Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und der Ministerpräsidentin der Republik Island, Katrin Jakobsdóttir

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

MP’in Jakobsdóttir: Guten Abend, meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie sehr herzlich hier in Thingvellir. Ich freue mich sehr, hier zu sein, und es ist mir eine große Ehre, heute die Bundeskanzlerin, Frau Angela Merkel, als unseren Gast zu begrüßen. Als ich sie letztes Jahr in Berlin traf, habe ich sie nach Island eingeladen und gedacht, sie werde wahrscheinlich nicht kommen, aber sie sagte: Doch, ich komme, ich möchte die Natur kennenlernen!

Es ist mir persönlich eine große Ehre, dass sie heute hier ist, nicht nur als eine der großen Führungspersönlichkeiten Europas, sondern auch als jemand, der eine wichtige Rolle für uns Frauen in der Politik gespielt hat und spielt. Zunächst einmal möchte ich Ihnen deshalb sehr herzlich danken, Frau Bundeskanzlerin. Ich bin erst seit sehr Kurzem Ministerpräsidentin, seit 18 Monaten, aber ich habe Ihre Solidarität gegenüber anderen weiblichen Politikerinnen gespürt, und ich danke Ihnen dafür.

Wir sind durch Thingvellir gelaufen und hatten zum Glück den Direktor des Nationalparks dabei, der uns die wichtigen Angaben und Informationen übermitteln konnte. Ich konnte auch die Geschichten dazu erzählen. Für uns in Island ist das ein historischer Ort, den ich auch den Ort unseres kollektiven Gedächtnisses nennen möchte. Hiermit verbinden wir alle unsere historischen Erinnerungen. Deshalb finde ich es sehr passend, dass wir uns heute hier getroffen haben.

Ich möchte drei Punkte erwähnen. Dies soll ja nur eine kurze Erklärung sein. Wir werden heute Abend auch keine Fragen beantworten.

Zunächst werden wir uns heute ein bisschen über die politischen Entwicklungen in Europa unterhalten. Die Bundeskanzlerin - das hatte ich ja angesprochen - ist eine der großen Führungspersönlichkeiten in Europa. Sie ist eine Verteidigerin der liberalen Demokratie - auch in einer Zeit, in der wir erleben, dass populistische Bewegungen immer mehr in den Vordergrund drängen. Deshalb ist die Zukunft des Multilateralismus für uns alle in der Politik eine drängende Frage. Wir müssen uns fragen: Wie können wir unsere liberalen Demokratien, die Achtung der Menschenrechte, die Rechte der Minderheiten und die Rechtsstaatlichkeit weiterhin gewährleisten? – Darüber werden wir heute Abend sicherlich auch noch sprechen.

Den Klimawandel möchte ich auch ansprechen. Der Klimawandel ist etwas, das für meine Regierung zu einer politischen Priorität geworden ist. Thingvellir ist auch ein Ort, an dem wir uns in einer Zeremonie zusammenfinden. Wir treffen uns hier und haben uns vor Kurzem - gestern, genau genommen - hier getroffen, um die Tatsache anzuerkennen, dass ein Gletscher verschwunden ist, ein Gletscher gestorben ist. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um Klimakrisen zu verhindern, die wir ja in der Welt zum Teil schon erleben: Überschwemmungen, Dürreperioden und Gletscher, die verschwinden.

Es ist auch wichtig, dass wir uns daran erinnern, dass wir uns bei der Bekämpfung der Klimakrise auch immer wieder vor Augen halten müssen, dass soziale Gerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit und die Achtung der Menschenrechte gewährleistet werden müssen. Der Klimawandel wirkt sich in unterschiedlicher Art und Weise auf alle aus, unabhängig davon, wer sie sind und was sie tun.

Noch eine letzte Anmerkung: Ich möchte auch über Geschlechtergerechtigkeit sprechen. Das ist eine wichtige Priorität, unabhängig davon, worüber wir sprechen, ob es sicherheitspolitische Fragen oder umweltpolitische Fragen sind. Es ist sehr wichtig, dass wir immer Frauen und Männer in gleicher Zahl am Tisch sitzen haben. Island hat hierbei in den vergangenen zehn Jahren eine führende Rolle übernommen. Man darf das nicht als etwas Gegebenes hinnehmen. Wir erleben Rückschläge, wenn es um die Rechte von Frauen geht. Denken Sie doch an die wachsende Bedeutung von populistischen Bewegungen oder den Klimawandel. Das sind alles Bereiche, hinsichtlich denen wir uns vor Augen halten müssen, dass auch hier die Geschlechtergleichheit und -gerechtigkeit eine wichtige Rolle spielt.

Noch ein Letztes- - - Ich bin schon zur Politikerin geworden! Ich sage „mein letzter Punkt“, und das habe ich vorhin schon gesagt. - Aber dieses Treffen ist ein Höhepunkt für die guten Beziehungen zwischen Island und Deutschland. Wir haben über viele Jahre hinweg sehr starke bilaterale Beziehungen gepflegt. Wir haben eine gemeinsame Geschichte, eine gemeinsame Kultur. Wir sind ja alle Mitglieder der Hanse gewesen. Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingen wird, diese schon festen bilateralen Beziehungen und auch die zwischen den nordischen Staaten und der Bundesrepublik Deutschland noch weiter zu vertiefen. Vielen Dank und herzlich willkommen!

