Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem ungarischen Ministerpräsidenten Orbán

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

MP Orbán: Guten Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn ich zuerst rede. Aber ich denke, die diplomatische Ordnung verlangt es so.

Ich darf die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland recht herzlich und hochachtungsvoll empfangen. Das ungarische Volk respektiert Deutsche nicht nur, sondern es mag sie auch. Eine immense Rolle spielen dabei die in Ungarn lebenden Deutschen. Sie haben sich sehr viel Respekt erkämpft. Auch ihr Teilnehmer war heute Mitglied der Delegation.

Wir haben die Frau Bundeskanzlerin nicht nur als Regierungschefin Deutschlands willkommen geheißen, sondern auch als eine europäische Spitzenpolitikerin, die heute die wichtigste und stärkste Anhängerin der europäischen Einheit ist. Wir haben dargelegt, dass wir die Arbeit sehr schätzen, die von der Frau Bundeskanzlerin im Interesse der europäischen Einheit geleistet wird.

Wir haben einen langen Weg hinter uns. Im Jahr 2010 war ich nach den damaligen Wahlen zu einem offiziellen Besuch bei der Frau Bundeskanzlerin. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, welchen Satz sie damals aussprach. Das war ein starker und deutlicher Satz, der lautete: Jeder muss die Hausaufgaben machen. - Für ungarische Ohren war das damals ein besonders sensibler Satz; denn es war ja nicht Ungarn, sondern Griechenland war finanziell zusammengebrochen. Aus dieser Situation heraus galt es für uns die Hausaufgaben zu machen. Ungarn hat seitdem einen langen Weg hinter sich gebracht.

In Europa hat die ungarische Wirtschaft im vergangenen Jahr die drittgrößte Wachstumsrate aufweisen können. Selbst auf europäischer Ebene betrachtet ist unser Budget beispielhaft. Die Workfare-Wirtschaft wurde geschaffen. Wir hatten im vergangenen Monat eine Beschäftigungsrate, die seit 22 Jahren nicht so hoch war. Seit 1992 gab es nicht mehr so viele Arbeitnehmer in Ungarn wie heute. Deutsche Unternehmen spielen hierbei eine große Rolle. Auch dafür haben wir uns bei Frau Bundeskanzlerin Merkel bedankt.

Es sind 6.000 deutsche Unternehmen in Ungarn tätig. Sie haben 300.000 Arbeitsplätze geschaffen. Allein seit dem Jahr 2010 sind 6 Milliarden Euro Direktinvestitionen aus Deutschland nach Ungarn geflossen. Das sind 25 Prozent aller ausländischen Investitionen in Ungarn. 25 Prozent des Außenhandels gehen nach Deutschland. 2013 und 2014 haben wir Rekorde eingefahren. Die ungarischen Ausfuhren nach Deutschland lagen bei über 21 Milliarden Euro. Ich kann der Frau Bundeskanzlerin nur sagen: Danke Deutschland!

Wir haben auch schon früher gewusst, dass Deutschland untrennbarer Teil der ungarischen Geschichte ist. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die wir in den vergangenen Jahren gestalten konnten, ist ein Beweis dafür, dass Deutschland Teil der ungarischen Gegenwart ist und auch Teil der ungarischen Zukunft werden wird.

Wir haben natürlich auch die wichtigsten Probleme Europas behandelt. Wir sprachen über die Krise in Russland und in der Ukraine, und wir sprachen über Fragen der Energie.

An dieser Stelle möchte ich den Standpunkt der ungarischen Regierung zur russisch-ukrainischen Krise darlegen, so wie ich das auch im Laufe der Verhandlungen gemacht habe. Es gibt drei Aspekte, weshalb der russisch-ukrainische Konflikt den Ungarn wirklich nahegeht: Es handelt sich um ein Nachbarland. Gas kommt über die Ukraine nach Ungarn. Ohne Gas funktionieren die ungarische Wirtschaft und auch die ungarischen Haushalte nicht. 200.000 Ungarn leben auf dem Staatsgebiet der Ukraine. Daraus folgt, dass wir Ungarn nur auf der Seite des Friedens stehen können und wollen. Das heißt, wir können nur eine solche Lösung akzeptieren, die in Richtung Frieden führt. Wir können keine Lösung unterstützen, die die Konflikte vertieft. Das ist die felsenfeste ungarische außenpolitische Position.

