Rede von Bundeskanzlerin Merkel bei der 12. Nationalen Maritimen Konferenz am 10.Mai 2021 (per Video)

Königliche Hoheit Kronprinz Haakon von Norwegen,
sehr geehrte Ministerpräsidentin, liebe Frau Schwesig,
sehr geehrter Bundesminister, lieber Peter Altmaier,
sehr geehrter Herr Brackmann,
Herr Oberbürgermeister Madsen,
meine Damen und Herren und Teilnehmende an dieser Konferenz,

ich begrüße Sie alle sehr herzlich zur 12. Nationalen Maritimen Konferenz. Ich freue mich, erneut Schirmherrin zu sein. Noch mehr freue ich mich natürlich über den hohen virtuellen Besuch aus dem norwegischen Königshaus. Verehrter Kronprinz, mit Ihrer Konferenzteilnahme unterstreichen Sie die länderübergreifende und länderverbindende Bedeutung der maritimen Wirtschaft.

Die Pandemie verhindert ja leider, dass wir in Rostock zusammenkommen können. Sie verhindert aber durch die technischen Möglichkeiten glücklicherweise nicht den Austausch zu den wichtigen Themen und Herausforderungen der maritimen Branche. Dass Wirtschaft Meer braucht, das verdeutlicht nicht erst das diesjährige Konferenzmotto. Das wusste man in Rostock schon spätestens seit dem 13. Jahrhundert. Der Eintritt in die Hanse hatte der Stadt damals zu Wachstum und Wohlstand verholfen. Das gilt für alle Hansestädte, auch für mehrere Städte, die in meinem Wahlkreis liegen, ganz in der Nachbarschaft von Rostock.

Auch heute hängen Wachstum und Wohlstand wo auch immer auf der Welt in hohem Maße von der maritimen Wirtschaft ab. Die Seewege sind die zentralen Lebensadern für den Welthandel. Daran hat auch die Pandemie nichts geändert. Im Gegenteil: Schifffahrt und Hafenwirtschaft sind unabdingbar für die Versorgung unserer Länder mit Gütern aller Art. Denken wir nur einmal daran, welche Unruhe es gleich gab, als vor Kurzem auf dem Suezkanal Schwierigkeiten auftraten.

Daher nutze ich gern die Gelegenheit, um mich bei allen Seeleuten herzlich zu bedanken, die trotz der Pandemie weltweit für uns alle im Einsatz waren und sind. Viele von ihnen hatten mit großen Schwierigkeiten bei ihren Landgängen und Heimreisen zu kämpfen. Sie mussten oft besonders lange auf ihr Zuhause verzichten.

Unverkennbar ist die maritime Branche leider auch insgesamt in schwere See geraten. Die pandemiebedingte Abkühlung der Weltkonjunktur ist gerade auch am Hafen- und Frachtgeschäft abzulesen. Es wird auch noch einige Zeit dauern, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht sein wird. Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, um Gesundheit und Leben zu schützen, waren und sind wir alle aufgefordert, unsere Kontakte und Reisen einzuschränken. Das hat dementsprechend natürlich auch schwerwiegende Folgen für die Personenschifffahrt, für den Kreuzfahrtschiffbau und alle damit verbundenen die Zulieferer. Die dadurch in Not geratenen Unternehmen und ihre Beschäftigten haben wir nicht vergessen. Daher hat die Bundesregierung ein außergewöhnlich umfassendes Maßnahmenpaket zur Unterstützung geschnürt. Die breite Hilfspalette reicht von steuerlichen Entlastungen über Kurzarbeitergeld bis hin zu Mitteln aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds.

Mir ist aber auch klar, dass all diese Maßnahmen nur lindernde Wirkung haben, weil die Einschnitte durch die Pandemie tiefer sind als wir es sonst bei Konjunktureinbrüchen kennen oder kannten. Dennoch gilt es, gerade eben auch in der Krise nach vorne zu schauen, sich auf eigene Stärken und Hightechkompetenzen zu besinnen und Innovationen voranzubringen. Wir dürfen nicht allein an die Krisenbekämpfung, sondern müssen über die Krise hinaus an die Zukunft denken, und diese Zukunft sollte nachhaltiger und digitaler werden. Alle maritimen Teilbranchen spielen bei dieser Transformation eine wichtige Rolle.

Schifffahrt ist schon heute einer der effizientesten Verkehrsträger, gemessen an der Transportleistung. Trotzdem: Auch was gut ist, kann noch besser werden. Wir sollten die Potentiale nutzen, die in der Schifffahrt liegen, um sie noch klima- und umweltverträglicher zu gestalten, gerade auch durch neue digitale Möglichkeiten.

