Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und Gründer des Weltwirtschaftsforums Prof. Schwab zum Treffen mit einer Unternehmerdelegation des World Economic Forum

Im Wortlaut Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und Gründer des Weltwirtschaftsforums Prof. Schwab zum Treffen mit einer Unternehmerdelegation des World Economic Forum

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Donnerstag, 28. März 2019

Prof. Schwab: Frau Bundeskanzlerin, herzlichen Dank dafür, dass Sie uns heute Abend empfangen. Sie haben hier eine Gruppe von Personen aus der Wirtschaft, sehr gut gemischt, mit Teilnehmern aus der traditionellen Wirtschaft und der Finanzwirtschaft. Aber auch die digitale Wirtschaft ist sehr gut vertreten. Wir alle hier sind natürlich sehr daran interessiert, von Ihnen zu hören, wie Sie die globale und die europäische Situation sehen. Deutschland wird ‑ wir hatten ein Vorgespräch ‑ immer noch als die ruhige Kraft, so würde ich sagen, angesehen und hoffentlich auch ‑ das kam schon in der Vorbesprechung zum Ausdruck ‑ als die gestaltende Kraft nicht nur in Europa, sondern auch in der Welt.

Nochmals ganz herzlichen Dank! Es ist nicht das erste Mal. Es ist jetzt genau zwei Monate her, dass Sie in Davos eine sehr umfassende Rede zur Gestaltung der globalen Architektur gehalten haben. Wenn Sie zurückblicken, sehen Sie, wie sich die Welt doch im Wandel befindet.

Nochmals herzlichen Dank, I would say, on behalf of everybody!

BK'in Merkel: Lieber Herr Schwab, meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir neben dem Weltwirtschaftsforum in Davos, an dem ich auch in diesem Jahr teilgenommen habe, die Tradition fortsetzen können, Unternehmen aus verschiedenen Teilen der Welt, auch, wie Sie sagen, gut gemischt, hier bei uns willkommen zu heißen. Unsere Veranstaltung gliedert sich immer in zwei Teile: zuerst die Diskussion hier und anschließend bei einem Abendessen die Diskussionen an den Tischen, auch mit Vertretern der Bundesregierung. Ich freue mich, dass dann auch einige meiner Kollegen aus dem Kabinett dabei sein werden.

Sie hatten auf dem Davoser Forum in diesem Jahr auch das Thema des Multilateralismus in den Mittelpunkt gestellt, und zwar aus gutem Grund. Denn multilaterale Strukturen sind unter Druck, und es ist immer wieder notwendig, ihnen den entsprechenden Platz einzuräumen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Das heißt allerdings auch, zu akzeptieren, dass sich die Welt wandelt, dass sich Kräfteverhältnisse verschieben und dass man darauf reagiert. Ich nenne als Stichpunkte die Kapitalerhöhung bei der Weltbank, Quotenveränderungen beim Internationalen Währungsfonds und sage, dass natürlich auch Dinge geschehen müssen, auf die wir seit Jahren warten wie eine Reform des UN-Sicherheitsrats oder auch eine Reform der Welthandelsorganisation.

Die Entwicklungen sind nicht neu. Ich denke etwa daran, wie lange Zeit wir schon keine große Welthandelsrunde zu einem erfolgreichen Abschluss geführt und uns dann als zweitbeste Lösung auf bilaterale Handelsabkommen konzentriert haben. Das zeigt ein Stück der Problematik auf, vor der wir stehen. Deshalb freue ich mich, mit Ihnen auch darüber zu diskutieren, wie Sie sich vorstellen, dass sich die Politik einbringen soll, um den Multilateralismus wieder voranzubringen.

Für mich steht außer Frage, dass die gemeinschaftliche Zusammenarbeit einen Mehrwert erbringt gegenüber einer Situation, in der jeder gegen jeden arbeitet. Das bedeutet nicht, dass es keinen Wettbewerb gibt. Wir haben gerade in dieser Woche mit dem französischen Präsidenten, dem Präsidenten der Europäischen Kommission und dem chinesischen Präsidenten darüber gesprochen, dass man sehr wohl weltweite Partner sein kann und gleichzeitig auch Wettbewerber und dass der Wettbewerb auch ein Zeichen einer freien Wirtschaft ist.

Wir sehen, dass wir vor verschiedenen Aufgaben stehen. Die eine ist sozusagen das große Thema der Nachhaltigkeit. Wir leben, denke ich, in einem vom Menschen geprägten Zeitalter, gern Anthropozän genannt. Es ist eine weitgehende Feststellung, dass wir unsere Fußabdrücke für lange erdgeschichtliche Zeiträume als Aktionen des Menschen hinterlassen werden. Wir haben deshalb das Thema der Ressourcenschonung und des nachhaltigen Wirtschaftens auf der Tagesordnung. Wir leben in einem dramatischen technologischen Umbruch, dessen Folgen immer deutlicher werden, beschrieben mit der Digitalisierung und jetzt in der dynamischen Entwicklung, denke ich, vor allen Dingen auch durch die künstliche Intelligenz. Dem Menschen erwächst eine wirkliche Herausforderung, die nicht nur ökonomische Folgewirkungen hat, sondern sicherlich auch der ethischen Begleitung bedarf. Das, was immer Anspruch des Menschen sein muss, dass er sozusagen zum Wohle der Menschen agiert und sich nicht treiben lässt, stellt uns jetzt schon vor eine neue Herausforderung.

Sie haben eben so schön gesagt, Herr Schwab, dass Deutschland noch weiter eine ruhige Kraft bleibt. Wir haben schon den Anspruch, eine Kraft zu sein. Wir überschätzen uns nicht. Wir sind ein Land mit 80 Millionen Einwohnern. Wir wissen, dass Wettbewerber von uns heute über 1 Milliarde Einwohner haben. Hier muss man seine eigene Bedeutung natürlich auch richtig einordnen. Aber wir können einen Beitrag leisten, und wir haben auch eine Pflicht, einen Beitrag zu leisten. Denn manches von dem, was wir mit dem Begriff Anthropozän beschreiben, ist eben auch durch uns ganz wesentlich durch die Phase der Industrialisierung mitgestaltet worden oder mit entstanden.

Insofern wollen wir uns in diese Verantwortung einbringen. Das können wir als Land mit 80 Millionen Einwohnern besser in Europa mit einer gemeinsamen europäischen Wertebasis. Hier haben wir eine ganze Reihe von Herausforderungen zu bestehen, unter anderem auch die, den Austritt eines Landes zu gestalten. Allein mit dem Beschluss zum Austritt ist es noch nicht getan; er muss dann auch vollzogen werden. Das nimmt uns in diesen Tagen natürlich auch sehr in Beschlag.

Insofern freue ich mich auf die Diskussion, die sehr offen sein soll, über die Themen der Gestaltung der Globalisierung, der künstlichen Intelligenz, der innereuropäischen Herausforderungen ‑ wir haben in diesem Jahr die Europawahl ‑ und darüber, wie Sie auf Deutschland blicken und was Sie sich wünschen. Wir spüren, dass die Wachstumsraten im Augenblick geringer sind. Das bedeutet weniger Steuereinnahmen. Das wiederum bedeutet auch, sich noch mehr auf die Dinge zu konzentrieren, die notwendig sind, und das sind sicherlich ganz besonders die Themen Innovation und vieles andere mehr.

Danke an das Weltwirtschaftsforum, dass Sie diese Veranstaltung organisiert haben! Ich freue mich jetzt auf das Gespräch mit Ihnen.

Beitrag teilen