Erwähnt haben wir auch noch den Plan für eine Eurasische Union.

Ich habe der Frau Bundeskanzlerin gesagt, dass wir die Gedanken, die wir von der Bundesrepublik Deutschland kennenlernen durften, von der ungarischen Regierung, von der ungarischen Außenpolitik und von der ungarischen Wirtschafts- und Handelspolitik auch künftig gern unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich nochmals bei der Frau Bundeskanzlerin dafür bedanken, dass sie uns mit ihrem Besuch die Ehre gegeben hat.

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren! Ich möchte mich recht herzlich für den freundschaftlichen Empfang hier bei meinem Besuch in Budapest bedanken. Wir sind ja sehr oft im Gespräch, ob bei den Europäischen Räten oder auf internationalen Konferenzen. Ich freue mich heute ganz besonders darüber, wieder einmal in Budapest zu sein - das auch ganz besonders, weil die Jahre 2014 und 2015 für uns in Deutschland sehr eng mit der Erinnerung an das verbunden sind, was vor 25 Jahren passiert ist. Wir sind dem ungarischen Volk ganz besonders dankbar, dass es damals die Möglichkeit eröffnet hat, die Grenze zu Österreich zu öffnen und damit einen wichtigen Eckpfeiler des Weges zur deutschen Einigung zu setzen. Deutschland und Ungarn haben die freiheitliche Entwicklung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, nach dem Ende des Kalten Krieges als Nation jeweils mit großer Begeisterung aufgenommen. Wir sind heute in Freundschaft und in demokratischen Gesellschaftsordnungen miteinander verbunden.

Wir haben über die wirtschaftliche Situation und auch über das Engagement der deutschen Wirtschaft gesprochen. Ich glaube, dass die makroökonomische Entwicklung Ungarns in den letzten Jahren erfolgreiche Kennzahlen aufweisen kann. Der Ministerpräsident hat dies gesagt. Die deutsche Wirtschaft ist froh darüber, dazu einen Beitrag zu leisten. Die Handelsbeziehungen sind sehr intensiv. Ich werde nachher im Gespräch mit der deutschen Wirtschaft noch einmal darüber reden, was die guten Seiten sind, aber auch darüber, wo es vielleicht noch Kritikpunkte gibt. Allgemein kann ich sagen, dass es die deutsche Wirtschaft, wo immer sie auf der Welt investiert, sehr schätzt, wenn sie verlässliche Rahmenbedingungen hat. Dann, glaube ich, ist sie auch ein sehr treuer Investor. Ich glaube, dass viele Arbeitsplätze hier in Ungarn auch von deutschen Investitionen geschaffen wurden und dass sich dies möglichst weiterhin so entwickeln soll, weil das auch gut für Ungarn insgesamt ist.

Wir haben darüber gesprochen, wie sich unsere Zivilgesellschaften entwickeln. Ich habe darauf hingewiesen, dass auch wenn man eine sehr breite Mehrheit hat, wie sie der ungarische Ministerpräsident hat, es in einer Demokratie sehr wichtig ist, die Rolle der Opposition, die Rolle der Zivilgesellschaft und die Rolle der Medien zu schätzen. Unsere Gesellschaften leben davon, dass sie im Wettstreit miteinander um den besten Weg ringen, und ich glaube, dass dies auch für Ungarn ein wichtiges Modell ist. Ich werde heute auch noch einige Termine haben, bei denen ich gerade auch die zivilgesellschaftlichen Kräfte treffen kann, jedenfalls zum Teil.

