Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und der Ministerpräsidentin von Norwegen, Erna Solberg

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass meine norwegische Kollegin Erna Solberg heute wieder einmal in Deutschland ist. Wir sehen uns sehr häufig, meistens auf dem internationalen Parkett sozusagen, zuletzt in New York bei der UN-Vollversammlung.

Und wir haben dieses Mal die Möglichkeit, uns zu sprechen, weil heute Nachmittag die Frankfurter Buchmesse eröffnet wird und die Premierministerin dort anwesend sein wird. Und wir freuen uns auch, dass das Kronprinzenpaar da sein wird, und begrüßen alle norwegischen Bürgerinnen und Bürger ganz herzlich als Gastland bei der diesjährigen Buchmesse.

Norwegen hat für diese Buchmesse das Motto: „Der Traum in uns“. Da darf ich sagen, dass für viele Deutsche Norwegen auch der Traum ist, wenn sie eine Reise machen, zum Beispiel in die wunderschönen Fjorde. Aber dieses Motto ist vielleicht auch sehr passend, weil wir in diesen Tagen an 30 Jahre Mauerfall denken und Träume Realität geworden sind in Deutschland, die uns immer noch sehr emotional stimmen.

Norwegen und Deutschland haben eine sehr enge Partnerschaft bilateral. Wir bekommen sehr viel Gas aus Norwegen. Wir arbeiten aber auch bei den regenerativen Energien zusammen, bei den Speichermöglichkeiten. Wir arbeiten zusammen in Brasilien im Amazonien-Fonds. Hier leistet Norwegen einen sehr großen Beitrag. Und wir bemühen uns jetzt gerade auch gemeinsam, die Standards weiter zu halten in den Verhandlungen mit Brasilien.

Wir arbeiten zusammen in der globalen Gesundheitspolitik. Da haben wir jetzt eine langjährige Gemeinschaft. Und wir haben jetzt in New York ja auch gerade den Aktionsplan für das SDG 3, also für das Gesundheitsziel, vorgeschlagen. Und wir arbeiten auch sehr eng zusammen im Klimaschutz.

Wir haben natürlich in unserem Gespräch auch die internationale Lage diskutiert. Norwegen ist Mitglied der NATO genauso wie Deutschland. Und wir haben mit Sorge auf die Situation in der Türkei geblickt. Ich hatte ja schon des Öfteren gesagt, dass diese militärische Aktion gestoppt werden sollte und dass man zu Verhandlungen zurückkehren muss. Und die internationale Lage erfüllt uns natürlich mit Sorge. Da gibt es auch eine sehr gemeinsame Haltung beider Länder.

Deshalb noch einmal herzlichen Dank, dass wir dieses Gespräch heute führen konnten, und alles Gute für den zweiten Teil des Deutschlandaufenthalts dann bei der Eröffnung der Buchmesse.

MP’in Solberg: Herzlichen Dank.
Vielleicht darf ich sagen, dass es für mich sehr schön ist, die Bundeskanzlerin wiederzutreffen. Wir haben uns genau vor einem Jahr getroffen, und Deutschland ist der wichtigste Partner Norwegens hier in Europa. Wir teilen viele Ansichten, viele Interessen in vielen Bereichen. Wir treffen uns auf vielen verschiedenen Ebenen. Handel und Investitionen sind hoch. Unsere Zusammenarbeit wird weiter ausgebaut, zum Beispiel im Bereich der regenerativen Energien, aber auch im Bereich Verteidigung.

Wir haben eine ganze Reihe von bilateralen und internationalen Themen heute besprochen, zum Beispiel Brexit, aber auch Klima, internationalen Handel und die Sicherheitspolitik. Und ich darf unterstreichen, dass ich es immer zu schätzen weiß, dass wir beide uns sehr offen und frei miteinander austauschen können. Wir haben natürlich auch beide unsere Hoffnungen heute ausgetauscht, aber auch vielleicht zum Beispiel einen Teil unserer Träume.

Ich möchte sagen, dass ich der Bundeskanzlerin mein herzlichstes Beileid ausgesprochen habe, was die tragischen Angriffe auf die Synagoge in Halle letzte Woche angeht. Leider Gottes wissen wir in Norwegen nur zu gut, welchen Schaden gewaltsamer Extremismus, vor allen Dingen Rechtsextremismus anrichten kann. Und deswegen müssen wir nachdrücklich gegen diese terroristische Propaganda online auch vorgehen. Und wir müssen natürlich auch die Wurzel dieses Problems angehen, dieses rechtsextremen, gewalttätigen Extremismus.
Wenn diese Attacken aus dem rechten Lager kommen, aus dem rechtsextremistischen Lager auf unserem eigenen Territorium, müssen wir eben auch ein ganz besonderes Augenmerk darauf richten. Und wir stehen hier Seite an Seite mit den Deutschen, für die Werte treten wir ein, die wir als offene und freie Gesellschaften hochhalten.

