Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Staatspräsidenten der Mongolei, Elbegdorj

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich möchte ganz herzlich den Staatspräsidenten der Mongolei, Herrn Elbegdorj, begrüßen, und freue mich, dass er heute wieder einmal in Berlin ist - diesmal aus einem ganz speziellen Anlass, denn die Mongolei ist das Gastland auf der Internationalen Tourismusbörse, die heute Abend eröffnet wird. Wir haben unsere Gespräche jetzt im Zusammenhang mit dieser Internationalen Tourismusbörse geführt. Ich wünsche der Mongolei sehr viel Erfolg, wenn sie sich hier in Berlin präsentieren kann. Ich denke auch, dass das ein großer Erfolg werden wird.

Die Mongolei hat als Land sowohl kulturell als auch landschaftlich Touristen sehr viel zu bieten. Gerade Menschen, die einmal ins Unbekannte aufbrechen wollen und einzigartige Naturerfahrungen machen wollen, werden in der Mongolei sicherlich vieles von dem finden, was sie sich wünschen.

Unsere beiden Länder verbindet eine lange freundschaftliche Beziehung. Gerade in der ehemaligen DDR sind sehr viele Menschen aus der Mongolei ausgebildet worden. Ein Prozent der mongolischen Bevölkerung spricht heute noch Deutsch. Das ist so etwas wie eine Brücke zwischen unseren beiden Ländern.

Wir beide haben jetzt auch schon eine ganze Zeit gemeinsamer Erfahrungen, und ich schätze die Politik der Mongolei sehr. Es sind Werte, die uns verbinden, und wir wollen, dass die demokratische Transformation in der Mongolei auch fortgesetzt werden kann. Das ist ein längerer Weg, aber dieser Weg wird, wie ich finde, sehr erfolgreich gegangen.

Im Jahre 2014 haben wir 40 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern gefeiert, und es gab eine Vielzahl von Veranstaltungen in Berlin und in Ulan Bator. Ich freue mich, dass heute auch der Oberbürgermeister von Ulan Bator mit in der Delegation des Präsidenten ist, denn auch diese Stadt entwickelt sich sehr rasant.

Wir danken der Mongolei ganz besonders für die sehr, sehr gute Zusammenarbeit in Afghanistan. Unsere Truppen haben dort sehr eng zusammengearbeitet und arbeiten sehr eng zusammen, und wir haben die Mongolei auf diesem Gebiet als einen exzellenten Partner kennengelernt.

Unsere bilaterale Zusammenarbeit hat als spezielles Charakteristikum eine Rohstoffpartnerschaft. Wir haben es geschafft, eine deutsch-mongolische Hochschule für Rohstoffe und Technologie zu gründen, die auch im Zusammenhang mit der Entwicklungskooperation finanziert werden konnte. Allerdings muss man sagen, dass die wirtschaftlichen Kooperationsprojekte zum Teil noch notleidend sind. Hier können wir mehr machen. Wir haben vieles sozusagen in Aussicht gestellt und es gibt auch eine gemeinsame Arbeitsgruppe, aber bei vielem hapert es noch bei der Realisierung. Wir haben heute darüber gesprochen, welche Wege wir gegebenenfalls finden können, um auch die finanziellen Möglichkeiten der Mongolei zu stärken, und welche Wege wir finden können, um solche Entwicklungsprojekte in Einklang mit den großen Nachbarn der Mongolei durchzuführen, also mit Russland und mit China.

Insgesamt darf ich dennoch sagen, dass die deutsche Wirtschaft - gerade auch mit Blick auf die Rohstoffpartnerschaft - an einer Zusammenarbeit mit der Mongolei interessiert ist und auch interessiert bleibt, und dass Deutschland ein wichtiger und in Freundschaft verbundener Partner der Mongolei in Europa sein möchte.

Herzlich willkommen noch einmal, Herr Präsident!

P Elbegdorj: Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte hier anwesenden Gäste! Deutschland ist unser Hauptpartner in Europa. Ich werde heute die ITB 2015 eröffnen, deren Hauptpartnerland die Mongolei ist, und freue mich schon darauf. Ich danke für die Gastfreundschaft, die die Frau Bundeskanzlerin uns heute erwiesen hat.

2011 besuchte die Bundeskanzlerin die Mongolei, und ich kam 2012 auf einem Staatsbesuch nach Deutschland. Die Mongolei ist bestrebt, die umfassende und strategische Partnerschaft mit Deutschland auszubauen. Wir haben auch viele Verträge, die zu erfüllen sind. Ich freue mich jetzt auf diese Pressebegegnung. Ich war selber auch Journalist; deshalb ist dies für mich ein freudiges Ereignis.

