Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und der Präsidentin von Estland, Kersti Kaljulaid

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass heute Abend die estnische Staatspräsidentin Kaljulaid bei uns ist. Frau Kaljulaid ist ja schon häufiger in Deutschland gewesen, und als wir uns das letzte Mal - bei der BDI-Tagung, glaube ich - getroffen haben, haben wir verabredet, dass wir einen Abend der Digitalisierung widmen wollen und wir uns einmal ausführlich darstellen lassen wollen, welche Schritte Estland in den letzten Jahren gegangen ist, aber vor allen Dingen auch, wie die estnische Regierung und die estnische Staatspräsidentin, die eine versierte Fachfrau im Bereich der Digitalisierung ist, heute die Situation für uns, aber auch für die Europäische Union sehen. Ich glaube, das ist ein wichtiges Gespräch, gerade auch zu Beginn einer neuen Kommission, die ihre Arbeit aufnehmen wird. Insofern freue ich mich, dass wir heute von dem estnischen Wissen und den estnischen Einschätzungen werden profitieren können.

Bei uns geht es ja vor allen Dingen um die Umsetzung der Digitalagenda, um die Frage der künstlichen Intelligenz, um die Frage, wie wir Daten managen und wie wir auch ethische Leitlinien für den Umgang mit Daten haben, sowie um die Frage, wie wir unsere Verwaltung digitalisieren. Dabei ist Estland uns meilenweit voraus, aber wir wollen diese Digitalisierung der Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger eben auch durchsetzen. Deshalb freue ich mich sehr auf das Gespräch.

Natürlich werden wir am Rande auch die Themen streifen, die uns ansonsten noch interessieren. Wir haben sehr gute bilaterale Beziehungen - darüber brauchen wir nicht lange zu sprechen -, auch im wirtschaftlichen, zivilgesellschaftlichen und politischen Bereich. Da gibt es auch mit der Regierung in Estland eine sehr enge Zusammenarbeit. Ich freue mich, dass uns der estnische Ministerpräsident vor wenigen Tagen mitgeteilt hat, dass Estland jetzt auch das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 verfolgen wird. Das war eine sehr gute Botschaft.

Wir haben aber ein Projekt vor uns, dass für beide Länder von Interesse ist. Deutschland ist ja noch Mitglied im UN-Sicherheitsrat und wird es auch im nächsten Jahr sein, und auch Estland wird als Vertreter der europäischen Gemeinschaft dabei sein. Darüber, wie Estland und Deutschland zusammenarbeiten können und wollen, würden wir heute gerne noch einmal ein wenig sprechen. Ich glaube, die internationale Lage ist aufreibend genug, sodass man dort, wo es gemeinsame Kräfte gibt, die für den Multilateralismus eintreten, diese Gemeinsamkeit durch Aktionen im UN-Sicherheitsrat noch einmal unterstreichen kann.

Alles in allem freue ich mich auf den heutigen Abend und sage herzlich willkommen!

P’in Kaljulaid: Guten Abend! Ich danke Ihnen für die freundlichen Worte, auch, was die bilaterale Zusammenarbeit anbetrifft. Ja, es stimmt: Wir haben hinsichtlich vieler, fast aller wichtigen Fragen doch sehr ähnliche Ansichten.

Ich freue mich auch, dass Estland sich jetzt auch dem Club der Staaten angeschlossen hat, die bis 2050 Klimaneutralität erreichen möchten. Wir müssen heute darüber sprechen, wie wir das europaweit erreichen können. Wir führen natürlich auch im regionalen Bereich Diskussionen über das Thema, wie sich die baltischen Staaten dem zentralen europäischen elektrischen Netzwerk anschließen wollen und wie wir regionale Energieunabhängigkeit auf einem neuen, nachhaltigen Niveau erreichen können, ohne den CO2-Ausstoß zu erhöhen.

Ich danke Ihnen auch dafür, dass Sie unsere bevorstehende Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angesprochen haben. Zum ersten Mal wird mein Land Mitglied im Sicherheitsrat werden, und wir danken der deutschen Seite für ihre Unterstützung, denn diese Unterstützung war von großer Bedeutung. Das gilt auch für den Bereich der Arbeit für Frauen und ihre Rolle im Zusammenhang mit Sicherheitsfragen. Wir werden auch im Sicherheitsrat über diese Fragen diskutieren. Auch die Gefahren im Cyberraum werden zu großen und von allen anerkannten Gefahren. Wir müssen auch erkennen, wie das Völkerrecht im internationalen Raum auch auf diesen Bereich ausgedehnt werden kann. Deutschland und andere ähnlich gesinnte europäische Staaten werden hierbei mit uns zusammenarbeiten, und wir sind sehr dankbar für Ihre Unterstützung auch in diesem Bereich.

Nun zur Frage der Digitalisierung: Ja, das ist ja der eigentliche Anlass für das heutige Abendessen, nämlich über alle digitalen Themen und Fragen zu sprechen, darüber, wie sich das auf die Gesellschaft auswirkt, welche neuen Entwicklungen für die Menschen zu erwarten sind und dass man nicht mehr sozusagen aufs Amt gehen muss, sondern online mit der Regierung und den Ämtern interagieren kann, sowie darüber, was solche Systeme auszeichnet und wie man für Sicherheit im Umgang mit Daten sorgen kann. Wir wissen, dass es weltweit keine hundertprozentig sicheren Systeme gibt. Aber es ist leicht, deutlich zu machen, wie digitale Lösungen sicherer gestaltet werden, damit die Menschen auch Kontrolle über ihre eigenen Informationen haben. Wir haben uns ja darüber gefreut, in den letzten Jahren eine solche Entwicklung in Deutschland feststellen zu können, dafür zu sorgen, dass alle Deutschen in einem einheitlichen digitalen Raum interagieren. Ich glaube, dass wir auch in Estland gemeinsam mit Ihnen analysieren können, wie wir im Interesse unser beider Länder agieren, aber dann auch auf der europäischen Ebene aktiv werden können. Das wird ja eine wichtige Rolle sein, die Sie dann vielleicht auch im Zusammenhang mit Ihrer EU-Präsidentschaft verfolgen werden. Ein E-Gesundheitsmarkt für Europa ist ein Beispiel; da gibt es viele Themen.

Ich freue mich auch auf die Diskussion heute Abend mit Ihnen, und ich danke Ihnen sehr herzlich für die wunderbare Zusammenarbeit mit uns. Ich habe bereits Herrn Schäuble getroffen und mit ihm über eine Reihe von Fragen gesprochen, auch über die Ukraine und viele andere politische Themen. Wir fühlen uns in den Fragen Osteuropas als Partner Deutschlands!