Wie die Bundeskanzlerin schon gesagt hat, eröffnet heute die Frankfurter Buchmesse ganz offiziell. Dieses Mal ist Norwegen in der Tat das Gastland. Das Motto ist: „Der Traum in uns“. Und ich denke, man kann sagen, dass die Politik und die Literatur etwas ist, das uns verbindet. Wir fühlen uns hier als Freunde. Und es ist natürlich auch unser größtes kulturelles Projekt. Wir sind auf diese Weise in die Lage versetzt, einmal der Welt die norwegische Kultur und Literatur zu zeigen, vielleicht viel mehr, als wir das in der Vergangenheit konnten. Deswegen freue ich mich sehr, dass ich an der Buchmesse teilnehmen kann und dass wir hier eine Mischung sehen aus deutscher und norwegischer Kultur.

Frage: Meine Frage zielt ab auf die Lage im nördlichen Syrien. Der Generalsekretär der NATO hat ja die Türkei dazu aufgerufen, sich zurückzuhalten, Mäßigung zu üben. Ist es so, dass Deutschland und Norwegen hier eine gemeinsame Haltung haben, die Sie gerne ausdrücken möchten?

BK’in Merkel: Ich habe von meiner Seite aus schon gesagt, dass wir glauben, dass bei allen berechtigten Sicherheitsinteressen diese Offensive beendet werden sollte, weil sie erkennbar sehr viel menschliches Leid mit sich bringt und auch im Blick auf den Kampf gegen den IS sehr viel Unsicherheit. Das ist jedenfalls die deutsche Position und die norwegische Premierministerin wird ihre ausdrücken.

MP’in Solberg: Norwegen schließt sich der EU und auch Deutschland an. Wir verurteilen diese militärischen Operationen der Türkei in Syrien. Wir machen uns sehr große Sorgen über die sich sehr stark verschlimmernde humanitäre Situation in der Region. Und wir rufen die Türkei dazu auf, diese Operation so schnell wie möglich zu beenden und das Völkerrecht zu respektieren. Ich denke, das ist die wichtigste Nachricht und Botschaft, die wir aussenden können: Sie sollten die Kämpfe beenden.

Frage: Zum Brexit: Wie groß sehen Sie die Chancen, dass diese Woche noch eine Einigung mit Großbritannien erreicht werden kann, auch auf dem EU-Gipfel? Oder bereiten Sie sich eigentlich schon auf eine weitere Verschiebung des Austrittsdatums vor? Und eine Nachfrage zu der Frage des norwegischen Kollegen, sind Sie beide - weil Sie ja darüber gesprochen hatten - dafür, dass es für die Türkei auch innerhalb der NATO, also nicht nur von der EU, Konsequenzen für das Vorgehen in Nordsyrien geben sollte?

BK’in Merkel: Ich glaube, die Konsequenzen, die die EU gezogen hat, sind gestern wichtig gewesen und ich freue mich auch, dass es da eine Einigkeit gab. Und sicherlich wird das Thema jetzt auch in der NATO besprochen. Da sind ja wieder andere Länder dabei und es ist natürlich wünschenswert, dass alle Länder, auch die in der NATO sind, ähnliche Schlussfolgerungen haben. Aber das hat sich jetzt ja gezeigt, dass zum Beispiel die norwegische Ministerpräsidentin in die gleiche Richtung geantwortet hat.

Was den Austritt Großbritanniens anbelangt, so setzen wir auf das, was an Gesprächen in Brüssel stattfindet. Der Verhandlungsführer Michel Barnier wird uns mit dem Ende des heutigen Tages seine Einschätzung zukommen lassen, und dann werden wir schauen, was das für den Europäischen Rat bedeutet. Und sonst muss weiter gesprochen werden. Aber ich möchte jetzt nicht spekulieren über den Ausgang der Gespräche.

MP’in Solberg: Wir sind der Auffassung, dass es wichtig ist, fest zu bleiben gegenüber der Türkei. Das ist einer der Gründe, weshalb wir auch alle Verkäufe militärischer Ausrüstung an die Türkei sofort beendet haben. Das würde mit unseren Exportregularien auch nicht in Einklang zu bringen sein, obwohl die Türkei natürlich ein NATO-Mitglied ist. Ich glaube ehrlichgesagt, dass es besser ist, die Türkei bleibt in der NATO als außerhalb. Es ist besser, wir haben sie in der Familie. Und wir führen dann auch Gespräche innerhalb der Familie. Das ist, denke ich, besser, als sich so zu verhalten. Wir können uns aber auch nicht so verhalten als ob das nicht geschehen wäre. Und deswegen, denke ich, haben wir ja auch deutlich gemacht wie unsere Haltung ist, dadurch dass wir eben den Verkauf der militärischen Ausrüstung beendet haben.