Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Li Keqiang zu den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am 28. April 2021

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)
 

MP Li: Frau Bundeskanzlerin, ich freue mich, gemeinsam mit Ihnen den Vorsitz bei den sechsten Regierungskonsultationen zwischen China und Deutschland zu übernehmen. Dieser Mechanismus ‑ ich glaube, das kann man sagen ‑ wirkte bei der koordinierten Förderung der ergebnisorientierten Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern stets als ein Supermotor.

Vor dem Hintergrund der Pandemie finden die diesmaligen Konsultationen in einem Sonderformat statt, nämlich als Videokonferenz, mit 25 Ministerinnen und Ministern, die auf beiden Seiten teilnehmen. Ich glaube, das ist wohl das größte Format seit Jahren. Das beweist vollauf die große Bedeutung, die wir den Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten und unserer ergebnisorientierten Zusammenarbeit beimessen. Schwere Pandemien verlangen Zusammenhalt und Zusammenarbeit in Großformaten. Nur mit Zusammenhalt und Zusammenarbeit sind wir, sind alle Länder in der Lage, dieses Virus, diese Pandemie gemeinsam zu besiegen. Auch nur durch Zusammenarbeit und Zusammenhalt sind wir in der Lage, die Weltwirtschaft nach der Pandemie wieder schnell wachsen zu lassen.

Die chinesisch-deutsche Kooperation hat in den mehr als zwei Jahren seit den letzten Konsultationen wieder weitere Fortschritte gemacht. China öffnet sich weiter, und schrittweise werden neue Maßnahmen umgesetzt. Davon profitieren Unternehmer aus aller Welt, darunter auch deutsche. Wir hatten und haben eine Beeinträchtigung durch die Pandemie ‑ das war letztes Jahr der Fall und das ist auch dieses Jahr der Fall ‑, aber unser bilateraler Handel ist trotzdem weiter gewachsen. Das ist Ausdruck des hohen Niveaus und des großen Potenzials unserer Zusammenarbeit. Die Menschen in beiden Staaten profitieren unmittelbar davon. Zugleich kommt diese Zusammenarbeit aber auch der Sicherheit und der Stabilität der internationalen Industrie und der Lieferketten zugute.

Momentan erlebt die internationale Lage einen komplexen und tiefgreifenden Wandel. Die Pandemie ist ja bei Weitem (akustisch unverständlich). Protektionismus und Unilateralismus erstarken wieder. Als wichtige Volkswirtschaften der Welt und einflussreiche Länder bekennen sich China und Deutschland beide zu Multilateralismus und Freihandel. Daher sollten beide Seiten mit gutem Beispiel vorangehen bei Öffnung, gegenseitigem Nutzen und gemeinsamem Gewinnen.

Klar, ist es ist eine Tatsache, dass China und Deutschland in manchen Fragen Meinungsunterschiede haben. Meine Meinung ist hier aber: Solange beide Seiten Kerninteressen und wichtige Anliegen der anderen Seite respektieren und solange wir auf Basis der gleichberechtigten Behandlung und der gegenseitigen Nichteinmischung in innere Angelegenheiten kommunizieren und uns austauschen, Vertrauen mehren, Misstrauen ausräumen, Differenzen abbauen und die Zusammenarbeit fokussieren, können wir günstige Bedingungen für reibungslose Dialoge und Kooperationen schaffen.

Nächstes Jahr jährt sich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Deutschland zum 50. Mal. Beide Seiten sollten mit Blick auf die umfassenden gemeinsamen Interessen zwischen beiden Ländern Störungen beseitigen, und dann sollte man sich auch zum aufrichtigen Umgang miteinander bekennen. Man sollte hier eben unnötige Störungen beseitigen und an einer Win-win-Zusammenarbeit festhalten. Dann können sich unsere Beziehungen gesund und stabil entwickeln. Das kommt China, Deutschland und der ganzen Welt zugute.

Das war es mit meinem kurzen Eingangsstatement. Sie sind an der Reihe, Frau Merkel!


BK‘in Merkel: Sehr geehrter, lieber Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren ‑ wir haben eben ein Bild gesehen, auf dem auch die Zuhörer noch abgebildet waren ‑, ich freue mich, dass wir diese Regierungskonsultationen ‑ es sind die sechsten Regierungskonsultationen ‑ heute durchführen können. Sie wissen, dass dies meine letzten Regierungskonsultationen sein werden. Aber ich hoffe, dass es nicht die letzten Regierungskonsultationen zwischen China und Deutschland sein werden.

