Berufliche Anerkennung in der Praxis

Interview zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz Berufliche Anerkennung in der Praxis

Fachkräfte aus dem Ausland haben größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, wenn sie ihre Berufsabschlüsse anerkennen lassen. Unterstützung erhalten sie dabei von der Zentralen Servicestelle für Berufsanerkennung in Bonn. Marcel Schmutzler erzählt im Interview, wie die berufliche Anerkennung funktioniert und in welchen Ländern gezielt Fachkräfte angeworben werden. 

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Foto zeigt Marcel Schmutzler

Marcel Schmutzler von der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) in Bonn.

Foto: ZAV

Am 1. März tritt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft. Unternehmen können dann schneller Fachkräfte aus dem Ausland einstellen. Dafür ist ein Anerkennungsverfahren von Berufsabschlüssen nötig. Wie viele Anerkennungsstellen gibt es in Deutschland, die damit befasst sind?

Marcel Schmutzler: Es gibt etwa 1400 Anerkennungsstellen in ganz Deutschland. Sie arbeiten in den meisten Fällen nach dem Arbeitsortprinzip. Das heißt, je nachdem wo die Fachkraft künftig ihre Stelle haben wird, wird auch das Anerkennungsverfahren vorgenommen. Die jeweiligen Zuständigkeiten, Verfahren und Voraussetzungen variieren dabei von Beruf zu Beruf - teilweise auch von Bundesland zu Bundesland. Für Handwerksberufe sind beispielsweise die Handwerkskammern zuständig, bei vielen gewerblich-technischen und kaufmännischen Berufen ist es die Industrie- und Handelskammer. Bei medizinischen Berufen wiederum richtet sich die Zuständigkeit für Anerkennung nach dem jeweiligen Fachrecht und den Bestimmungen des Bundeslandes. Das macht es für Interessenten im Ausland schon zur Herausforderung, überhaupt erst einmal den deutschen Referenzberuf zu ihrer Ausbildung zu ermitteln, und anschließend herauszufinden, welche Anerkennungsstelle für diesen Beruf zuständig ist.

Grafik zeigt den Prozess, wie die Bundesregierung ausländische Fachkräfte gezielt finden will.

Ausländische Fachkräfte sollen so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt integriert werden. 

Foto: Bundesregierung

Seit Februar gibt es eine neue Zentrale Servicestelle für Berufsanerkennung in Bonn. Warum wurde diese eingerichtet und welche Vorteile ergeben sich daraus?

Schmutzler: Regional gibt es bereits ein gut ausgebautes Angebot an Beratungsstellen im Rahmen des IQ-Netzwerks (Integration durch Qualifizierung) . Für Interessenten, die sich noch im Ausland befinden und am Anfang ihrer Arbeitssuche in Deutschland stehen, gab es aber bisher keine direkte Anlaufstelle. Diese Lücke schließen wir jetzt mit der Zentralen Servicestelle für Berufsanerkennung (ZSBA). Diese übernimmt die Aufgabe des Lotsen, in dem sehr komplexen bundesweiten Anerkennungssystem. Zudem wollen wir die regionalen Anerkennungsstellen durch unsere Arbeit entlasten, indem wir Beratungsarbeit abnehmen und die Interessentinnen und Interessenten durch den gesamten Anerkennungsprozess begleiten. Außerdem prüfen wir Anträge auf Berufsanerkennung auf Vollständigkeit. Die gesammelten Unterlagen leiten wir an die jeweiligen Anerkennungsstellen weiter, die letztlich für das Anerkennungsverfahren zuständig sind.

Das Fachkräfteportal "Make it in Germany" ist das mehrsprachige Portal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland. Es informiert Einwanderungsinteressierte, wie sie ihren Weg nach Deutschland erfolgreich gestalten können - von den Vorbereitungen im Herkunftsland bis zur Ankunft und den ersten Schritten in Deutschland.

Welche Voraussetzungen müssen Fachkräfte mitbringen, um in Deutschland arbeiten zu können?

Schmutlzer: Mit der dualen Berufsausbildung haben wir in Deutschland einen Sonderfall, da kann die Gleichwertigkeit - aufgrund der unterschiedlichen Ausbildungssysteme weltweit - in den meisten Fällen nicht vorausgesetzt werden. In vielen Ländern werden beispielsweise Handwerker nicht in Betrieben ausgebildet, sondern in Schulen - da fehlen dann natürlich die entsprechenden Praxisanteile. Deshalb müssen bei der Berufsanerkennung bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, um in Deutschland arbeiten zu können. Berufsabschlüsse aus dem entsprechenden Land müssen staatlich anerkannt sein - das bedeutet, dass der Bewerber eine geordnete und geregelte Ausbildung, die mindestens zwei Jahre gedauert hat, absolviert haben muss. Weitere Voraussetzungen gibt es beispielsweise bei Pflegekräften und Ärzten: Sie müssen für die Berufsanerkennung zusätzlich vorgeschriebene Deutschkenntnisse nachweisen.

Wie verläuft ein Anerkennungsverfahren?