Wir haben dann über die europäischen Herausforderungen gesprochen. Die Energiepolitik ist vom Ministerpräsidenten schon erwähnt worden. Hierbei geht es darum, dass wir natürlich gerade im Ukraine-Russland-Konflikt der Ukraine helfen. Viktor Orbán hat darauf hingewiesen, dass Ungarn Nachbarland der Ukraine ist, und wir sind sehr dankbar, dass Ungarn die Ukraine durch den „reverse flow“ auch immer wieder unterstützt hat. Gleichzeitig hat Ungarn wie andere Länder auch - im Übrigen auch Deutschland - eine durchaus qualitativ sehr hohe Abhängigkeit von russischen Energielieferungen. Insofern wollen wir hier Berechenbarkeit, natürlich auch Fairness im Handel sowie Verlässlichkeit, und darum werden wir uns auch jeweils gemeinsam bemühen. Aber gleichzeitig werden wir auch in der europäischen Politik darauf achten, dass wir unsere Energiebezugsquellen diversifizieren. Das setzt allerdings voraus, dass Europa auch wirklich einen Energiemarkt bildet, dass wir Verbindungen haben, dass wir Interkonnektoren und gemeinsame Pipelines haben und dass wir den „reverse flow“ in die verschiedenen Richtungen auch durchführen können. Ich glaube, Ungarn hat sich - von South Stream bis hin zu Nabucco - immer dafür eingesetzt, dass solche diversifizierten Energiequellen zur Verfügung stehen. Viele dieser Pläne haben sich nicht realisieren lassen, und deshalb müssen wir weiter an diesem gemeinsamen europäischen Energiemarkt arbeiten.

Wir waren uns einig, dass wir im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland darauf setzen müssen, möglichst schnell einen Waffenstillstand hinzubekommen, und dass das Minsker Abkommen ein guter Ausgangspunkt dafür ist, dass wieder ein stabiler Zustand erreicht werden kann, bei dem die territoriale Integrität der Ukraine gesichert ist. Deutschland wird weiter daran arbeiten, zusammen mit allen anderen europäischen Ländern. Ein hohes Gut ist die europäische Einigkeit bei allen Beschlüssen, die wir gefasst haben - selbst wenn die Ausgangspositionen durchaus etwas unterschiedlich waren. Europa ist immer dann stark - ich glaube, darüber sind wir uns einig -, wenn wir in unserem Vorgehen auch bezüglich aller internationalen Herausforderungen gemeinsam auftreten.

Noch einmal ein Dankeschön für den freundschaftlichen Empfang, und auf weitere gute Zusammenarbeit!

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Ministerpräsident, wurde das Thema der eurasischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Laufe der Gespräche angeschnitten?

BK’in Merkel: Ich habe eben nicht darüber gesprochen. Ich habe ja gesagt: Wir brauchen erstens eine friedliche und vor allen Dingen auch faire Lösung mit Blick auf die Ukraine mit Russland. Daran arbeiten wir. Wir haben einerseits Sanktionen verhängt, aber wir haben andererseits gerade auch von deutscher Seite immer wieder gesagt: Wir brauchen diplomatische Anstrengungen, um eine Lösung für diese Krise zu finden. Da ist für mich die Grundlage das Minsker Abkommen.

Gleichzeitig habe ich und haben andere gesagt: Wir sollten auch mit Blick auf die Handelsbeziehungen zwischen der Ukraine und Europa sowie andererseits der Ukraine und Russland immer wieder gucken, dass wir es schaffen, in längerer Frist an einer Wirtschaftsbeziehung zwischen der Eurasischen Union und der Europäischen Union zu arbeiten und uns auf einen gemeinsamen Wirtschaftsraum hinzubewegen. Das ist sicherlich ein längerer Prozess, aber ein Prozess, der doch für beide Seiten von Nutzen sein kann. Deshalb ist dieser Vorschlag einer, dem wir beide zustimmen, so wie der Ministerpräsident das gesagt hat und wie ich das hier gerne wiederhole. Allerdings darf uns das nicht davon wegführen, dass wir im Augenblick noch einen sehr harten Konflikt zwischen Russland und der Europäischen Union über den Umgang mit der Ukraine haben.