Mit den deutschen und europäischen Kompetenzen im Schiffbau haben wir die Chance, Europa zum Leitmarkt für klimaschonende, ressourcen- und kostensparende Technologien zu machen. Das käme wirtschaftlichen und klimapolitischen Interessen gleichermaßen entgegen.

Das heißt, eine nachhaltige maritime Industrie kann so zu einem Beispiel dafür werden, auch in Krisen Chancen zu erkennen und zu nutzen ‑ und natürlich wollen wir das auch weiter bei uns haben. Das ist leichter gesagt als getan, aber genau deshalb will die Bundesregierung eben auch der maritimen Wirtschaft Rückenwind verleihen, um auf einem nachhaltigen Weg aus der Krise zu kommen und neue Marktnischen zu erschließen.

Mit unserem Konjunktur- und Zukunftspaket haben wir zusätzlich eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt. Damit fördern wir maritime Forschung und Entwicklung, die Umrüstung auf umweltfreundliche Antriebe sowie Betankungsschiffe für alternative Kraftstoffe.

In Sachen Klimaschutz leistet natürlich auch die Offshore-Windenergie einen wichtigen Beitrag. Sie ist als Treiber der Energiewende ebenso bedeutsam wie als Wirtschafts- und Wachstumsfaktor. Durch Anpassung des Windenergie-auf-See-Gesetzes und anderer Vorschriften beschleunigen wir den weiteren Ausbau.

Wir nutzen unsere Meere zur Energie- und Rohstoffgewinnung, als See- und Handelswege und nicht zuletzt zur Ernährung der Weltbevölkerung. Überfischung und Verschmutzung aber zeigen die begrenzte Belastbarkeit des Ökosystems der Gewässer. Das heißt, wenn wir schon Meeresnutzer sind, dann sollten und müssen wir auch Meeresschützer sein. Auch dabei ist unsere Innovationsfähigkeit gefragt.

Der Meeres-, Küsten- und Polarforschung kommt die wichtige Aufgabe zu, Zukunftsszenarien für die Ozeane zu entwerfen. Auf diesen Grundlagen gilt es nachhaltige Schutz- und Nutzungskonzepte zu erarbeiten und zu deren Umsetzung schließlich technologische und auch soziale Innovationen zu entwickeln.

Schon die wenigen Beispiele, die ich angesprochen habe, zeigen, dass die maritime Wirtschaft wie kaum eine andere Branche international aktiv, aber auch international gefordert oder herausgefordert ist. Es gilt, sich auf dem stark umkämpften Weltmarkt zu behaupten; denn wir haben schließlich nicht nur mit Partnern, sondern auch mit Wettbewerbern oder, besser gesagt, Konkurrenten zu tun.

Umso wichtiger ist es, gemeinsam an Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen und fairen Wettbewerb zu arbeiten. Das gilt für uns natürlich in erster Linie innerhalb der Europäischen Union. Ob Green Deal, europäisches Konjunkturpaket oder EU-Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität ‑ gemeinsame Herausforderungen lassen sich eben gemeinsam besser bewältigen, als wenn man das alleine tut.

Daher bin ich Ihnen, Herr Brackmann, sehr dankbar dafür, dass Sie als Maritimer Koordinator auch die Initiative zu einer stärkeren europäischen Vernetzung und gemeinsamen Interessenvertretung eingeleitet haben. Ich möchte mich auch bei allen Bundestagsabgeordneten bedanken, die der maritimen Wirtschaft immer ein Herz und viele Aktionen widmen.

In dieser Zeit der Krise und Transformation müssen wir den Blick nach vorn richten ‑ auch wenn der Pandemie-Alltag uns noch viel Kraft abverlangt. Immerhin zeichnet sich mit zunehmender Eindämmung der Pandemie auch eine Erholung der Weltwirtschaft ab. Das verhilft auch der maritimen Branche wieder in ruhigeres Fahrwasser.

Vor allem aber gilt es die Hightech-Kompetenzen voll auszuspielen, die den maritimen Sektor als ein wichtiges Flaggschiff unserer Volkswirtschaft auszeichnen. Wettbewerbsfähigkeit durch Innovationsfähigkeit: Wie das am besten gelingen kann, auch durch politisches Mitwirken, dazu wünsche ich Ihnen einen anregenden Austausch auf dieser Konferenz ‑ an einem Ort, der auch durch Schifffahrt und Schiffbau geprägt ist.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und herzliche Grüße nach Rostock!