Schmutzler: Grundsätzlich ist das Anerkennungsverfahren Teil des Visumprozesses. Man benötigt die Anerkennung des Berufsabschlusses, um ein Visum für Deutschland zum Zweck der Beschäftigung zu erhalten. Voraussetzung nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz, um ein solches Visum zu erhalten, ist, dass man bereits einen Arbeitsplatz gefunden und einen entsprechenden Vertrag mit einem deutschen Arbeitgeber abgeschlossen haben muss. Die jeweilige regionale Anerkennungsstelle, die zuständig für das Verfahren ist, führt dann den Anerkennungsprozess durch. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz schafft aber auch die Möglichkeit, mit einer Anerkennung unter bestimmten Voraussetzungen bis zu sechs Monate zur Arbeitsuche nach Deutschland einzureisen.

Die Anerkennung des Berufsabschlusses ist wichtig, da viele Berufsbilder in Deutschland nicht eins zu eins vergleichbar sind. Beispielsweise in Handwerks- oder technischen Berufen werden die meisten Menschen erst einmal keine Vollanerkennung bekommen. Sie erhalten eine Teilanerkennung mit einem sogenannten Defizitbescheid. Mit diesem Bescheid können Fachkräfte nach Deutschland einreisen, müssen aber innerhalb eines gewissen Zeitraums die bescheinigten Defizite durch Weiterbildung oder - falls vorausgesetzt, wie bei Ärzten und Pflegekräften - auch Sprachbarrieren abbauen. Erst dann erhalten sie die Vollanerkennung. Mit der Bescheinigung können sie dann als Fachkraft in ihrem Beruf arbeiten. Bis dahin werden sie übergangsweise als Helferin oder Helfer in ihrem Beruf beschäftigt.

Welche Mangelberufe werden besonders oft nachgefragt?

Schmutzler: Es melden sich vor allem Fachkräfte, die wir in Deutschland auch dringend brauchen: Dazu gehören viele Pflegekräfte, Ingenieure, Techniker, Mechatroniker aber auch IT-Fachkräfte.

In welchen Ländern rekrutieren Sie derzeit aktiv? Und wie werben Sie dort gezielt nach Fachkräften?

Schmutzler: Zu unseren Schwerpunktländern außerhalb der EU zählen derzeit Mexiko, Brasilien und Länder in Südostasien. Eine Rekrutierung erfolgt aber nicht in jedem Land. Wir arbeiten nur mit Staaten zusammen, wo ein öffentliches Interesse an einer Zusammenarbeit besteht und ein hohes Bewerberpotenzial an Fachkräften vorhanden ist. Was wir nicht möchten: Fachkräfte abwerben, dort, wo sie derzeit selbst gebraucht werden. Bevor man also im Ausland rekrutiert, müssen gewisse politische und diplomatische Vorgespräche stattfinden. Daher sind wir mit den Deutschen Botschaften, den Außenhandelskammern und unseren internationalen Partnerverwaltungen im regelmäßigen Austausch.

Wie können Sie Fachkräfte aus dem Ausland sonst noch besser unterstützen?

Um sich einen Eindruck über die Arbeitsmarktsituation oder die Bewerbungsanforderungen in Deutschland zu holen, bietet die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) allgemeine Beratungen an. Dabei geht es häufig um erste Fragen: Welche Berufe werden derzeit in Deutschland gesucht? Mit welcher Ausbildung hat man eine Chance auf dem Arbeitsmarkt? Was muss man für Voraussetzungen mitbringen? Und wie bewirbt man sich in Deutschland? Wenn wir im Laufe der Beratung merken, die Person lässt sich aufgrund der Ausbildung oder den Sprachkenntnissen gut vermitteln, dann nehmen wir sie in unserem Vermittlungspool auf. Arbeitgeber, die ein dezidiertes Interesse an Fachkräften aus dem Ausland gemeldet haben, erhalten dann von uns Vermittlungsvorschläge.

2019 haben die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) mehr als 160.000 Beratungs- und Informationsanfragen erreicht. Die Hauptvermittlungsländer außerhalb der EU waren die Philippinen, Mexiko, Serbien, Brasilien, China und Indien.

Wie können Interessierte Sie aus dem Ausland erreichen?

Einen Überblick und Kontaktmöglichkeiten erhalten Interessierte über das Fachkräfteportal "Make it in Germany" . Interessierte können uns per Telefon, E-Mail oder Chat erreichen. Unsere Beratung selbst bieten wir hauptsächlich auf Deutsch und Englisch an. Wir haben aber auch Mitarbeitende, die in bis zu zehn weiteren Sprachen Beratungen anbieten können.

Bei der Hotline "Arbeiten und Leben in Deutschland" werden Interessierte zu den Themen Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, Einreise und Aufenthalt, Jobsuche und Deutsch lernen aus dem In- und Ausland in Deutsch und Englisch beraten. Sie ist unter der Telefonnummer +49 (0)30-1815-1111 von Montag bis Freitag 9 bis 15 Uhr erreichbar.