MP Orbán: Ich würde dem meinerseits hinzufügen wollen: Wenn man das aus dem strategischen und dem historischen Aspekt betrachtet, dann kann ich mir keine global wettbewerbsfähigere Europäische Union vorstellen, die nicht die Energiequellen und Rohstoffe Russlands implizieren würde. Das heißt, deshalb halten wir den Standpunkt der Frau Bundeskanzlerin für einen vernünftigen Standpunkt. Das dient nicht nur ungarischen, sondern gesamteuropäischen Interessen; denn es geht um die Wettbewerbsfähigkeit Europas in der Zukunft. Diese Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten ist eine existenzielle Frage. Das ist ein europäischer Gedanke, der uns Ungarn besonders willkommen ist, denn das würde etliche unserer Probleme künftig lösen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, die ungarische Regierung hat gesagt, dass sie ihre Außenpolitik an der deutschen Außenpolitik ausrichtet. Wie groß ist die Harmonie? Ist es wirklich so, dass die außenpolitischen Positionen beider Länder weitestgehend übereinstimmen?

Zweite Frage: Es war viel von Frieden, von Waffenstillstand in der Ukraine die Rede, aber können Sie sich vorstellen, dass Deutschland die Ukraine mit Waffen unterstützt, wenn es doch keinen Frieden geben sollte? Diese Frage möchte ich auch an den Herrn Ministerpräsidenten richten: Ist es denkbar, dass Ungarn die Ukraine mit Waffen unterstützen würde, wenn es in absehbarer Zeit keinen Frieden in der Ukraine gibt?

BK’in Merkel: Von meiner Seite aus kann ich sagen: Deutschland wird die Ukraine nicht mit Waffen unterstützen. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Konflikt militärisch nicht gelöst werden kann. Deshalb setzen wir darauf, auf der einen Seite, wenn es notwendig ist, Sanktionen zu verhängen - das haben wir im Übrigen in Europa gemeinsam getan -, und auf der anderen Seite alle diplomatischen Möglichkeiten zu nutzen, um diesen Konflikt durch Gespräche beizulegen oder zumindest zu mildern.

Was die Aussage des ungarischen Ministerpräsidenten anbelangt, man richte sich strategisch an Deutschland aus, so muss das sicherlich - bei aller allgemeinen Aussage - in jedem Fall jedes Land immer wieder prüfen. Es gibt ein hohes Maß an Übereinstimmung; wir sind in der Nato, wir sind in der Europäischen Union. Wir müssen jeweils gucken: Was entspricht unseren Interessen, was entspricht unseren Wertvorstellungen? Ich glaube aber, wenn man sich die vielen außenpolitischen Konflikte der Welt anschaut, kann man feststellen, dass wir doch an vielen Stellen ein sehr gemeinsames Vorgehen haben.

MP Orbán: Nur auf diese Frage beschränkt: Nein.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben die Abhängigkeit von russischer Energie erwähnt und gesagt, dass diesbezüglich diversifiziert werden sollte. Welche Unterstützung ist Deutschland bereit, Ungarn angedeihen zu lassen, um die Abhängigkeit von russischer Energie zu senken? Glauben Sie, dass Ungarn Russland zu nahe kommt bei den Anstrengungen, die Energie- und Gaslieferungen zu erhalten, die Ungarn benötigt?

BK’in Merkel: Deutschland bezieht etwa 30 Prozent seines Gasbedarfs aus Russland. In Ungarn ist die Abhängigkeit höher, und auch die Ausrichtung auf Gas ist hier höher; bei uns gibt es auch noch eine sehr starke Abhängigkeit von Kohle und Erdöl. Wir sind natürlich alle daran interessiert, zuverlässige Energiebeziehungen zu haben, damit im Winter unsere Bevölkerung vernünftig leben kann und gleichzeitig unsere Wirtschaft auch gut arbeiten kann. Deshalb habe ich über die Verlässlichkeit der Beziehungen mit Russland gesprochen. Gleichzeitig war und ist Ungarn bereit, durch „reverse flow“ Schwierigkeiten der Ukraine mit zu überwinden. Das zeigt europäische Solidarität.

