Sehr geehrter Herr Generalsekretär, lieber Tedros,
sehr geehrter Herr Ryan,
sehr geehrter Herr Schwartländer,
sehr geehrter Herr Bundesminister, lieber Jens Spahn,
sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister, lieber Michael Müller,
Exzellenzen,
verehrte Damen und Herren,
ich habe mir bei all den lobenden Worten nebenbei noch gedacht, was alles noch nicht getan ist ‑ damit das alles wieder ins rechte Licht gerückt wird. Aber ich danke trotzdem für die Auszeichnung und für die warmherzigen Worte.
Nicht minder herzlich möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken für die Leistungen, die die Weltgesundheitsorganisation jeden Tag vollbringt. In der Tat war mir die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation immer eine Herzensangelegenheit.
Deswegen freue ich mich ganz besonders, dass wir heute gemeinsam das neue WHO-Büro in Berlin eröffnen, den „Hub“. Ich sage im Namen von vielen in Deutschland ganz herzlich: Willkommen hier bei uns!
Ich finde ‑ das sage ich auch mit ein bisschen Stolz, den auch der Regierende Bürgermeister haben kann und den auch die Bundesregierung hat ‑, dass Berlin ein exzellenter Standort ist. Denn mit der Charité, dem Robert-Koch-Institut, dem Hasso-Plattner-Institut ganz in der Nähe, in Potsdam, und mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben wir hier unglaublich viel Expertise und Vernetzung. Jens Spahn hat darauf hingewiesen: Berlin ist auch eine Start-up-Stadt. Insofern wird es hier an Ideen nicht mangeln.
Ich glaube, dass sich in diesem Zentrum, in diesem Hub, auch unsere Wertschätzung seitens Deutschlands für die Arbeit der WHO ausdrückt.
Der Hub ist aber natürlich keine Sache zwischen Deutschland und der Weltgesundheitsorganisation. Vielmehr geht es ‑ das haben wir in der beeindruckenden Diskussion hier gehört ‑ darum, weltweit Daten zu erheben, zu sammeln und auszuwerten. Die Erkenntnisse dieses Zentrums sollen mit allen Staaten geteilt werden.
Ich finde es sehr symbolisch, dass hier Fabiola Gianotti, die Chefin des CERN, eine Organisation, die sich im wissenschaftlichen Bereich wirklich um Vernetzung weltweit verdient gemacht hat, uns heute auch noch einmal etwas über die Strukturen der Kooperation gesagt hat. Ein bisschen schwieriger wird es, wenn man vom CERN dann in die Richtung der Weltgesundheitsorganisation geht. Weil man ja aus dem Forschungsbereich doch noch etwas heraus muss in die Anwendung. Aber die Grundstruktur beim CERN ‑ das ist ja auch gelebter Multilateralismus ‑ ist sicherlich richtig, um auch diesen Hub aufzusetzen.
Wir wollen bei künftigen Epidemien und Pandemien besser gewappnet sein. Tedros hat eben zitiert, wie wir versucht haben, auf Ebola zu reagieren und wie wir die ersten G20-Gesundheitsministerkonferenzen einberufen haben. Damals war mir aber, ehrlich gesagt, nicht so klar, wie auch uns in Europa einmal eine Pandemie treffen kann. Wir haben damals sozusagen geschaut, dass so etwas nicht nach Europa kommt. Jetzt haben wir es aber durchlebt. Und ich glaube, wir müssen jetzt wirklich neue Lehren ziehen.
Ich freue mich sehr, dass Chikwe ‑ ich sage jetzt einfach Chikwe, weil ich den zweiten Namen so schlecht aussprechen kann ‑ auch eine Brücke zwischen diesem Hub und Afrika sein wird. Ich glaube, in Nigeria ist man nicht so richtig froh, dass er in Richtung Deutschland abzieht. Ich bin aber davon überzeugt, dass Sie gerade uns auch immer wieder aufmerksam machen werden, dass wir die Kontakte in die anderen Kontinente und hier ganz besonders den afrikanischen Kontinent brauchen.
Die COVID-Pandemie hat auch gezeigt, wie viel wir bewirken können, wenn wir unsere Kräfte bündeln. Expertinnen und Experten auf der ganzen Welt haben in einer wirklich beeindruckenden Geschwindigkeit ihr Wissen vergrößert und auch immer wieder geteilt, um das Coronavirus zu entschlüsseln.
