„Die Karrierechancen sind besser als viele denken“

Interview zum „Sommer der Berufsausbildung“ „Die Karrierechancen sind besser als viele denken“

Die berufliche Bildung ist Garant für erfolgreiche Berufswege und exzellent ausgebildete Fachkräfte: Das ist die Botschaft des zweiten Aktionstages zum „Sommer der Berufsausbildung“. Der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks macht jungen Leuten Mut, sich zu bewerben: „Trotz Pandemie gibt es viele freie Ausbildungsplätze.“

6 Min. Lesedauer

Poirträt Dr. Achim Dercks, stellv. DIHK-Hauptgeschäftsführer

„Allein in der IHK-Lehrstellenbörse sind derzeit mehr als 40.000 offene Ausbildungsplätze registriert“, berichtet Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer.

Foto: DIHK / Paul Aidan Perry

Im „Sommer der Berufsausbildung“ werben die Partner der Allianz für Aus- und Weiterbildung  bis Oktober bei jungen Menschen und Betrieben für das Erfolgsmodell der dualen beruflichen Bildung. Der zweite Aktionstag steht unter dem Motto „Höher hinaus – Durchstarten mit Ausbildung“. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek diskutiert mit dem Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Peter Adrian vor allem über die „Höhere Berufsbildung“. Anlässlich des Aktionstages bewertet der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer, Dr. Achim Dercks, die Ausbildungschancen von jungen Leuten.


Warum engagieren Sie sich als DIHK beim „Sommer der Berufsausbildung“?

Dr. Achim Dercks: Das Thema Ausbildung spielt für den DIHK schon immer eine bedeutende Rolle. So haben wir vor etwa 15 Jahren den Ausbildungspakt mit an den Start gebracht. Es ist uns sehr wichtig, den jungen Menschen gute Chancen für eine berufliche Ausbildung zu geben. Und für die Unternehmen sind die Auszubildenden eine wesentliche Säule für die Fachkräftesicherung.

Mit dem „Sommer der Berufsausbildung“ wollen wir deutlich machen, dass es trotz der Folgen der Corona-Pandemie viele freie Ausbildungsplätze gibt. Zwar ist die Zahl der Angebote pandemiebedingt zurückgegangen, aber die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen – also das konkrete Interesse, eine Ausbildung zu absolvieren – ist noch deutlicher gesunken. Das zeigt die große Verunsicherung bei jungen Menschen in der aktuellen Zeit. Es gab coronabedingt weniger Möglichkeiten für Praktika. Auch die Berufsorientierung konnte in den vergangenen Monaten oft nur digital angeboten werden. Umso mehr ist es jetzt das Ziel, jungen Interessierten Mut zu machen sowie Betriebe und Jugendliche zusammenzubringen.

Was unternehmen Sie denn konkret, um auf die Chancen der dualen Ausbildung aufmerksam zu machen?

Dercks: Wir als DIHK rühren gemeinsam mit den Industrie- und Handelskammern mit einer Vielzahl an Aktionen und Veranstaltungen bis Oktober die Werbetrommel. Ein Schwerpunkt sind virtuelle Formate wie Video-Beratungsstunden und Webinare, Azubi-Podcasts oder Speed-Datings, bei denen sich Betriebe und junge Leute kurz beschnuppern können. Außerdem bieten wir digitale Elterncafés an: Eltern sind für viele Jugendliche wichtige Ratgeber bei der Berufswahl, dies wollen wir nutzen. Gerade um Schulabgänger zu erreichen, spielen die sozialen Medien eine zentrale Rolle: unter den Hashtags „AusbildungSTARTEN“ und „Azubi21” machen wir unter anderem mit einer eigenen Social-Media-Kampagne auf die Möglichkeiten der dualen Ausbildung aufmerksam - so wie auch gerade heute anlässlich des Aktionstages.

Als Dachverband haben Sie sicher einen guten Überblick über Ausbildungsangebote in bestimmten Branchen und Regionen. Gibt es da große Unterschiede?

Dercks: In der Tat gibt es zum Teil beträchtliche Unterschiede aufgrund der Branchenstruktur oder verschiedener Gegebenheiten in den Regionen. Traditionell haben wir im Süden und im Südwesten eher einen großen Fachkräftemangel, weil dort zumindest bis zur Pandemie der Arbeitsmarkt gebrummt hat. In der Pandemie selbst mussten sich vor allem Betriebe aus den Bereichen Gastronomie und Tourismus aus dem Ausbildungsmarkt zurückziehen. Sie konnten oft aufgrund der schwierigen Situation keine verantwortungsvolle Ausbildung mehr anbieten. Aktuell jedoch sehen wir verstärkt beispielsweise beim Einzelhandel wieder steigenden Bedarf, die Geschäfte haben ja wieder geöffnet. So werden derzeit etwa 10.000 bis 20.000 angehende Einzelhandelskaufleute gesucht.
 
Gebraucht werden auch viele Bürokaufleute, Mechaniker, Elektroniker, aber auch Köche. Das zeigt: Unter den Angeboten sollte für jeden etwas dabei sein. Es empfiehlt sich, einfach mal bei den örtlichen Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern oder der Arbeitsagentur nachzufragen. Mitunter lässt sich auf diesem Weg direkt ein Kontakt zu einem Betrieb herstellen. Es gibt wirklich Grund zu Optimismus: Allein in der IHK-Lehrstellenbörse sind derzeit mehr als 40.000 offene Ausbildungsplätze registriert.    
 
