Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und dem Präsidenten von Costa Rica, Carlos Alvarado Quesada

BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich begrüße heute ganz herzlich den costa-ricanischen Staatspräsidenten Carlos Alvarado Quesada. Bevor ich zu unseren bilateralen Beziehungen komme, möchte ich aus aktuellem Anlass noch etwas zu der gestrigen Europawahl sagen:

Wir sind sehr froh, dass die Wahlbeteiligung doch in vielen europäischen Ländern sehr hoch war und sich damit auch das große Interesse der Menschen für ein geeintes Europa gezeigt hat. 

Wir haben heute innerhalb der Koalitionsspitzen darüber gesprochen, wie wir jetzt weiter vorgehen. Denn morgen findet ja bereits ein außerordentlicher informeller Europäischer Rat statt, auf dem die Diskussion begonnen wird, wie die entsprechenden Positionen in Europa besetzt werden. 

Wir brauchen einen Kommissionspräsidenten. Für die Bestellung dieses Kommissionspräsidenten bedarf es der Kooperation des Europäischen Rates mit dem Europäischen Parlament. Denn der Europäische Rat schlägt mit qualifizierter Mehrheit den Kommissionspräsidenten vor, und das Europäische Parlament muss dann den Kommissionspräsidenten wählen. Da wir unterschiedlichen Parteienfamilien innerhalb der Großen Koalition angehören, ist es wichtig, dass wir uns über das weitere Prozedere verständigen. Beide Parteigruppen, die Union und die Sozialdemokraten, stehen zu dem Konzept des Spitzenkandidaten. Diese Position werden wir auch einbringen. Der Europäische Rat berücksichtigt den Ausgang der Wahl. So steht es im Lissaboner Vertrag. Wir wollen, dass wir möglichst zügig eine Lösung finden. Denn das Europäische Parlament wird ja dann Anfang Juli zusammentreten. Es wäre wünschenswert, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein Vorschlag des Europäischen Rates vorliegen würde und damit die Personalbesetzungen sehr schnell erfolgen können. Denn eins ist auch klar: Wir müssen in der Europäischen Union handlungsfähig sein. Je schneller wir die Entscheidungen treffen, umso besser ist das für die Zukunft, auch wenn die neue Kommission erst später ins Amt kommt.

Soweit also diese Gespräche heute, die in einer sehr guten Atmosphäre stattgefunden haben. Wir werden uns natürlich innerhalb der Koalition auch weiter eng abstimmen.

Meine Damen und Herren, jetzt freue ich mich, dass ich den Präsidenten Costa Ricas heute hier bei uns in Berlin begrüßen darf und er uns besucht. Mit Costa Rica haben wir eine langjährige verlässliche Partnerschaft in Zentralamerika. Costa Rica ist eine gefestigte Demokratie, hat eine offene Wirtschaft und ein ganz beeindruckendes Bekenntnis zur nachhaltigen Entwicklung. Das wird natürlich auch Gegenstand unseres Austauschs heute sein, hier zu hören, wie es in Costa Rica, aber auch in der Region vorangeht.

Wir haben eine sehr enge Zusammenarbeit in allen internationalen Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes und auch bei dem Thema, das uns so sehr bewegt, bei dem Schutz der Biodiversität. Fast 100 Prozent der Stromerzeugung beruhen in Costa Rica bereits auf erneuerbaren Energien. Das ist ein Weg, den wir erst noch Schritt für Schritt beschreiten.

Es gibt sehr viele Gemeinsamkeiten, insbesondere auch das Bekenntnis zur multilateralen Zusammenarbeit. Ich möchte den internationalen Klimaschutz hervorheben und die Sustainable Development Goals, also die Agenda 2030. Dieser Glaube an die multilaterale Zusammenarbeit eint uns auch.

Wir werden natürlich auch über unsere Wirtschaftsbeziehungen sprechen. Es gibt heute bereits mehr als 100 deutsche Unternehmen in Costa Rica. 

Natürlich bin ich auch sehr gespannt, aus dem Munde des Präsidenten Quesada zu hören, wie er die Entwicklung in der Region einschätzt. Denn nicht alle Länder haben ja sozusagen die gleichen politischen Ziele. 

Wir werden sicherlich auch über das Thema Venezuela sprechen und wie wir dort zu einer guten Regelung kommen können.

Costa Rica leistet in Lateinamerika - das will ich bei dieser Gelegenheit noch sagen - Vorbildliches als Aufnahmeland für Flüchtlinge. Es beherbergt mehrere zehntausend Flüchtlinge. Gerade die Länder Venezuela und Nicaragua sind hier Herkunftsländer. Wie wir international den Herausforderungen von Flucht und Vertreibung besser begegnen und die Kooperation mit den Herkunftsländern verbessern können, darüber werden wir auch sprechen. 

Ihnen noch einmal ein herzliches Willkommen! Wir freuen uns sehr, dass Sie uns heute in Deutschland besuchen. 

Präsident Quesada: Sehr herzlichen Dank. Ich möchte der Bundeskanzlerin Frau Merkel und der Bundesregierung für das Willkommen danken, das wir bekommen haben. 1853 gab es einen Schriftwechsel zwischen Alexander von Humboldt und dem damaligen Präsidenten von Costa Rica über die Entwicklung der Vulkane und die Naturschönheiten Costa Ricas. 