Wir waren natürlich als Deutsche ‑ auch das darf ich sagen ‑ ein bisschen stolz, dass der erste PCR-Test hier aus der Charité von Professor Drosten kam, und das bereits Mitte Januar 2020. Auch an der Impfstoffentwicklung haben wir mitgewirkt.
Dass Katalin Karikó hier heute auf dem Podium saß, ist natürlich mehr als ein Symbol. Ich habe mit viel Begeisterung Ihre Lebensgeschichte gelesen. Wir haben ungefähr zur gleichen Zeit unsere Studien abgeschlossen ‑ Sie in Ungarn, ich in der DDR. Dann haben Sie ein ganzes Leben auf etwas verwendet, wo Ihnen manchmal keiner etwas von der Erkenntnis abnahm und gesagt hat: „Das wird wahrscheinlich sowieso nichts.“ Sie haben auf verschlungenen Pfaden durchgehalten, und jetzt konnten wir uns auf eine 30-jährige Vorarbeit von Ihnen und vielen anderen stützen, sodass wir sehr schnell eine Sorte des Impfstoffs hatten. Das ist schon eine beeindruckende Biografie.
Bereits im April 2020 haben wir dann als G20 den ACT-Accelerator gegründet ‑ koordiniert von der Weltgesundheitsorganisation. Das einzig Schwierige an dem Ding ist, dass, glaube ich, außer uns Insidern keiner so richtig weiß, was damit gemeint ist. Damit es auch weiter schwierig bleibt, haben wir dann die Impfsäule innerhalb dieser Struktur COVAX genannt ‑ auch nicht ganz eingängig. COVAX soll Impfstoffe in der Welt verteilen, und ich glaube, das beginnt jetzt auch. Wir müssen da auch wirklich liefern, denn die Impfstoffproduktion muss für alle reichen. Ich hatte verschiedene afrikanische Präsidenten zu Gast ‑ Impfquote in ihren Ländern zwei Prozent. Wenn man daran denkt, dass wir inzwischen unseren Bürgerinnen und Bürgern Angebote machen müssen, den Impfstoff zu nehmen, dann muss man feststellen, dass das schon eine große Ungleichheit ist. Und die müssen wir schnell ausgleichen.
Wir haben mit den afrikanischen Präsidenten natürlich auch über die Impfstoffproduktion gesprochen. Ich habe es ja schon mehrfach gesagt: Ich glaube nicht, dass der Weg ist, jetzt die Patentrechte einfach aufzuheben, sondern ich glaube, dass der Weg ist, Erkenntnisse zu teilen, Teilhabe zu ermöglichen, schnell Lizenzen zu vergeben und vor allen Dingen auf dem afrikanischen Kontinent die Substanz trainierter, ausgebildeter Personen zu verbessern ‑ und damit auch die Fähigkeiten im gesamten pharmazeutischen Bereich. Man muss ja nicht gleich mit mRNA-Impfstoffen anfangen ‑ obwohl man das natürlich auch kann ‑, sondern es gibt ja eine ganz breite Palette von Fähigkeiten, die dort auch angesiedelt sein müssen. Denn wir alle haben erkannt, wie abhängig wir manchmal auch von Lieferketten sind und dass diese Lieferketten dann auch nicht immer funktioniert haben.
Wir müssen also gemeinsam handeln, und wir müssen vor allen Dingen verstehen: Es reicht nicht, wenn ein Land geimpft ist, sondern es müssen alle geimpft sein, damit uns nicht immer wieder neue Mutationen den Weg aus der Pandemie kaputtmachen.
Die Pandemie hat für mich auch bewiesen, wie sehr wir die Weltgesundheitsorganisation brauchen. Sie ist die Instanz für die globale Gesundheit ‑ deshalb muss die Finanzierung auch auf einer soliden und verlässlichen Basis erfolgen ‑, und wir können mithilfe der WHO Gefahren für die öffentliche Gesundheit früh erkennen.
Natürlich müssen alle Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation auch erkennen, dass die Weltgesundheitsorganisation nur so gut sein kann, wie Mitgliedstaaten auch Verantwortung an die Weltgesundheitsorganisation abgeben wollen. Denn was sie nicht wissen, das können sie auch nicht bekämpfen und auch nicht heilen.