BK’in Merkel: Ich möchte mich ganz herzlich bei der Premierministerin, bei Katrin, für die Einladung bedanken. Im vergangenen Jahr haben wir uns in Berlin getroffen, und nach Island zu fahren, ist natürlich immer schon ein Traum gewesen. Dass ich das jetzt mit diesem bilateralen Besuch verbinden kann und dass ich hier eine Premierministerin treffe, die mutig an die Zukunft denkt, das ist für mich eine große Ehre und Freude.

Dass wir an einem so historischen Platz sind, ist natürlich sehr bewegend. Wenn man auf Grund läuft, auf dem vor bereits mehr als 1000 Jahren eine demokratische Versammlung abgehalten wurde und auf dem im Jahre 1000 die Isländer zum Christentum gekommen sind, dann zeigt sich, welche lang zurückliegenden Wurzeln wir haben, aber auch, welche Aufgabe wir vor uns haben, damit in 1000 Jahren auch wieder Menschen hier sein können und sich an das erinnern können, was hier war.

Ich kann diesen bilateralen Besuch - ich freue mich natürlich auch, dass wir heute in diesem privaten Rahmen sind - dann mit der Einladung der Premierministerin verbinden, auch an dem nordischen Treffen teilzuhaben, und auch das ist für mich sehr bewegend.

Wir werden in der Tat, glaube ich, über die drei von Katrin genannten Themen sprechen, so das Thema der Demokratie und auch der Situation innerhalb der Europäischen Union. Wir sind hier an der tektonischen Verbindungsstelle der europäischen Teile mit dem amerikanischen Teil. Wir sehen also, wie verbunden diese Welt ist. Auch wenn die Bergteile in den letzten 9000 Jahren etwas auseinandergewandert sind, so sind sie doch immer noch sehr eng zusammen. Deshalb werden wir natürlich auch über unsere transatlantischen Beziehungen sprechen; denn Island hat natürlich auch sehr enge transatlantische Beziehungen und hat mit dem Marshallplan nach dem Zweiten Weltkrieg, als Island seine Unabhängigkeit erhalten hat, auch vieles der Hilfe der Amerikaner zu verdanken.

Deutschland und Island verbindet viel; ich glaube, in den letzten Jahren - das hat uns der Nationalparkleiter hier noch einmal gesagt - natürlich auch zunehmend Touristen, die die Faszination Islands mit sich bringt, aber auch Studenten. Insofern ist der Austausch nicht nur auf die wirtschaftliche Kooperation ausgerichtet, sondern eben auch auf eine Vielzahl von menschlichen Kontakten.

Wir werden zweitens über das große Thema des Klimawandels sprechen. Island hat sehr ambitionierte Ziele. Es hat natürlich auch seine eigenen, natürlichen Gegebenheiten. Auch Deutschland möchte bis 2050, wenn auch zehn Jahre später als Island, klimaneutral sein, und wir bereiten gerade sehr intensiv weitere Entscheidungen vor. Vom Wandel der Mobilität bis zu den Fragen der Energieerzeugung haben wir, glaube ich, auch gemeinsame Herausforderungen, über die ich heute Abend sehr gerne sprechen würde.

Dann kommt ein dritter Punkt, und das ist in der Tat die Gleichberechtigung von Männern und Frauen oder Frauen und Männern. Wir sind hier in einem Land, das nach dem Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums unter 149 Staaten den Platz eins einnimmt. Deutschland liegt auf Platz 14. Wir müssen also noch nachholen. Gerade in der Wirtschaft, aber auch in der Politik ist es bei uns so, dass die Frauen die Parität noch längst nicht erreicht haben. Insofern werden wir uns auch über diese Themen austauschen.

Bisher war meine Bekanntschaft mit Island neben dem, was ich gelesen habe, darauf beschränkt, dass ich eine Reise von Amerika nach Hause nicht machen konnte, weil der berühmte Vulkan Eyjafjallajökull ausgebrochen war und seine Wucht der Natur gezeigt hat. Ich musste einen Umweg über Portugal und Rom machen und dann mit dem Bus mit vielen Journalisten nach Hause fahren. Das war auch eine schöne Reise. Aber ich erwähne das deshalb, weil wir, glaube ich, am Beispiel Islands noch einmal stärker lernen können, dass der Mensch mit der Natur pfleglich umgehen muss und dass er auch ein Stück Demut gegenüber der Natur zeigen muss. Ich glaube, uns - denen, die wir sind und die wir technisch so vieles können - tut es ganz gut, ab und zu daran erinnert zu werden, welche Kraft, aber auch welche Schönheit die Natur hat. Auch das begründet die deutsch-isländische Freundschaft. Herzlichen Dank, dass ich hier sein darf. Ich freue mich auf die Gespräche!