Was ist Deutschland bereit zu tun? Wir arbeiten an Konzepten für einen gemeinsamen europäischen Energiemarkt. Wir haben hier einige Fortschritte erzielt. So etwas, wie es uns vor Jahren mit der Slowakei passiert ist, als überhaupt kein Gas mehr ankam und die russischen Lieferungen durch die Ukraine gestoppt wurden, wird es nicht mehr geben. Wir haben aber auch darüber gesprochen, dass es noch eine ganze Reihe von Dingen zu tun gibt. Zum Beispiel bestehen Verbindungen zwischen Ungarn und Kroatien - und auch Rumänien, glaube ich -, aber noch kann kein „reverse flow“ gemacht werden. Ein europäischer Binnenmarkt meint zum Schluss, dass alle an allen Bezugsquellen partizipieren können. Nabucco hat sich jetzt zerschlagen, South Stream ist ungewiss. Insofern hat Ungarn zum Beispiel dann, wenn TAP - eine Pipeline aus Aserbaidschan - gebaut wird, natürlich ein Recht darauf, dass man dann auch Mittel und Wege findet, Ungarn an diesen Lieferungen partizipieren zu lassen. Wir haben dafür auch die europäischen Strukturfonds und die europäischen Investitionsmöglichkeiten. Deutschland wird sich dafür einsetzen, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht nur von einer Energiequelle abhängen.

MP Orbán: Gestatten Sie mir, dazu eine Bemerkung zu machen, damit auch die ausländischen Pressevertreter den Ernst der Lage verstehen. Wie die Frau Bundeskanzlerin es schon gesagt hat: Die ungarische Industrie und die ungarischen Haushalte sind primär auf Gas gestützt. Das heißt, unsere Betroffenheit ist um Größenordnungen höher als das bei der Bundesrepublik der Fall ist. 2015, also in diesem Jahr, läuft unser langfristiger Liefervertrag aus, und ernstzunehmende Mengen kommen heute im Falle von Gas nur aus Russland nach Ungarn. Das ist ein Problem - das ist im laufenden Kalenderjahr sogar das größte Problem in Ungarn. In der ersten Jahreshälfte müssen wir dieses Problem lösen, ansonsten funktionieren die Haushalte nicht und ansonsten funktioniert die ungarische Industrie nicht. Das ist eine ernste Angelegenheit. Das habe ich Ihnen nur gesagt, damit Sie nachempfinden können, dass die Lage der ungarischen Wirtschaft in Sachen Zusammenhang mit Russland den nötigen Ernst verlangt.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, passt das Ziel einer illiberalen Demokratie, wie es der Herr Ministerpräsident im vergangenen Jahr einmal ausgegeben hat, in den Wertekanon der Europäischen Volkspartei?

Herr Ministerpräsident, bedeutet der bevorstehende Besuch des russischen Präsidenten Putin in Budapest, dass Sie Ungarn in einer Art Mittlerrolle oder vielleicht auch Friedensstifterrolle sehen?

BK’in Merkel: Wir haben uns über das Thema der Demokratie und ihrer Eigenschaften unterhalten. Die Diskussion muss vertieft werden. Ich persönlich habe darauf hingewiesen, dass für mich die Wurzeln der Demokratie auch immer liberal sind. Das gilt nicht für mich alleine: In meiner Herkunftspartei, der Christlich-Demokratischen Union, haben wir drei Wurzeln, mit denen wir sehr gut demokratisch agieren können, nämlich die christlich-soziale, die liberale und die konservative Wurzel. Damit glauben wir eine Volkspartei zu sein. Mit dem Wort „illiberal“ kann ich persönlich im Zusammenhang mit Demokratie aber ehrlich gesagt nichts anfangen.

MP Orbán: Der ungarische Standpunkt beziehungsweise mein persönlicher Standpunkt dazu lässt sich in einem Satz zusammenfassen, und daran werde ich auch vor allen internationalen Gremien festhalten: Wir glauben nicht, dass jede Demokratie zwangsläufig, notwendigerweise liberal ist. Wenn jemand sagen will, dass Demokratie zwangsläufig liberal ist, dann wird er ein Privileg für ein Gedankengut verlangen, und das können wir nicht geben.