 Eigentlich wären wir heute in China. Aber die Umstände ermöglichen dies nicht. Wir haben sowohl in Ihrem Land als auch bei uns und in ganz Europa und der ganzen Welt ein herausforderndes Jahr hinter uns. Die COVID-19-Pandemie hat viele, viele Opfer gefordert und stellt Gesellschaften und Volkswirtschaften auf eine wirklich harte Probe. Wir können diese Pandemie nur gemeinsam eindämmen. China und Deutschland können dabei eine wichtige Rolle spielen.

Das bedeutet auch, dass wir nicht nur einen Beitrag dazu leisten, dass zum Beispiel unsere eigene Bevölkerung geimpft werden kann, sondern dass wir auch offen und transparent über die Impfstoffproduktion sprechen und die Impfstoffe möglichst auch gegenseitig anerkennen, zumindest bei der Weltgesundheitsorganisation, um so den Kampf gegen das Virus zu gewinnen.

Unsere Regierungskonsultationen haben eine gute Tradition. Ich glaube, dass sich durch diese Regierungskonsultationen auch die Breite unserer Zusammenarbeit vergrößert hat. Die Bundesrepublik Deutschland hatte im vergangenen halben Jahr die Ratspräsidentschaft innerhalb der Europäischen Union inne. Mir persönlich war es auch sehr wichtig, dass wir damals den politischen Abschluss der Verhandlungen über das Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und China hinbekommen konnten. Das war im Dezember des vergangenen Jahres. Ich denke, dass dieses Investitionsabkommen auch ein Grundstein für die Wirtschaftsbeziehungen, für transparente Beziehungen, für gegenseitigen Marktzugang und Reziprozität sein kann und dass dadurch auch mehr Rechtssicherheit und Transparenz geschaffen wird. Wir haben in diesem Zusammenhang auch über die ILO-Kernarbeitsnormen gesprochen. Denn vernünftige Arbeitsbedingungen überall und für alle Menschen in Deutschland und in China sind von großer Bedeutung.

Lieber Herr Ministerpräsident, die Wirtschaft ist immer ein wichtiges Feld unserer Kooperation gewesen und bleibt es auch. Aber das Spektrum unserer Zusammenarbeit ist viel breiter geworden. Es reicht von der Außenpolitik und der Abstimmung darüber, wie wir bestimmte Konflikte auf der Welt regeln und lösen, bis hin zum Klimaschutz und zur Gesundheit. Es geht um Lebensmittelsicherheit, um landwirtschaftliche Zusammenarbeit, um soziale Fragen, um nachhaltige Entwicklung. Wir können sagen, dass auch in diesem Jahr eine Vielzahl von Vereinbarungen zwischen den Ressorts geschlossen wurde. Ich möchte beispielhaft den deutsch-chinesischen Aktionsplan Gesundheit für die Jahre 2021 bis 2023 sowie die Absichtserklärung zu Klimaschutz und nachhaltiger Entwicklung nennen.

Sie haben es angesprochen: Zu unserer Partnerschaft gehört auch, dass wir schwierige Themen ansprechen und alles auf den Tisch legen können. Dabei spielt das Thema der Menschenrechte in unseren Gesprächen traditionsgemäß immer wieder eine Rolle. Hierzu gibt es auch Meinungsverschiedenheiten, gerade auch wenn wir zum Beispiel an die Situation in Hongkong denken. Wir haben es bisher immer geschafft, auch diese Themen anzusprechen. Ich würde mir wünschen, dass wir baldmöglichst auch den Menschenrechtsdialog wieder in Gang setzen könnten. Es reicht ja nicht, dass wir beide über diese Themen sprechen, sondern es sollte auch in der Tiefe gerade auch mit den Justizministern wieder auf den Tisch kommen.

Es ist also ein Austausch, der Gemeinsamkeiten beinhaltet, aber manchmal auch unterschiedliche Sichtweisen. Ich denke aber, dass man Konflikte nur dann lösen kann, wenn man im Gespräch bleibt. Dieses Gespräch führen wir heute, jetzt erst einmal bilateral und später mit unseren Ministern. Ich bedanke mich und stelle mir jetzt vor, dass Sie der Gastgeber sind, ich in China sitze, was ja nicht der Fall ist, und wir jetzt in unsere Arbeit einsteigen können.