Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und Generalsekretär Guterres am 26. November 2019

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, den Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres ganz herzlich bei uns begrüßen zu können. Lieber António, du bist ein gern gesehener Gast. Wir achten von deutscher Seite deine schwierige, aber trotzdem unglaublich wichtige Arbeit sehr. Wir freuen uns, dass heute das Internet Governance Forum bei uns zu Gast ist, das du eröffnet hast beziehungsweise das wir gemeinsam eröffnet haben, und dass wir diese Gelegenheit nutzen können, um anschließend ein bilaterales Gespräch zu führen.

Die Agenda, über die wir sprechen, ist vielfältig. Ich will einige Punkte nennen, zunächst die Arbeit des UN-Vermittlers Pedersen im Zusammenhang mit dem politischen Prozess in Syrien, die wir unterstützen. Herr Pedersen war jüngst bei mir. Deutschland möchte sich einbringen, wenn es jetzt um den Verfassungskonvent geht. Denn wir brauchen politische Veränderungen in Syrien. Wir brauchen eine Arbeit an einer neuen Verfassung. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass in Syrien eines Tages Bedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen, dass die vielen Flüchtlinge aus Jordanien, aus dem Libanon, aus der Türkei und gegebenenfalls auch aus Deutschland zurückkehren. Heute ist dies nicht der Fall. Deshalb danke ich den Vereinten Nationen für diese Anstrengung.

Ebenfalls von allerallergrößter Bedeutung für die Sicherheit Afrikas, aber auch für das Leben der Menschen in Libyen, ist der libysche Friedensprozess, der durch den UN-Vermittler Salamé gesteuert wird. Zur Unterstützung seiner Arbeit haben wir hier in Berlin zusammen mit dem Auswärtigen Amt Gespräche darüber geführt, und zwar im Augenblick auf hoher Beamtenebene. Wir hoffen, dass wir damit einen Beitrag zu einer politischen Stabilisierung Libyens leisten können. Denn dies ist wiederum von allergrößter Bedeutung dafür, dass wir den Terrorismus in den Sahelstaaten und den Staaten südlich von Libyen eindämmen können. Insofern unterstützen wir die Arbeit der Vereinten Nationen an dieser Stelle sehr gern.

Wir haben das High-Level Panel on Digital Cooperation, das im Zusammenhang mit der Internetarbeit steht. Der Generalsekretär hat ein High-Level Panel eingesetzt, das Empfehlungen für Handlungen gegeben hat. Deutschland wurde gebeten, die Schlussfolgerungen in zwei Handlungsfeldern auszuarbeiten. Dabei geht es um die gewachsenen Strukturen der Verwaltung des Internets, die wir an die heutigen Anforderungen anpassen wollen und sollen. Wir werden diese Arbeit mit großer Leidenschaft durchführen.

Wir wissen, dass sich der UN-Generalsekretär besonders für die Erfüllung der SDG-Ziele 2030 interessiert. Bei der diesjährigen UN-Vollversammlung haben wir die Maßnahmen und den Stand der Dinge diskutiert. Deutschland fühlt sich insbesondere dem SDG-3-Ziel, dem Gesundheitsziel, verpflichtet. Wir haben hierzu an einem Aktionsplan gearbeitet und hoffen, dass wir bei der Umsetzung dieses Plans zum 75-jährigen Gründungsjubiläum der UN sagen können, dass wir hierbei doch ein Stück weitergekommen sind und eine Perspektive haben, die Ziele 2030 zu erreichen.

Wir werden auch über das Klima reden. Denn der Klimaschutz liegt dem Generalsekretär sehr am Herzen. Deutschland hat ein Klimapaket verabschiedet. Wir werden in wenigen Tagen die COP in Madrid haben. Auch hierbei will Deutschland ein tatkräftiger Teilnehmer der internationalen Entwicklung sein. Wir wissen aus allen Berichten, die wir bekommen, dass die Situation besorgniserregend ist. Deshalb muss Deutschland und muss auch Europa handeln. Wir werden versuchen, 2050 der erste CO2-neutrale Kontinent zu sein. Ich unterstütze die Aussage der künftigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aus ganzem Herzen.

Herzlich willkommen! Ich freue mich auf das Gespräch.

GS Guterres: Guten Tag, meine Damen und Herren. Es ist immer eine Freude, die Bundeskanzlerin zu besuchen und hier in Deutschland zu sein. Deutschland hat immer die Vereinten unterstützt und ist eine Säule des Multilateralismus und gegenwärtig eine sehr klare und starke Stimme im Sicherheitsrat. Ich freue mich sehr, dass ich mit der Bundeskanzlerin eine Reihe von Problemen diskutieren kann, die zurzeit auf der Tagesordnung des Sicherheitsrats stehen, so zum Beispiel Syrien und Libyen.

Ich denke, dass die Krise in Syrien schon viel zu lange andauert. Das Leiden der syrischen Bevölkerung ist einfach schockierend. Jetzt, da wir endlich einen Verfassungsausschuss haben, ist es wichtig, dass all diejenigen, die daran teilhaben, dann auch tatsächlich darüber diskutieren, wo das Ganze enden soll und dann auch eine wahre Lösung herbeiführen, die von den Syrern selbst durchgeführt wird.