Wir brauchen jedenfalls diese Strukturen. Und das nicht nur bei der Pandemiebekämpfung, sondern natürlich auch im gesamten Globalen Aktionsplan ‑ Herr Tedros ist darauf eingegangen. Wir haben ja bei den Vereinten Nationen immer unendlich viele Organisationen, die sich mit ähnlichen Dingen befassen. Es war für mich 2019 schon ein schönes Erlebnis, dass sich 13 Organisationen bereiterklärt haben, nunmehr zusammenzuarbeiten ‑ ob es klappt, müssen wir noch sehen ‑, die Standards anzugleichen, Daten auszutauschen und nicht alles doppelt und dreifach zu machen. Auch das ist ganz wichtig. Ich glaube, dass diese Kooperation notwendig ist. Und ich habe Generalsekretär Guterres, den wir heute ja auch schon gesehen haben, noch einmal nahegelegt, dass wir den Ausbau des Globalen Aktionsplans wirklich voranbringen müssen.
Die Pandemie hat die Erfüllung der Sustainable Development Goals, also der Nachhaltigkeitsziele, bis 2030 jetzt noch schwieriger gemacht. Und es war vorher schon schwierig. Das Ziel „Gesundheit für alle“ ist natürlich eines der Kernziele der Nachhaltigkeitsziele. Deshalb müssen wir hier unser Tempo in den nächsten Jahren noch beschleunigen.
Die Ebolakrise war ein Weckruf. Und sie hat uns damals bewusst gemacht, dass die Dinge auf die Tagesordnung kommen müssen. Sie haben es gesagt: Es ist jetzt schon schneller reagiert worden. Das müssen wir in Zukunft auch noch besser leisten.
Aus meiner Sicht müssen wir vor allem Forscherinnen und Forscher stärker vernetzen. Das Wort „vernetzen“ hat ja hier eine wichtige Rolle gespielt. Wir müssen zweitens Daten sammeln und sie ordnen. Deutschland ist beim Datensammeln nicht immer das einfachste Pflaster; das will ich Ihnen gleich voraussagen. Wenn Sie Schwierigkeiten haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an die Instanzen auf Landes- und Bundesebene. Wir müssen schauen, dass wir da wirklich ein gutes Beispiel abgeben. Natürlich kann der Hub Beratung für viele Länder liefern. Das soll ja auch der Gedanke sein.
Wichtig ist ‑ das ist heute auch in der Podiumsdiskussion klar geworden ‑, dass wir einen Gesamtansatz „One Health“, also „Eine Gesundheit“, fahren. Ich glaube, das ist auch von Sabine Gabrysch und Ilona Kickbusch in Bezug auf die soziale Komponente ganz deutlich geworden. Im Grunde geht es ja so ein bisschen darum, nach der sehr hohen Spezialisierung, die es in den einzelnen Wissenschaftsbereichen gegeben hat, wieder ein wenig zu Humboldt, und zwar zu beiden Humboldts, zurückzukehren. Da die Charité zwar ein großes, eigenständiges Konstrukt ist, aber doch etwas mit der Humboldt-Universität zu tun hat ‑ und zwar nicht zu wenig, sondern ein Teil davon ist ‑, kann man einfach sagen: Das, was Alexander und Wilhelm von Humboldt gelebt haben, muss zusätzlich zu den Disziplinen der Schärfe und der Tiefe heute wieder in unser Denken hineinkommen. Und dazu wollen wir dann auch mit diesem Hub unseren Beitrag leisten.
Ich hoffe, dass wir alle Beiträge sammeln werden, damit Vertrauen in die Arbeit dieses Hubs entsteht. Sie sind darin erfahren, Ihre Leute zu motivieren. Sie haben es so wunderbar dargestellt, nämlich so, dass die Motivation aus dem Glauben an sich selbst kommt, aus dem Glauben an die eigene Kraft und das eigene Schaffen. Das dann zu bündeln, wird gut sein.
Deshalb wünsche ich Ihnen hier eine gute Umgebung ‑ „environment“, wie man immer so schön sagt ‑, damit Sie Ihre volle Kraft für die bessere Gesundheit der Welt und eine bessere Vorbereitung auf zukünftige Krisen, die leider wahrscheinlich kommen werden, einsetzen können.
Danke, dass wir alle heute hier zu diesem Zweck zusammengekommen sind. Das ist ein Stück Hoffnung im manchmal ziemlich schwierigen Zeiten.