Beim Aktionstag werben Sie für gute berufliche Perspektiven nach einer dualen Ausbildung. Wie sind die Chancen auf Karriere – ohne ein Studium?      

Dercks: Es ist uns ein ganz wichtiges Anliegen, darauf hinzuweisen, dass die Karrierechancen in der beruflichen Bildung zweifelsohne besser sind als viele denken. Gerade für gute Schulabgängerinnen und -abgänger kann eine duale Ausbildung eine ausgezeichnete Perspektive sein. Viele von ihnen strömen an die Hochschulen, allerdings brechen auch rund 100.000 jährlich ihr Studium ab. Für sie ist die Exzellenz in der Praxis möglicherweise besser geeignet als die Exzellenz in der Theorie.     

Und die Karrierechancen nach der Ausbildung sind vielfältig. Man kann beispielsweise Industriemeister oder Bilanzbuchhalter werden – diese Abschlüsse sind vergleichbar mit einem Bachelor-Studium. Oder sogar einen Master Professional zum IHK-Betriebswirt absolvieren, ohne auch nur einen Tag eine Uni von innen gesehen zu haben. Möglich wird dies durch das modernisierte Berufsbildungsgesetz.

Und wie sind die Gehaltsaussichten?

Dercks: Unsere Umfragen zeigen, dass etwa zwei Drittel der Absolventinnen und Absolventen mit ihrer Entscheidung für die duale Ausbildung und die höhere Berufsbildung sehr zufrieden sind: auch in Bezug auf ihr Gehalt und die Übernahme von Verantwortung. Sie haben auch im Blick, dass die Gefahr der Arbeitslosigkeit geringer ist als bei Akademikern. Und Gehaltssprünge sind oft schon sehr früh möglich: Das ist vor allem für diejenigen interessant, die in relativ jungen Jahren eine Familie gründen möchten.

Mit einer dualen Ausbildung stehen einem alle Wege offen. Möglich ist ja auch noch ein späteres duales oder berufsbegleitendes Studium. Und selbst ohne Abitur hat man nach einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss und entsprechender Berufspraxis in der Regel eine Hochschulzugangs-Berechtigung.

Wie wichtig ist Weiterbildung, wenn man beruflich nach vorne kommen will?

Dercks: Weiterbildung ist heutzutage für jede und jeden ein Thema – vollkommen unabhängig von beruflicher oder akademischer Bildung. Es gibt so viele Veränderungen in kurzer Zeit, dass es dringend notwendig ist, sich in seinem Berufsleben stets weiter zu qualifizieren. Gerade in herausfordernden Berufen erfolgt dies oft als „training on the job“. Aber letztlich ist es in allen Bereichen wichtig, dass Möglichkeiten zur Weiterbildung angeboten und auch genutzt werden. Manche Anreize dafür wie zum Beispiel Bildungsprämien sind ja auch schon geschaffen. Allerdings ist es für die Betriebe oft auch ein schwieriger Spagat, Beschäftigten eine Weiterbildung zu ermöglichen, wenn man ihn oder sie wegen hoher Nachfrage dringend beispielsweise in der Produktion benötigt.

Angebote sollten heute zumindest auch digital sein. Dadurch kann man sich unkompliziert zum Beispiel auf dem Heimweg im Zug weiterqualifizieren. Als IHK-Organisation bieten wir auch solche niedrigschwelligen Kurse an, beispielsweise zu Künstlicher Intelligenz den kostenlosen Online-Lehrgang „Elements of AI“ (www.elementsofai.de ). Diese digitale Weiterbildung haben wir in deutscher Sprache aus Finnland übernommen. Mit Erfolg – allein für die deutschsprachige Version haben sich schon knapp 40.000 Interessierte registriert, bei mehr als 700.000 Teilnehmenden weltweit.

Können Sie jungen Leuten einen Tipp geben: Auf welche Fähigkeiten oder Eigenschaften von Auszubildenden kommt es Betrieben besonders an?  

Dercks: Die Zeugnisnoten allein sind es schon einmal nicht! Natürlich muss man Kenntnisse des Lesens, Schreibens und Rechnens in vernünftigem Maße mitbringen, das ist die Basis.

Um sich von anderen Bewerberinnen und Bewerbern abzusetzen, sind vor allem ausgeprägte soziale Kompetenzen sehr hilfreich. Es geht darum, gegenüber Kunden engagiert und empathisch auftreten zu können. Eine Fähigkeit, die für viele Betriebe sehr wichtig ist. Wichtig sind zudem digitale Kompetenzen. Man muss nicht das Wissen eines Software-Ingenieurs mitbringen. Aber ein Grundverständnis für digitale Abläufe hilft weiter. Damit verbunden ist auch die Offenheit für Veränderungen, die Bewerber und eine Bewerberin mitbringen sollten. Wenn man dies mit der Grundtugend kombiniert, gut mit Menschen umgehen zu können, ist das viel wert.