Zu Libyen kann ich nur sagen, dass ich der Bundeskanzlerin für ihre Initiative sehr dankbar bin. Die Konferenz, die in Berlin vorbereitet wird und die hier auch schon vorbereitet wurde, wird, denke ich, dabei helfen, eine Lösung für Libyen zu finden und dann Bedingungen für einen Waffenstillstand und für einen politischen Prozess zu schaffen, der Libyen Frieden bringen kann. Libyen Frieden zu bringen bedeutet, dass die gesamte Sahelzone ebenfalls stabilisiert wird und dass natürlich auch die Bewegungen der Menschen dort in der Region besser gesteuert werden können.

Wir werden natürlich auch die globalen Herausforderungen wie zum Beispiel die Klimakrise, aber auch die Nachhaltigkeitsziele 2030 diskutieren.

Ich bin heute für das 14. Internet Governance Forum hierhergekommen. Das ist eines der wichtigsten Ereignisse in diesem Jahr für uns. Die digitale Entwicklung gestaltet ja unsere Geschichte. Wir haben jetzt die Möglichkeit, das, was uns das Internet an Vorteilen bringt, zu nutzen, während man die unbeabsichtigten Folgen eindämmt. Diese Entwicklung vollzieht sich so schnell, dass wir, die wir die Politik gestalten, damit Schritt halten müssen. Wir müssen versuchen, Innovationen und weitere Entwicklungen zu ermutigen, aber gleichzeitig auch die möglichen Schäden zu begrenzen.

Diese digitale Kluft, die sich zwischen Männern und Frauen, zwischen Staaten und Regionen eröffnet, müssen wir ebenfalls versuchen zu schließen, denn auch das führt natürlich zu erheblichen Bedrohungen. Ich hoffe, dass das Forum hier in Berlin uns dabei helfen kann, diesen Herausforderungen wirksam zu begegnen.

Am Ende dieser Woche werde ich nach Madrid reisen, wo die Konferenz zum Klimawandel stattfinden wird. Wir befinden uns im Moment in einem Wettbewerb. Wir müssen versuchen, diese Lebenskrise des Klimawandels zu lösen. Das ist ein Kampf, den wir zurzeit – das muss man sagen – nicht gewinnen. Was die Treibhausgase und den Ausstoß an CO2 angeht, haben wir im letzten Jahr eine neue Qualität, ein neues Wachstum erreicht. Das Wachstum des Ausstoßes ist noch nicht einmal verlangsamt worden. Der Bundestag hat vor zehn Tagen einen Gesetzentwurf verabschiedet, in dem es darum geht, dass man diese Emissionen bis 2030 um 55 Prozent begrenzen und die Treibhausgasausstoß bis 2050 entscheidend begrenzen will. Das ist ein unerhört wichtiger Beitrag für die Bekämpfung des Klimawandels.

Ich darf der Bundeskanzlerin und der deutschen Regierung insgesamt für diesen wichtigen Beitrag sehr herzlich danken. Ich hoffe, dass diese Art von Bemühungen dann auch von anderen weiter verfolgt werden und dass sie dieses als Beispiel aufnehmen. Neue Berichte des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zeigen uns, dass wir auch die Ziele des Pariser Abkommens nicht erreichen. Etwa 50 Prozent mehr an fossilen Brennstoffen werden ganz offensichtlich von den Staaten verwendet. Wir müssen ja dieses Zwei-Prozent-Ziel erreichen, was wir nicht können. Die gegenwärtigen Emissionen müssen auf 2,5 Prozent reduziert werden. Das werden wir nicht erreichen können. Diese Kluft ist größer denn je. Wir hoffen, dass viele andere dem Beispiel Deutschlands folgen, das ja vorangegangen ist, um im Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen.

Im Pariser Abkommen sind Ziele vorgegeben worden. Dieses wird für diejenigen, die diese Gelegenheit ergreifen, auch im wirtschaftlichen Bereich große Vorteile bringen. Ich hoffe, dass der Europäische Rat zu dieser Strategie, im Jahr 2050 CO2-Neutralität zu erreichen, einen ganz wichtigen Beitrag leisten wird. Ich bin voll und ganz zuversichtlich, dass die deutsche Präsidentschaft der Europäischen Union gerade in diesem Zusammenhang eine sehr wichtige Rolle spielen wird, um dann auch wirklich die Grundlagen dafür zu legen, dass die COP, die dann in Glasgow stattfinden wird, die Entscheidungen der Länder, die nationalen Klimaziele zu akzeptieren, die auch mit dem allgemeinen Klimaziel in Verbindung zu bringen sind, akzeptiert. Sie haben tatsächlich ein Beispiel für moralische Verantwortung und ein Verantwortungsgefühl für das Schicksal der Welt in diesem Bereich gegeben.

Herzlichen Dank!