneutralität anstreben. Das bedeutet für uns auch, dass wir unsere Sektorziele anpassen müssen. Es bleibt aber nicht einfach bei einer Zielvereinbarung. Unser Klimaschutzgesetz sieht vor, dass bei Nichterreichung ein Sofortprogramm ausgelöst wird, um die Ziele dann zu erreichen.

Im Interesse der nachfolgenden Generationen überall auf der Welt kommt es darauf an, dass wir rasch und entschlossen handeln, um die dramatischen Folgen der Erderwärmung zu begrenzen. Auch die EU hat den Gesetzesweg eingeschlagen, um ihr neues Klimaziel für 2030 und Treibhausgasneutralität 2050 zum verbindlichen Maßstab zu machen. Die EU-Kommission wird im Sommer Vorschläge zur Umsetzung vorlegen. Gegebenenfalls müssen wir unsere nationalen Programme dann noch einmal an die Methodik der Europäischen Union anpassen.

Ich halte eine CO2-Bepreisung für ein besonders geeignetes Instrument der Lenkung. Das zeigt auch der bisherige europäische Emissionshandel im Bereich der Energie. Es bietet sich an, ihn auf weitere Sektoren auszuweiten, zum Beispiel auf Wärme und Verkehr. Genau das haben wir in Deutschland bereits gemacht. Auf der Zeitachse wollen wir möglichst schnell Marktmechanismen wirken lassen. Aus meiner Sicht wäre es sehr wünschenswert, wenn wir auch weltweit eine CO2-Bepreisung bekämen. Das müsste natürlich Schritt für Schritt etabliert werden. Ich möchte Sie ermuntern, ebenfalls für dieses marktgerechte und damit sehr effiziente Instrument zu werben, das uns unseren gemeinsamen Weg zur Klimaneutralität zu ebnen hilft. Die Bepreisung ist natürlich ein Pfad, auf dem wir auch allen Technologien eine Chance geben können.

Natürlich sind die nationalen Voraussetzungen für wirksamen Klimaschutz nicht überall gleich oder, anders gesagt, sehr, sehr unterschiedlich. Wir sind aber auf das Mitwirken aller angewiesen. Das bedeutet, wir brauchen internationale Solidarität – nicht nur mit Blick auf die Minderung von Emissionen etwa durch Technologietransfer, sondern vor allem auch in Fragen der Klimaanpassung und Resilienz. Deutschland hat hierbei mit der globalen NDC-Partnerschaft und der Partnerschaft für Klimarisiko-Versicherungen wichtige Initiativen angestoßen.

Die Industrieländer hatten zugesagt, bis 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar an öffentlichen und privaten Mitteln für die Klimafinanzierung zu mobilisieren. Und wir hatten uns auch darauf verständigt, dass dieses Ziel bis zum Jahr 2025 fortgeschrieben wird. Allerdings ist den letzten Zahlen der OECD für das Jahr 2018 zu entnehmen, dass wir mehr leisten müssen, um unsere Zusage auch wirklich einzuhalten.

Deutschland hat seine Zusage, seine öffentlichen Mittel bis 2020 auf vier Milliarden Euro pro Jahr zu verdoppeln, mit über 4,3 Milliarden Euro bereits 2019 übererfüllt. Erhebliche Mittel stellen wir zusätzlich über Entwicklungs- und Förderkredite bereit. Der deutsche Beitrag aus allen Quellen – öffentlichen wie privaten – belief sich 2019 insgesamt auf fast 7,6 Milliarden Euro und im Jahr 2020 auf eine ähnliche Größenordnung. Ich glaube, das ist ein fairer Beitrag Deutschlands.

Wir müssen jetzt aber auch nach vorne blicken, denn wir müssen die internationalen Anstrengungen fortführen. Der Bedarf an Finanzen gerade auch in den Entwicklungsländern ist gewaltig. Deshalb unterstütze ich das, was Boris Johnson hier gerade gesagt hat. Bei der nächsten COP in Glasgow müssen wir über ein neues Finanzierungsziel für die Zeit ab 2025 diskutieren. Damit sollten dann auch klare Signale verbunden sein. Statt neue Kohlekraftwerke sollten erneuerbare Energien finanziert werden, und zwar überall auf der Welt. Deutschland ist bereit, auch für ein neues Finanzierungsziel für die Zeit nach 2025 seinen fairen Beitrag zu leisten.

Ich habe gestern mit Boris Johnson gesprochen; und wir waren uns einig: wir wollen gemeinsam alles dafür tun, dies voranzubringen und die COP in Glasgow zu einem Erfolg zu machen. Dazu gehört auch, dass private Investoren überall auf der Welt in den Klimaschutz investieren. Zweifellos gilt es deutlich mehr privates Kapital zu mobilisieren, um der Klimaneutralität näherzukommen. Natürlich brauchen wir auch in den verschiedenen Sektoren deutliche Fortschritte, die wir vor allem dann erzielen, wenn sich Klimaschutz ganz offensichtlich auch wirtschaftlich lohnt. Elektromobilität, Fotovoltaik oder grüner Wasserstoff sind Beispiele für moderne Technologien, die hierbei von wachsender Bedeutung sind.

Die britische COP-Präsidentschaft hat hierzu Kampagnen initiiert. Dafür möchte ich Premierminister Johnson ganz herzlich danken. Ich unterstütze ausdrücklich, dass Sie Klimaschutz auch zu einem Schwerpunkt der G7-Präsidentschaft machen. Vom G7-Gipfel in Cornwall sollte ein starkes Signal für den Schutz des Klimas und den Schutz der Biodiversität ausgehen. Schließlich wollen wir auch die diesjährige COP in Kunming zu einem Erfolg machen, was die Biodiversität angeht. Dabei geht es gerade auch um den Schutz der Regenwälder und Meere, der vorangebracht werden muss. Der Schutz der Biodiversität hilft nicht zuletzt auch die Wahrscheinlichkeit künftiger Pandemien zu reduzieren. Hierzu leistet Deutschland mit 500 Millionen Euro pro Jahr einen großen Beitrag.

Es ist wahr, dass der Schutz des Klimas wie auch der Biodiversität mit Aufwand und Kosten verbunden ist. Aber es ist eben auch wahr, dass kein oder zu wenig Schutz mit weitaus höheren Kosten verbunden wäre – Kosten finanzieller Art, aber auch Kosten durch den Verlust von Lebensräumen, Lebensgrundlagen und menschlichem Leben. Auch zu diesem 12. Petersberger Klimadialog haben wir uns zusammengefunden, weil uns alle das Ziel eint, das Versprechen von Paris zu erfüllen und den Klimawandel so zu begrenzen, dass auch künftige Generationen lebenswerte Bedingungen und ihre Freiheitsrechte zur Lebensgestaltung auf unserer Erde vorfinden. Dafür müssen wir heute handeln, und zwar ambitioniert. Und dafür müssen wir gemeinsam und solidarisch handeln. Ich danke allen für Ihr Mitwirken.