Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel beim EU-Projekttag an Schulen am 3. Mai 2016

BK'in Merkel: Guten Tag. Ich möchte mich zuerst einmal ganz herzlich bei dem Französischen Gymnasium hier in Berlin, bei Frau Steinke, bei Herrn Bourgel und auch beim französischen Botschafter, der heute zum Europatag mitgekommen ist, bedanken. Wir haben hier diskutiert, und ich habe mich über die Geschichte der Schule informiert. Sie ist ein beeindruckendes Beispiel jahrhundertelanger deutsch-französischer Gemeinsamkeit, die heute im 21. Jahrhundert glücklicherweise friedlich und freundschaftlich gelebt werden kann.

Es ist sehr beeindruckend, was die Schülerinnen und Schüler hier lernen, wie selbstverständlich sie in eine Welt eintauchen, in der französischer und deutscher Lehrstoff gemeinsam gelernt werden, wie sie aus der Schule gehen und zwei Sprachen können. Damit können sie sich in Europa ganz anders bewegen, als wenn man nur eine Sprache kann.

Wir haben heute sehr intensiv über die Herausforderungen und Aufgaben gesprochen, vor denen Europa steht. Aus den Fragen der Schülerinnen und Schüler ist auch deutlich geworden, an welchen Stellen sie Sorgen, zum Teil auch berechtigte Sorgen haben. Dabei geht es auch um die Frage, ob wir in der Lage sind, den Aufgaben und Herausforderungen, die uns die Welt stellt, nämlich die Währung, den Euro, und unsere Außengrenzen zu schützen, gerecht zu werden. Ich habe meiner Zuversicht Ausdruck verliehen, dass wir das können - und auch können müssen. Ich habe hier Unterstützung gespürt, weil für die Schülerinnen und Schüler ganz unvorstellbar ist, dass man sich in Europa nicht mehr frei bewegen kann, dass man nicht auch in einem anderen Land studieren und lernen kann. Denn das ist ein großer Schatz, den sie verteidigen möchten. Gleichermaßen können wir unsere Umweltziele, unsere Ziele beim Verbraucherschutz und anderem viel besser vertreten, wenn wir 500 Millionen Europäer sind und wenn nicht jedes Land das für sich alleine tut.

Ich bin sehr beeindruckt davon, was die Schülerinnen und Schüler hier an dieser Schule können. Es ist die Spitze der Leistungskraft. Aber ich habe die Schülerinnen und Schüler auch gebeten, alle diejenigen, die Zweifel an Europa haben, zu ermuntern, Europäer aus anderen Ländern kennenzulernen, mit anderen zu sprechen und in Kontakt zu treten und nicht Vorurteile aufzubauen, wie das zurzeit leider auch häufig der Fall ist.

Frage: Frau Merkel, Europa oder, besser gesagt, weniger Europa ist ja auch ein wichtiges Thema für die AfD. Nun ist von einer neuen Strategie zu hören, die Sie gegenüber der AfD anstreben. Was meinen Sie inhaltlich damit?

BK'in Merkel: Es gibt keinerlei neue Strategie, sondern es gibt die Aufgabe, die noch entschiedener angegangen werden muss, aus uns selber heraus darzustellen, was wir wollen, wohin wir gehen und welche Überzeugungen uns tragen. Mich trägt zum Beispiel die Überzeugung, dass wir Europa stärken müssen, dass wir, wenn wir unsere Ziele im 21. Jahrhundert durchsetzen wollen, dies nicht allein können und dass sich deshalb der Einsatz für Europa lohnt.

Daher gilt diese Strategie weiter, genauso wie die Tatsache, dass wir, wie ich finde, gute Argumente haben, uns mit anderen Meinungen, auch denen der AfD, auseinanderzusetzen, und zwar ohne jeden Schaum vor dem Mund und ohne Pauschalurteile, sondern indem wir Schritt für Schritt sagen, was wir wollen, was unsere Vision eines Europas des 21. Jahrhunderts oder einer NATO des 21. Jahrhunderts ist. Ich denke, dann können wir Menschen auch überzeugen.

Herzlichen Dank.