Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel im Rahmen des Dialogs mit der Land- und Forstwirtschaft

Ich begrüße Sie alle ganz herzlich hier in unserem Internationalen Konferenzsaal. Sie sehen, dass sich dort oben Dolmetscherkabinen befinden. Ich denke, wir verstehen uns und sprechen alle die deutsche Sprache. Wir haben vielleicht zu manchen Themen unterschiedliche Meinungen, aber im Grundsatz brauchen wir keine Übersetzer.

Ich begrüße Sie von den verschiedenen Organisationen der Landwirtschaft ganz herzlich. Ich begrüße unter uns auch Kollegen aus dem Deutschen Bundestag, nämlich aus den die Koalition tragenden Fraktionen. Man hat Sie etwas auseinandergesetzt, rechts von mir die SPD, links von mir die Union. Was das nun wieder bedeutet, weiß ich nicht. Aber auf jeden Fall wollen wir das eng miteinander verzahnen. Die Landwirtschaftsministerin kennen Sie. Weil es sich um eine wichtige Veranstaltung handelt, ist heute auch der Chef des Kanzleramtes mit dabei.

Ich habe Sie eingeladen, weil mir dieser Dialog sehr, sehr wichtig ist. Ich habe beobachtet, dass wir in der vergangenen Woche die größte Demonstration hatten, die es seit Langem oder ‑ ich weiß es nicht ganz genau ‑ überhaupt je in Berlin gegeben hat. Da Sie alle gern Trecker fahren, aber nicht unbedingt Hunderte von Kilometern, hat das auf jeden Fall gezeigt, dass es etwas Wichtiges gibt, was Sie zum Ausdruck bringen wollten.

Wir wissen, dass Sie aus verschiedenen Gründen unter großem Druck stehen. Die internationalen Entwicklungen sind zum Teil schwierig. Aber auch national wachsen die Herausforderungen.

Mir ist wichtig ‑ das ist auch der Grund der Einladung ‑, deutlich zu machen, dass sich die Welt verändert, dass wir in vielen Bereichen neue Antworten finden müssen. Das wollen wir aber mit Ihnen machen und nicht gegen Sie. Vor allen Dingen will ich mit dieser Einladung auch zum Ausdruck bringen, dass Sie ein ganz wichtiger Teil der Gesellschaft sind. Denn landwirtschaftliche Tätigkeit ist Teil unserer Kultur, unserer Tradition und unserer Identität. Sie soll ökonomisch leistungsfähig sein, sie soll ökologisch sein, sie soll regional sein, und die Tendenz heißt ja auch: Wir wollen regionale Produkte haben. Wir wollen zu Hause Landwirtschaft haben.

Das bedeutet, dass Sie eine Zukunft haben müssen. Ich verstehe, dass manche Diskussion für Sie ziemlich schwer erträglich ist, weil sie zum Teil nicht von besonders viel Sachkunde geprägt ist. Die Menschen, die selbst in der Landwirtschaft arbeiten, wissen, wie die Natur ist. Sie wissen, wie die Gegebenheiten sind. Gleichzeitig sehen Sie sich zum Teil auch nicht in ausreichender Weise respektiert. Diese Veranstaltung bedeutet zunächst einmal großen Respekt für Ihre Arbeit, die schwierig und großem Wandel unterworfen ist.

Wo sitzt Familie Trede? Dort hinten hat man Sie hingesetzt. ‑ Ich habe zum Beispiel diesen Milchbetrieb in Schleswig-Holstein selbst besucht und mich dabei auch davon überzeugen können, welche große Technik heute Anwendung findet. Das gilt ja für die Feldwirtschaft genauso.

Wir haben verschiedene Befunde. Auf der einen Seite haben wir für Sie zum Teil hohe Auflagen. Auf der anderen Seite haben wir ein dramatisches Problem bei der Artenvielfalt. Ich sage ausdrücklich, dass wir nicht der Meinung sind, Sie seien die einzigen Verursacher dessen, was sich in der Natur ändert. Aber Sie sind natürlich Teil des Gesamtsystems.

