Im Wortlaut
in Berlin
Von mir auch erst einmal ein ganz herzliches Willkommen an alle, die heute an dieser Veranstaltung teilnehmen! Wir wollen Sie würdigen, in der Tat. Die Frauen und Männer, die als sogenannte Gastarbeiter in die Bundesrepublik oder als Vertragsarbeiter in die DDR gekommen sind.
Ich war gar kein so kleines Kind mehr. Vertragsarbeiter gab es auch noch, als 1989 die deutsche Einheit kam. Die Bedingungen in der DDR waren noch einmal ganz anders, weil die Freizügigkeit sehr eingeschränkt war und weil viele Dinge verboten waren. Wir hatten vor allen Dingen Vertragsarbeiter aus einigen afrikanischen Ländern, aber auch aus Vietnam. Und die hatten kein einfaches Leben.
Aber was vielleicht alle eint, ist, dass jeder, wie Annette Widmann-Mauz es eben gesagt hat, im Grunde eine Reise ins Ungewisse angetreten hat. Ich habe vor zehn Jahren, als wir des 50. Jahrestags gedachten, ganz bewegende Geschichten gehört, die ich nie vergessen werde. Dass die Väter oft erst einmal alleine nach Deutschland gekommen waren, dass man sehr spartanisch in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht war, dass man sonntags sein Ohr an die Eisenbahnschienen legte, um doch daran zu denken, dass man nach Hause fahren möchte. Das hat mich alles sehr bewegt. Deshalb kann man schon sagen: Damals hatten es die Menschen, die zu uns kamen, wirklich nicht leicht.
Was können wir daraus lernen? Damals gab es das Wort „Integrationspolitik“ im Grunde noch nicht, sondern das Wort „Gastarbeiter“ hat ja ausgedrückt, was man dachte, nämlich dass alle bald wieder weg sein würden. Aber für viele ist nichts davon eingetreten. Deshalb hat man dann erst 1978, also 23 Jahre nach Ankunft der ersten Gastarbeiter, das Amt der Beauftragten für Integration geschaffen.
Allerdings will ich ‑ auch darüber haben wir anlässlich des 50. Jahrestags gesprochen ‑ sagen: Die Betriebe waren eigentlich der Integrationsmotor und hier auch ganz stark die Gewerkschaften. Wir haben damals Menschen aus der BASF hier gehabt. Herr Hambrecht war damals der Vorstandsvorsitzende. Er hat erzählt, wie er mit italienischen Gastarbeitern zusammengearbeitet hat. Und wie man voneinander gelernt hat. Ich glaube, dass sich die Gewerkschaften um die Rechte auch dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gekümmert haben, war ein ganz, ganz wichtiger Punkt, um sozusagen überhaupt einmal einen Fuß in das gemeinschaftliche Leben und auch in das Betriebsleben mit all seinen Teilhabemöglichkeiten zu bekommen.
2005 habe ich dann gesagt, dass ich gerne möchte, dass diese Integrationsbeauftragte im Kanzleramt als Staatsministerin angesiedelt wird. Weil das eine Querschnittsaufgabe ist, weil das Thema große Bedeutung bekommen muss und weil einfach, wenn hier Veranstaltungen stattfinden ‑ das sage ich einmal ganz klar ‑, nicht nur immer die klassischen Gruppen Eingang finden sollen, sondern auch die, die bei uns leben und die dauerhaft bei uns leben wollen, die aber ihre Wurzeln in einem anderen Land haben, hier Zugang und Möglichkeiten haben sollen.
Wir haben dann natürlich überlegt: Was können wir tun? Es gab damals keine Integrationskurse, keine Sprachkurse; die zivilgesellschaftliche Unterstützung ließ zu wünschen übrig. Als dann viele ihre Familien gründeten und an allen Facetten unseres Lebens teilnahmen, war natürlich klar: Man muss dafür sorgen, dass die Sprache gesprochen werden kann. Und dass auch systematisch an der Frage gearbeitet wird ‑ mit denjenigen, die zu uns gekommen sind, aber auch mit der Gesellschaft, die hier schon länger gelebt hat -: Was bedeutet Integration? Und wie können wir voneinander lernen?
Deshalb gibt es heute Integrations- und Beratungsangebote. Es gibt den Nationalen Integrationsplan mit seinen vier Stufen, den wir in dieser Legislaturperiode durchgegangen sind. Die Vorintegration für viele, die sich auf den Weg nach Deutschland machen, ist dazugekommen, damit man schon einmal einen kleinen Einblick von dem bekommt, was einen hier erwartet. Wir denken ja oft, die einzige Art zu leben sei die, die wir hier bei uns kennen. Das ist aber mitnichten so, und es gibt auch viele andere, sehr schöne Arten zu leben ‑ das erfahren wir ja manchmal ansatzweise, wenn wir unsere Reisen in andere Länder machen.
Durch diese Vorintegration kann man sich auf bürokratische Hürden vorbereiten. Und dann kommt die Phase der Integration, die dann natürlich übergehen soll ‑ darüber haben wir bei den Integrationsdialogen und Integrationstreffen sehr oft gesprochen ‑ in eine Phase der Teilhabe.
Denn die Frage ist: Wie lange muss man, wenn man einen Namen hat, der erkennbar nicht deutschen Ursprungs ist, sich eigentlich integrieren, bevor man integriert ist? Da, finde ich, muss jeder auch die Chance haben, spätestens mit der Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft als Teil dieses Landes angesehen zu werden. Da darf der Name dann keine Rolle mehr spielen.
Inzwischen haben wir, glaube ich, auch mit unserem Fachkräfteeinwanderungsgesetz gezeigt: Auch die klassisch oder lang in Deutschland lebende Gesellschaft hat verstanden, dass wir ein offenes Land sind, dass wir ein Einwanderungsland sind, das dadurch, dass andere für dieses Land mitarbeiten, die vielleicht aus einem anderen Kulturbereich kommen, stärker geworden ist. Dieses Miteinander ist das Ziel der Integration. Integration kann keine Sieben-Generationen-Aufgabe bleiben, die nie abgeschlossen ist, weil man nicht Klaus oder Erika heißt.
Das waren meine Eingangsworte an Sie.