(Auf Deutsch) Die Mongolen sind wieder da, aber mit friedlichen Absichten!

Ich werde das auch auf der ITB sagen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin Merkel, Sie sagten in Ihrem Statement, dass die Projekte im Rahmen der Rohstoffpartnerschaft langsam vorankämen. Wir haben in der Mongolei viele Bodenschätze - beispielsweise seltene Erden -, die wir gerne nach Deutschland und Europa exportieren möchten, aber wir haben große geografische Entfernungen. Sind diese Entfernungen ein Hindernis für die erfolgreiche wirtschaftliche Zusammenarbeit?

BK’in Merkel: Es gibt drei Probleme, die wir überwinden müssen.

Das erste Problem ist, dass man für viele Infrastruktur- oder viele Bergbauprojekte erst einmal eine Anschubfinanzierung braucht, dass man also Mittel braucht, um das Geschäft zu beginnen. Hier haben wir oft Probleme bei der Finanzierung; darüber haben wir heute sehr intensiv gesprochen. Wir müssen versuchen, das zu überwinden.

Zweitens. Die Infrastruktur in der Mongolei muss zum Teil noch ausgebaut werden. Die seltenen Erden sind ja nicht sozusagen am Stadtrand von Ulan Bator, sondern meistens ein Stück weit weg.

Drittens hat die Mongolei große Nachbarn, und diese großen Nachbarn haben auch eigene Vorstellungen über die Infrastrukturentwicklung. Das heißt, wenn wir von der Mongolei nach Europa kommen wollen, müssen wir immer erst durch Russland. Daher müssen wir mit Russland besprechen, wie wir noch bessere strategische Routen entwickeln können, damit der Export leichter vonstattengeht.

Frage: Auch eine Frage zur Rohstoffpartnerschaft, und zwar sowohl an die Kanzlerin als auch an den Präsidenten: Vielleicht können Sie noch etwas präzisieren, was die Probleme mit Russland im Moment sind, da wir sowieso schon über Russland sprechen. Setzen die Bundesregierung, die Wirtschaft und die mongolische Regierung überhaupt noch darauf, dass man Rohstoffe über Russland transportiert, oder gibt es möglicherweise andere Wege?

Herr Präsident, wie muss man sich den Druck vorstellen, der aus China auf Ihr Land ausgeübt wird, was Rohstoffe angeht? Gibt es da den Anspruch, dass mongolische Rohstoffe vor allem nach China exportiert werden sollten?

BK’in Merkel: Ich glaube, dass die Dinge nicht hoffnungslos sind. Wir haben ja zum Beispiel mit der Russischen Bahn durchaus eine Kooperation. Die mongolische Eisenbahn ist aber eben auch ein Joint Venture mit der Russischen Bahn, und hier muss man Wege finden. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, die Transporte über China und dann über den Seeweg zu machen; das wäre ein bisschen zu viel des Umwegs. Insofern würde es sich schon anbieten, dass man versucht, hier auch mit Russland strategische Routen zu entwickeln und die Infrastruktur entsprechend auszubauen. Ich habe die Hoffnung also nicht aufgegeben.

P Elbegdorj: Unsere Zusammenarbeit im Rohstoffbereich wollen wir ausbauen. Auch eine umfassende wirtschaftliche Zusammenarbeit ist erwünscht. Wir haben auch den Wunsch geäußert, einen umfassenden Vertrag zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit abzuschließen, der dann später auch im Parlament ratifiziert werden kann. Ein solcher Vertrag könnte eine stabile Grundlage bilden und würde auch dann stabil bleiben, wenn mongolische Gesetze geändert würden.

Unsere Eisenbahn ist ein Joint Venture mit der Russischen Eisenbahn, aber wir können auch neue Eisenbahnen bauen, unabhängig von den Russen. Wir haben mit China während des Besuchs des chinesischen Präsidenten Xi Jinping auch Transportmöglichkeiten über China vereinbart. Insofern haben wir solche Transportverträge mit China bereits, und wir möchten auch mit Russland solche Verträge vereinbaren.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wir haben eine direkte Flugverbindung zwischen Ulan Bator und Berlin, aber ansonsten gibt es keine weiteren Projekte. Denken Sie, dass zum Beispiel auch die Möglichkeit zu Lufthansa-Flügen in die Mongolei besteht?

