Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel zur Übergabe des Jahresgutachtens 2020/2021 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung am 11. November 2020

Im Wortlaut Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel zur Übergabe des Jahresgutachtens 2020/2021 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung am 11. November 2020

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Mittwoch, 11. November 2020

BK’in Merkel: Herzlichen Dank, Herr Professor Feld, für die Übergabe des Gutachtens, dieses Mal in dieser besonderen Weise. Ich möchte mich auch ganz herzlich für die Arbeit, die darin steckt, bedanken und möchte jetzt die beiden neuen Mitglieder des Sachverständigenrates, Frau Professor Schnitzer und Frau Grimm, noch einmal ganz herzlich begrüßen. Sie waren noch nicht physisch dabei. Normalerweise hätten wir jetzt ein Mittagessen oder so etwas gemacht. Das entfällt. Ich hoffe, Sie haben andere Möglichkeiten der Nahrungsaufnahme. Wir werden aber versuchen, das persönliche Gespräch so schnell wie möglich nachzuholen.

Ich vermute, auch für Sie bedeutet die Pandemie eine ganz besondere Situation. Wir müssen uns immer wieder vor Augen führen, dass wir es mit etwas zu tun haben, was es in diesem Maße vor hundert Jahren das letzte Mal in Deutschland gab. Eigentlich sind unsere Gesellschaften gar nicht mehr darauf eingestellt, Dingen zu begegnen, gegen die man nicht sofort ein Mittel in der Hand zu haben versucht. Glücklicherweise ist es so, dass wir, wenn wir Abstand halten und uns nicht zu viel persönlich sehen, der Weiterverbreitung dieses Virus schaden. Wir sind dann kein netter Wirt, sondern ein Wirt, der dieses Virus loswerden will. Ich denke, das eint uns.

Sie haben bereits im März Ihr Sondergutachten gemacht, in dem Sie auf die Pandemie eingegangen sind. Wie es auch bei der Spanischen Grippe der Fall war, muss man jetzt davon ausgehen, dass die zweite Welle härter ist. Sie fällt vor allen Dingen in eine schlechtere Jahreszeit, nämlich in die Wintermonate. Das heißt, dass sie uns noch den ganzen Winter über beschäftigen wird. Auch wenn wir jetzt positive Botschaften bezüglich der Entwicklung von Impfstoffen haben, so wird sich das in den Wintermonaten noch nicht in gravierendem Maße niederschlagen. Das heißt, dass wir unsere Vorsichtsmaßnahmen noch weiter einhalten müssen werden.

Wir sehen, dass sich die Situation wirklich monatlich geändert hat. Im Sommer hatten wir sehr viel Hoffnung. Wir hatten ein recht gutes zweites Quartal. Aber die Zeit jetzt ist natürlich wieder etwas restriktiver.

Ich bin Ihnen dankbar für die Einschätzung, dass wir die Krise nur gemeinsam bewältigen können. Ich darf auch sagen, dass die übergroße Zahl der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands dieses Verständnis teilt und wirklich lebt. Das ist eine sehr erfreuliche Erfahrung.

Ich freue mich, dass Sie, die Sie normalerweise nicht dafür bekannt sind, jede staatsinterventionistische Maßnahme zu preisen, in diesem Falle unser Handeln in vielen Bereichen doch für richtig halten; denn auch die Kurzarbeit ist unserer Meinung nach ein Grund dafür, dass wir bisher glimpflich durch die Krise gekommen sind. Natürlich machen Sie ‑ das wundert mich nicht ‑ auch Anregungen, was wir weiter im Augen behalten sollten und wo man vielleicht noch stärker handeln kann. Ein Beispiel ist da der steuerliche Verlustrücktrag, der sicherlich auch weiter im politischen Raum diskutiert wird.

Sie machen aber auch Vorschläge über diese aktuelle Situation hinaus, nämlich dafür, wie Deutschland und Europa langfristig mehr Wachstum und Wohlstand für die Bürger erreichen können. Wir hoffen, dass wir jetzt sehr schnell nicht nur die mittelfristige finanzielle Vorausschau für die nächsten sieben Jahre auf europäischer Ebene verabschieden können, sondern auch den Recovery Fund oder den Aufbau- und Resilienzplan.

Wenn man über diese pandemische Zeit hinausblickt, ist für die Zukunft natürlich auch ganz wichtig, dass wir unsere Instrumente auch wieder so nutzen, wie sie gedacht waren. Wir haben jetzt gesehen, dass die Schuldenbremse flexibel genug ist, um mit den Dingen umzugehen. Sie ist aber eben weiterhin im Grundgesetz und muss auch Leitschnur für die zukünftigen Jahre bleiben.

Sie haben in Ihrem Gutachten auch dem Thema Energiewende gebührenden Raum eingeräumt. Das begrüßen wir sehr, und wir glauben auch, dass wir schrittweise die Stärkung der Marktmechanismen voranbringen müssen. Insofern stimmen wir auch da mit Ihnen überein.

Wir werden uns das alles jetzt natürlich sehr gut ansehen. Wir werden manche Empfehlung umsetzen, manches vielleicht auch nicht sofort ‑ das sind Sie aus den Jahren auch schon ein bisschen gewöhnt. Das Gutachten ist für uns aber eine wichtige Anregung in einer Zeit, in der wir ja sozusagen auch Grund unter den Füßen brauchen, aber mit ganz neuen Phänomenen umgehen müssen.

Insofern fühlen wir uns mit Ihrem Gutachten jetzt gut aufgehoben und in die Grundrichtung geleitet. Deshalb ganz herzlichen Dank für diese Arbeit und danke für das, was da geleistet wurde ‑ und zwar nicht nur an die Mitglieder des Sachverständigenrates, sondern auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ja einen beträchtlichen Teil dazu beigetragen haben. Herzlichen Dank!

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