Deshalb müssen wir schauen, wie wir die verschiedenen Bereiche zusammenbringen und gute neue Wege finden, die Ihnen eine Zukunft und Berechenbarkeit geben. In Gesprächen mit Landwirten, gerade aus dem Bundesland, aus dem ich komme, aus Mecklenburg-Vorpommern, höre ich oft, dass sie überhaupt keine Berechenbarkeit für Ihre Zukunftsplanungen mehr sehen. Jetzt waren ja auch sehr viele junge Bauern mit auf der Straße, die im Grunde deutlich gemacht haben, dass sie Landwirte sein wollen, dass sie aber wissen müssen, wohin es geht.

Sie sind ein Wirtschaftszweig. Deshalb müssen Sie natürlich auch rentabel wirtschaften können. Ansonsten ist das Ganze nicht möglich. Deshalb höre ich auch immer wieder die Stimmen, die sagen: Wir sind durchaus dazu bereit, uns zu wandeln. Wir sind bereit, neue Wege zu gehen. Aber man muss das Ganze finanziell überstehen können und auf diesem Weg eben auch Geld verdienen können. ‑ Das ist mehr als richtig, zumal viele Menschen, denke ich, aus eigenem Erleben gar nicht mehr ganz genau einschätzen können, wie Ihre Arbeitsbedingungen sind. Sie leben mit der Natur und in der Natur. Wenn andere schon fröhlich ihren Feierabend genießen oder im Sommer am Badesee sind, dann sitzen Sie auf dem Mähdrescher oder stehen im Stall und arbeiten, und zwar rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr. Wenn es um Tiere geht, kann man diese ja nicht einfach im Stich lassen. Schon das unterscheidet Ihre Arbeit von der anderer.

Sie selbst spüren auch den Klimawandel. Wir haben in den letzten Jahren Extremwetterereignisse gehabt. Wenn man sich das über die letzten 30 oder 40 Jahre anschaut, dann stellt man fest, dass wir eine Vervielfachung der Extremwetterereignisse haben, ob das jetzt die Dürre war oder ob das wahnsinnige Regenfälle sind, die auch nicht helfen, die Dinge wieder auf eine nachhaltige Bahn zu bringen. Das alles fordert Sie heraus.

Das heißt, wir haben auch ein gemeinsames Anliegen. Sie wollen Artenvielfalt. Sie wollen genauso wie wir, dass wir uns dem Klimawandel stellen. Aber Sie wollen eben, dass man es partnerschaftlich macht und so, dass der Berufsstand eine Zukunft hat.

Darüber wollen wir heute mit Ihnen reden: Erstens über die Stellung der Landwirtschaft in der Gesellschaft. Welche Rolle spielen Sie? Ich will Ihnen vermitteln, dass die Bundesregierung will, dass Sie ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft sind. Zweitens darüber, wie es mit dem Ackerbau der Zukunft und wie es mit der Tierhaltung der Zukunft aussieht.

Das wird heute sicherlich, obwohl wir drei Stunden Zeit haben, nicht die abschließende Sitzung sein können. Deshalb habe ich mich mit der Landwirtschaftsministerin darauf verständigt, dass wir heute verschiedenste Dialogforen besprechen werden, in denen wir miteinander weiterarbeiten. Ich würde Sie im Herbst nächsten Jahres gern wieder in dieser Runde zu einem Gespräch einladen, in dem man dann sagt, wo wir stehen. Wenn es brennt, bin ich auch zwischendurch zu Gesprächen bereit. Es gilt also nicht das Motto: „Einmal hier getroffen und dann nie wieder gesehen“, sondern es soll der Auftakt eines Dialogs sein, den wir gemeinsam führen wollen.