BK’in Merkel: Wir haben heute darüber gesprochen, dass es ein Interesse der mongolischen Fluggesellschaft gibt, engere Beziehungen zur Lufthansa zu knüpfen. Das macht in Deutschland nicht die Regierung, sondern das muss zwischen den Unternehmen geschehen. Wir wollen aber sehr gerne einmal mit Lufthansa sprechen und sie darauf aufmerksam machen, dass es hier ein Kooperationsinteresse gibt. Vielleicht kann die Kooperation zwischen Lufthansa und der mongolischen Fluggesellschaft intensiviert werden.

Frage: Eine Frage an Sie beide: Wie schätzen Sie die Lage in Russland nach der Ermordung des Regimekritikers Nemzow ein? Schüchtert das die Opposition eher ein oder könnte es die Opposition auch zusammenschweißen, sodass Präsident Putin größere Unruhe zu befürchten hätte?

Frau Bundeskanzlerin, bitte eine innenpolitische Frage: Jetzt ist ja der Koalitionsstreit über ein Einwanderungsgesetz da, obwohl Union und SPD in der Zielrichtung nicht so weit auseinanderzuliegen scheinen. Wird man in dieser Großen Koalition unter Ihrer Führung noch auf einen Nenner in dieser Legislaturperiode kommen?

BK’in Merkel: Um mit dem zweiten Thema zu beginnen: Die SPD hat heute einen Vorschlag gemacht; diesen muss man jetzt ja erst einmal prüfen. Das ist kein Teil unseres Koalitionsvertrages, insofern gibt es auch gar keinen Streit oder Ähnliches. Vielmehr gibt es einen Vorschlag einer Partei und einer Fraktion, und jetzt schauen wir uns an, was man im Zusammenhang mit Einwanderung vielleicht noch machen kann oder nicht. Ich muss mir dazu erst ein Urteil bilden.

Das, was im Augenblick drängender ist, ist natürlich die Frage der sehr vielen Flüchtlinge, die wir haben. Nach allem, was wir absehen können, wird die Zahl der Flüchtlinge in diesem Jahr noch größer sein. Die Bundesregierung hat den diesbezüglich Kommunen geholfen, aber hier geht es vor allen Dingen auch um eine zügige Bearbeitung. Das Bundesamt für Migration ist hierüber im sehr engen Gespräch mit den Ländern, und ich glaube, das ist das, was jetzt erst einmal ganz oben auf der Tagesordnung steht. Da ist es so, dass es eine sehr, sehr gute Zusammenarbeit mit den entsprechenden Ministerien und zwischen den Koalitionsparteien gibt, und es gibt auch eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Ich glaube, das sollten wir im Sinne der Flüchtlinge und auch im Sinne der Bürgerinnen und Bürger fortsetzen. Insofern ist mir hier nach Gemeinsamkeit zumute, wenn es um die Frage der Flüchtlinge geht. Alle anderen Fragen werden wir uns genau angucken und das dann entscheiden.

Zweitens. Die Ermordung des Bürgerrechtlers Nemzow ist ein schwerwiegender Vorgang, ein trauriges Ereignis. Wir erwarten, dass alles darangesetzt wird, dass dieser Mord aufgeklärt wird. Ich hoffe - und wir werden uns dafür einsetzen -, dass auch diejenigen in Russland, die anders denken, eine Chance haben, ihre Gedanken zu artikulieren - wenngleich ich weiß, dass das alles andere als einfach ist.

P Elbegdorj: Ich möchte zur vorigen Frage noch hinzufügen: Wir haben keinen Zugang zum Meer, deshalb sind Flugverbindungen nach Europa für uns wichtig. Wir möchten deshalb in Ulan Bator ein Drehkreuz zwischen zwei Nachbarn einrichten, und wir bauen einen neuen Flughafen. Mit deutschen Unternehmen wie Lufthansa möchten wir weiter zusammenarbeiten.

Im Juli 1990 haben wir erste freie Parlamentswahlen gehabt, insofern feiern wir in diesem Jahr ein Jubiläum. Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und die offene Gesellschaft in der Mongolei sind ein Beispiel für die Region. Unsere demokratischen Wahlen werden von den beiden Nachbarn geachtet. Wir sind unserer Wahl vor 25 Jahren treu und werden unsere demokratischen Werte auch weiter verfolgen und umsetzen. Die deutsche Unterstützung - auch von den deutschen politischen Stiftungen - war in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren sehr hilfreich.