Wir möchten genau diesen Kontakt aufgreifen, wenn wir uns heute hier treffen. Beide feiern wir den 70. Jahrestag unserer Verfassung und des Grundgesetzes. Vor 70 Jahren hat Costa Rica entschieden, die Streitkräfte abzuschaffen. Wir glauben an den Frieden, die Menschenrechte und den Multilateralismus. 2018 hat „The Economist“ Costa Rica den 20. Platz bei den gefestigten Demokratien der Welt gegeben. Deutschland nimmt dort als gefestigte Demokratie den 13. Platz ein. 

Wir sind sehr engagiert im Bereich Umwelt, im Bereich Klimaschutz. Im Februar hat meine Regierung eine Dekarbonisierungsstrategie ins Leben gerufen. 2050 möchten wir keine fossilen Brennstoffe mehr in unserer Wirtschaft nutzen. 

Im Elektrizitätsbereich arbeiten wir mit 99 Prozent erneuerbarer Energien. Wasserkraft, Photovoltaik und Windenergie sind die Wesentlichen. 

Wir möchten auch den Verkehr mit erneuerbaren Energien betreiben. Alle Unternehmen sollen auf diese Art und Weise sauber und erneuerbar produzieren. 

Wir wollen auch Gastgeber der Vorkonferenz, der Klimarahmenkonferenz, im Oktober 2019 sein. Die Klimakonferenz selbst findet ja dann in Chile statt. 

Wir sind Kaffeeproduzenten. Ein qualitativ hochwertiger Kaffee wird produziert. Auch das hat etwas mit nachhaltiger Wirtschaft zu tun. 

Hinzu kommt der Tourismus. Mehr als 70 000 Deutsche haben die Naturschönheiten Costa Ricas im letzten Jahr besucht. Außerdem gibt es mehr als 200 multinationale Unternehmen, die in Costa Rica präsent sind, vor allen Dingen im Bereich Technologie und Dienstleistung. Gerade im Medizinbereich sind viele Unternehmen in Costa Rica präsent. Da möchte ich insbesondere auch die deutschen Unternehmen nennen. Wir möchten Hand in Hand mit ihnen arbeiten, um Fachkräfte auszubilden und um gemeinsam mit Deutschland Fortschritte in der Industrie 4.0 zu erreichen, gerade mit Blick auf den Technologiecluster, den es in Costa Rica gibt.

Ich möchte Deutschland herzlich für die Unterstützung danken, die wir in all den Bereichen bekommen. Costa Rica ist ein sehr kleines Land   das würden jetzt einige sagen  , aber 5 Prozent der Weltbiodiversität, der Artenvielfalt, befinden sich in Costa Rica. Das ist wirklich ein hoher Prozentsatz. 

Wir haben uns auch mit der Erfahrung in Deutschland mit der dualen Berufsausbildung befasst. Seit 2015 zählen wir dank der Unterstützung von Bundeskanzlerin Merkel auf ein duales Berufsbildungsprogramm. Wir möchten das weiter vertiefen, um auch zu Zertifizierungen kommen, was die Ausbilder und die Auszubildenden angeht. 

Im Bereich Migration sehen wir Deutschland als großes Referenzland. Es gibt eine Führungskraft in Deutschland. Sie haben die gleichen Werte wie wir in dem Bereich umgesetzt. Wir möchten gern weiter zusammenarbeiten. Es ist richtig, dass die Migrationsströme von Nicaragua und Venezuela in unser Land aufgrund der jeweiligen politischen Situation zugenommen haben. Es geht immer um die Achtung der Menschenrechte. Vor diesem Hintergrund möchten wir mit den Migrationsströmen auch sinnvoll umgehen. 

Wir möchten auch danken, dass Deutschland unseren Eintritt in die OECD unterstützt. Wir hoffen, dass das im nächsten Jahr der Fall sein wird. Ganz herzlichen Dank für diese Unterstützung.

Ich bringe auch noch eine Botschaft der Schülerinnen und Schüler einer Schule in Alajuela. Dort wird auf Deutsch unterrichtet. Sie bringen eine Einladung über mich hierher, um Sie, Frau Bundeskanzlerin, einzuladen, die Schule kennenzulernen und um dafür zu sorgen, dass noch an viel mehr Schulen Deutschunterricht erteilt wird. Wir möchten nämlich gern, dass die Kinder mehrsprachig erzogen werden. 

Wir möchten noch einmal unterstreichen, dass wir für Multilateralismus, Menschenrechte, Klimaschutz und die Verteidigung der Demokratie stehen. Die Zeiten heutzutage, gerade in Bezug auf diese Dinge, sind komplex. Aber wir teilen die gleichen Werte. Wir kommen auch her, um diese strategische Allianz zwischen Deutschland, Europa und Costa Rica - und auch mit Lateinamerika und der Karibik - zu erneuern. Nur gemeinsam können wir voranschreiten und in dieser schwierigen Zeit mutig vorangehen. Wir engagieren uns für nachhaltige Entwicklung, Multilateralismus, Demokratie und Frieden.

Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, sage ich ganz herzlichen Dank für diese Einladung! Alle möchte ich herzlich einladen, Costa Rica zu besuchen. Vielen Dank!

Merkel: Danke schön!