Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Gabriel zum 7. Zukunftsgespräch der Bundeskanzlerin mit Sozialpartnern am 23. Juni 2016

Im Wortlaut Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Gabriel zum 7. Zukunftsgespräch der Bundeskanzlerin mit Sozialpartnern am 23. Juni 2016

Auf Schloss Meseberg

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Donnerstag, 23. Juni 2016

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, wir haben heute das 7. Zukunftsgespräch mit den Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften und auch Gästen dazu.

Wie immer, so geht es auch dieses Mal um Aspekte der zukünftigen Arbeitswelt. Wir wollen uns in diesem Jahr mit einer Rückschau auf das vergangene Jahr befassen. Wir haben damals das Thema der Tarifbindung diskutiert. Wir haben ein Interesse daran, dass es wieder einen höhere Tarifbindung gibt, auch weil dies Regelungen ermöglicht, die näher an der Arbeitswelt sind. Wir überlegen, wie wir eventuell auch durch Gesetzgebung Tarifbindung präferieren können. Dazu werden wir heute reden.

Wir werden über Produktivitätssteigerungen im Arbeitsbereich durch die Digitalisierung reden. Wir werden auch über Lebensqualität und die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger reden. Dabei spielt der Bürgerdialog, den die Bundesregierung durchführt, eine Rolle.

Wir werden auch interessante Einsichten durch Experten bekommen. Professor Wagner spricht über die Frage, was die Menschen bewegt, welche Indikatoren ihnen für ihre eigene, persönliche Lebensqualität wichtig sind. Auch daran muss sich die Arbeitswelt ausrichten. Herr Bornschein wird uns über die Auswirkungen der Digitalisierung auf eine vielleicht etwas unkonventionelle Art berichten. Auch das wird die Diskussion sicherlich beleben.

Zweck eines solchen Zusammentreffens ist es, in freier Diskussion auf die Innovationen, die uns begleiten und denen wir uns stellen müssen, in einer partnerschaftlichen Art und Weise reagieren zu können. Im 40. Jahr der Mitbestimmung ist das, denke ich, genau das richtige Format, um Fragen der Zukunft zu diskutieren.

BM Gabriel: In der Tat haben wir in Deutschland etwas, worum uns viele andere Länder beneiden: Wir haben eine große Tradition der Sozialpartnerschaft. 40 Jahre Mitbestimmung sind ein entscheidender Teil davon.

Man kann das ganz gut messen: In Deutschland wird durch überflüssige Reden bei Grußworten mehr Zeit vertan, als für Streiks aufgewendet wird. Das ist auch ein Ausdruck des sozialen Friedens in unserem Land. Wenn man in Nachbarländer schaut, merkt man, dass das doch ungewöhnlich ist. Wir haben gerade auch in der Krise gelernt, dass es die besondere Stärke Deutschlands ausmacht, dass man bei allen Interessengegensätzen, die es gibt, am Ende das Gemeinwohl in der Rolle der Tarifpartner wiederfindet, aber auch im Umgang mit der Politik.

Das wird immer wieder neu auf die Probe gestellt. Eine der großen Herausforderungen ist es, die Tarifvertragslandschaft zu erhalten. Niemandem ist damit gedient, wenn die Politik immer stärker in Wirtschafts- und Arbeitsprozesse eingreifen muss, wenn die Selbstverwaltung der Sozialpartner nicht funktioniert. Der Mindestlohn ist zwar etwas, was jetzt wichtig ist; aber eigentlich ist es schade, dass man ihn überhaupt braucht. Das liegt daran, dass wir nur noch knapp über 50 Prozent Tarifverträge in Deutschland haben ‑ in Westdeutschland etwas mehr, in Ostdeutschland noch viel weniger ‑ und dass wir uns immer wieder mit der Frage befassen, was man dafür tun kann, dass solche gewachsene Arbeitsbeziehungen, die Verlässlichkeit für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer bringen, auch in der Zukunft bestehen.

Ein großes Thema dabei ist die Frage der Digitalisierung. Wir erleben ohnehin seit Jahren einen sich polarisierenden Arbeitsmarkt mit Menschen, die gut qualifiziert sind, um die sich die Unternehmen reißen, und mit Menschen mit geringeren oder zumindest formal geringeren Qualifikationen, die es schwer haben, Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden. Die Digitalisierung wird das voraussichtlich noch deutlich verschärfen. Es geht gar nicht so sehr um Prognosen darüber, wie viele Jobs erhalten bleiben oder neu entstehen. Bei den Zahlen, die dazu durch die Gegend geistern, ist auch viel Vorsicht angebracht. Aber die Polarisierung findet in jedem Fall statt.

Wie schaffen wir es, zu verhindern dass dies die Gesellschaft weiter polarisiert? Dahinter steckt letztlich die Frage: Haben wir eine Gesellschaft, in der alle miteinander ein gutes Leben, ein gutes Auskommen finden, oder führt die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt dazu, dass es für einen Teil besser und für den anderen Teil schlechter wird?

Das alles steht im Mittelpunkt der Gespräche - und dabei natürlich immer auch die Rolle der Sozialpartner. Für uns ist sicherlich auch die Frage der Lohngerechtigkeit ein Thema - ein in der Koalition noch nicht gelöstes, aber hoffentlich zu lösendes Thema. Denn wir wissen, dass wir in Deutschland unterschiedliche Löhne für gleiche Arbeit bei Männern und Frauen haben - mit unterschiedlichen Gründen, warum es dazu kommt. Manchmal beginnt es in der Ausbildung: die einen in der Schule ‑ ohne Ausbildungsvertrag, ohne Ausbildungsvergütung, meistens Frauenberufe ‑, die anderen in der Industrie ‑ mit Ausbildungsvergütung und Ausbildungsvertrag. Es gibt Lohnungerechtigkeiten in Unternehmen.

Wir wollen auch darüber reden, wie wir das beseitigen können, und die Sozialpartner fragen, was sie dazu sagen. Denn klar ist: Es darf nicht dabei bleiben. Ich habe mich schon ein bisschen gewundert, dass wir in Deutschland Bürgerinitiativen ‑ Campact zum Beispiel ‑ zu jedem Thema haben. Eigentlich müsste man so etwas auch zum Thema Lohngleichheit haben. Denn es ist einem modernen Land wie Deutschland nicht angemessen, Frauen und Männer für die gleiche Arbeit unterschiedlich zu bezahlen. Auch da wollen wir die Sozialpartner fragen, wie sie unsere Ideen dazu, aber auch die Sache selber bewerten.

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