Sofortiger Ausbildungsbeginn noch möglich

Interview zu Ausbildungsplätzen Sofortiger Ausbildungsbeginn noch möglich

Boom auf dem Ausbildungsmarkt: Erstmals seit 1994 ist die Zahl der Ausbildungsstellen höher als die Zahl der Bewerber. Auch wer jetzt noch eine Lehrstelle sucht, hat gute Chancen. Allerdings ist die Lage in einzelnen Branchen und Regionen sehr unterschiedlich. Umso wichtiger sei Flexibilität, sagt BA-Ausbildungsmarktexperte Ralf Beckmann im Interview.

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Zwei junge Männer, einer dunkelhäutig, einer hellhäutig, stehen vor einer Maschine in einem S-Bahn Ausbesserungswerk in Berlin.

Bis Ende des Jahres können sich Bewerberinnen und Bewerber noch um eine Ausbildungsstelle bewerben.

Foto: Burkhard Peter

Die Ausgangslage für junge Leute auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist so gut wie lange nicht mehr: 565.300 Ausbildungsstellen stehen 535.600 Bewerberinnen und Bewerbern gegenüber. Damit kommen auf 100 Ausbildungsplätze 98 Interessenten. Dennoch haben viele Jugendliche noch keine Lehrstelle gefunden. Wie das zusammenpasst, erklärt Ralf Beckmann, Ausbildungsmarktexperte bei der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg.

Die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen ist erstmals seit 1994 höher als die Zahl der gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber. Wie kommt es zu diesem Boom beim Angebot an Ausbildungsplätzen?

Ralf Beckmann: Zum einen hat die Zahl der Ausbildungsplätze wegen der sehr guten wirtschaftlichen Situation zugenommen. Das ist der Hauptgrund. Weiterer Grund ist aber auch das Bemühen der Betriebe, den Fachkräftenachwuchs zu sichern. Die Unternehmen reden nicht mehr nur von Engpässen, sondern erfahren am eigenen Leib, dass es wichtig ist, zu investieren. Die Betriebe haben in den letzten Jahren immer mehr erlebt, dass Ausbildungsplätze frei bleiben. Um diese besetzt zu bekommen, schalten uns die Betriebe auch häufiger ein.

Und dann ist da noch die Seite der Demografie. Wir  haben seit Jahren rückläufige Zahlen bei den Schulabgängern und damit zurückgehende Bewerberzahlen.

In welchen Branchen sind denn noch besonders viele Ausbildungsplätze zu vergeben?

Ralf Beckmann: Besonders viele unbesetzte Ausbildungsstellen gibt es noch in der Gastronomie und Hotellerie, aber auch im Lebensmittelhandwerk und im Lebensmittelverkauf, beispielsweise bei Bäckern und Fleischern. Auch das Friseurhandwerk hat Nachwuchssorgen. Von freien Ausbildungsstellen wissen wir auch im Gewerbe des Berufskraftverkehrs, in Bau- und baunahen Berufen sowie in Metallberufen und im Bereich der Energietechnik.  

Und wie sieht es in den einzelnen Regionen aus, gibt es da große Unterschiede?

Ralf Beckmann: Ja, sehr große Unterschiede. Sehr gute Chancen haben Jugendliche zum Beispiel im Süden Deutschlands, in Thüringen, im Saarland und an der Ostseeküste. Hier gibt es deutlich mehr Ausbildungsstellen als Bewerber. Bundesweiter Spitzenreiter ist übrigens die Arbeitsagentur Passau: Dort haben wir doppelt so viele Ausbildungsstellen wie Bewerber.

Schlechtere Chancen haben Bewerber in Nordrhein-Westfalen, so in Recklinghausen, Hagen, Gelsenkirchen und Detmold. Hier kommen im Schnitt 160 Bewerber auf 100 gemeldete Stellen. Auch in Berlin ist es im Moment eher schwierig, noch eine Ausbildungsstelle zu finden.

Das hört sich an wie ein großer Widerspruch zur bundesweiten Situation. Wie erklären Sie sich das?  

Ralf Beckmann: Im groben ist es so, dass der Ausbildungsmarkt nahezu ausgeglichen ist. Es gibt aber im Detail viele Ungleichgewichte. Zum Beispiel die regionalen Unterschiede. Aber auch bei den Berufswünschen. Es gibt zum Beispiel wenige freie Ausbildungsstellen und viele Bewerber in Büro- und Verwaltungsberufen. Das ist sehr begehrt. Bewerber schätzen hier unter anderem die Sicherheit des Arbeitsplatzes, gerade im öffentlichen Dienst. Beliebt sind auch Ausbildungsstellen in der (Zahn-)Medizinischen Fachassistenz. Bei jungen Männern ist der KFZ-Mechatroniker oft ein Traumjob. Die Konzentration auf besonders begehrte Berufe ist also ein wichtiger Punkt.

Zudem gibt es natürlich auch qualifikatorisch Grenzen. Betriebe wünschen sich natürlich gute junge Leute. Nur jede zweite gemeldete Stelle richtet sich im Übrigen auch an Hauptschüler.

Was raten Sie Jugendlichen konkret? Bei aller Flexibilität: Es können ja jetzt nicht alle Fleischer werden und nach Passau gehen.

Ralf Beckmann: Ja, das ist natürlich richtig. Aber die Ansatzpunkte sind schon so, dass man schauen sollte, wie stellt sich der Ausbildungsmarkt in meiner Region dar. Grundvoraussetzung bleibt natürlich zunächst ein guter Schulabschluss. Wer noch in der Schule ist, sollte wissen: Es lohnt sich schon, sich anzustrengen und ein gutes Zeugnis beim Ausbildungsbetrieb vorlegen zu können!  Also auf keinen Fall denken, man bekommt heute eine Stelle im Schlaf.

Bewerber sollten vor allem nach Alternativen jenseits des Traumberufs suchen. Es gibt viele Berufe, die man möglicherweise gar nicht kennt. Hier informiert und unterstützt die Berufsberatung. Wir appellieren aber auch an Betriebe, für alle interessierten Jugendlichen offen zu sein. Nicht jeder Bewerber kann immer hundertprozentig passen.

Das Ausbildungsjahr hat ja schon begonnen. Lohnt es sich dennoch, sich jetzt noch zu bewerben?     

Ralf Beckmann: Ja, auf jeden Fall, bis zum Jahresende ist das mit sofortigem Ausbildungsbeginn noch möglich. Aber man sollte sich schnell bewerben, denn die Berufsschule hat natürlich schon begonnen und das heißt, dass Theorie nachgeholt werden muss.

Werfen Sie einen kurzen Blick in die Zukunft. Wie gestaltet sich der  Ausbildungsmarkt in zwei bis drei Jahren?

Ralf Beckmann: Das hängt natürlich sehr von der Konjunktur ab. Aber insgesamt ist der Trend in den letzten Jahren sehr eindeutig. Zudem bleiben die Zahlen der Schulabgänger rückläufig, wir werden also sicher weiterhin mehr Ausbildungsstellen als Bewerber haben.