Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem slowakischen Ministerpräsidenten Pellegrini

MP Pellegrini: (Aufgrund technischer Probleme wurde das Statement des Ministerpräsidenten im Nachgang übersetzt.)

Sehr geehrte Frau Kanzlerin, liebe Angela, ich bin sehr froh, dass du unserer Einladung nach Bratislava gefolgt bist und es so ermöglicht hast, dieses konstruktive und freundschaftliche Treffen zu realisieren, das auch anlässlich des slowakischen V4-Vorsitzes stattfindet. Die Bundesrepublik ist nicht nur unser Schlüssel- und strategischer Handelspartner, sondern wir stehen uns, auch was die Kultur und Werte betrifft, nahe, was uns zumindest gefühlsmäßig, wenn auch nicht geographisch, zu Nachbarländern macht.

Für die Kollegen aus den Medien und diejenigen, die uns jetzt verfolgen, will ich auch sagen, dass Deutschland für uns den wichtigsten Handelsmarkt darstellt und es daher absolut logisch ist, dass es zu Schlüsselinteressen der Slowakei gehört, gute Beziehungen mit der Bundesrepublik zu haben und intensiv nicht nur an Projekten tieferer europäischer Integration, der Zukunft Europas, sondern auch im Bereich unserer Wirtschaftsinteressen zusammenzuarbeiten. Denn die Slowakei ist genauso wie Deutschland ein Industrieland. Es liegt im Interesse unserer beiden Länder, diese Situation zugunsten nicht nur unserer beiden Länder, sondern auch zugunsten der ganzen EU zu nutzen.

Während unserer Verhandlung habe ich die Kanzlerin um Unterstützung bei der Bewerbung der Slowakei um den Sitz der Europäischen Arbeitsagentur gebeten, die entstehen soll. Die Slowakei gilt als letztes Land dieser Region, in dem keine europäische Institution einen Sitz hat.

Ich bin froh, dass wir mit der Kanzlerin eine Menge Gemeinsamkeiten gefunden haben, in denen unsere Kommunikation wichtig ist. Raum für Zusammenarbeit sehen wir neben dem Industriebereich auch im Bereich der digitalen Technologien, der kybernetischen Sicherheit, aber auch in der Diskussion darüber, wie die Regulation oder die Regeln in einer digitalen Welt aussehen sollen, die sich oft von denen unterscheiden, die eingelebt sind und in der physischen Welt respektiert werden.

Noch einmal ein großes Dankeschön! Ich freue mich, dass wir in Kürze die drei Ministerpräsidenten unserer Nachbarländer der V4 begrüßen und unsere gemeinsame Verhandlung weiterführen werden. Danach werden wir Sie zusammen mit der Kanzlerin informieren. Noch einmal danke, Frau Kanzlerin, dass du gekommen und der Einladung nach Bratislava gefolgt bist.

BK’in Merkel: Sehr geehrter Ministerpräsident, lieber Peter, ich freue mich, dass ich heute hier in Bratislava sein, deiner Einladung folgen und später auch mit den Kollegen aus der Visegrád-Gruppe zusammentreffen kann.

Die Einladung hat auch etwas mit der Tatsache zu tun, dass es jetzt 30 Jahre her ist, dass wir im Ostteil Deutschlands und in den vier Visegrád-Ländern Menschen hatten, die auf die Straße gegangen sind und für die Freiheit gekämpft haben und die damit das Leben in all unseren Ländern völlig verändert haben. Das hat ein vereinigtes Deutschland hervorgebracht. Wir sind sehr dankbar, dass wir dafür immer Unterstützung aus der Visegrád-Gruppe bekommen haben. Die Tschechoslowakei 1968, Ungarn mit seinem Handeln, Polen mit Solidarność haben uns natürlich auf diesem Weg gerade aus Deutschland heraus geholfen. Das werden wir nie vergessen.

Heute arbeiten wir in der Europäischen Union und in der Nato zusammen. Die Slowakei ist Teil der Eurozone und uns damit noch einmal enger verbunden. Wenn ich heute hier über die bilateralen Beziehungen spreche, stelle ich fest, dass uns einfach eine sehr enge Zusammenarbeit eint, auch im industriellen Bereich und insbesondere in der Automobilindustrie. Dafür, dass die Slowakei doch nur 5,4 Millionen Einwohner hat, haben wir eine sehr ausgeprägte Handelsbilanz, sogar mit einem Handelsüberschuss von slowakischer Seite in Richtung Deutschland, insgesamt 14,7 Milliarden Euro von der Slowakei nach Deutschland und 13,2 Milliarden Euro in die andere Richtung. Das ist eine erhebliche Verflechtung unserer Wirtschaften in einem Hochtechnologiebereich. Deshalb haben wir heute auch verschiedene Punkte besprochen.

Erstens haben wir besprochen, dass es ein europäisches Anliegen ist - das werden wir auch als Länder klarmachen -, dass die Automobilindustrie einer der Jobmotoren für die europäische Wirtschaft und das Wirtschaftswachstum ist. Die Slowakei hat ein erhebliches Wirtschaftswachstum, was natürlich auch damit zusammenhängt, dass wir eine starke Industrieproduktion haben. Die Automobilindustrie ist im Wandel. Deshalb müssen wir sehen, dass wir einerseits weiter wettbewerbsfähig produzieren können und andererseits natürlich die Transformation zu neuen Antriebstechnologien schaffen. Hierbei wollen Deutschland und die Slowakei sehr eng zusammenarbeiten, auch auf der europäischen Ebene, natürlich auch im Bereich der Digitalisierung; denn das Auto der Zukunft und unsere gesamte Zukunft wird natürlich auch digitalisiert sein.

Wir haben des Weiteren darüber gesprochen, dass die Slowakei im Augenblick den OSZE-Vorsitz hat. Themen wie Ukraine und Russland spielen dabei eine große Rolle. Ich möchte der Slowakei danken, dass ihr euch auch für den Minsk-Prozess und dafür einsetzt, dass gerade in der schwierigen Zeit jetzt, in der in der Ukraine Wahlen stattfinden, dort möglichst wenige Waffenstillstandsverletzungen vorkommen und wir das einigermaßen friedlich über die Runden bringen.

Die Slowakei hat Interesse an der Arbeitsagentur bekundet. Ich habe mich hierfür offen gezeigt. Wir wollen, dass die sogenannten neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auch Agenturen bekommen. Wir werden darüber weiterhin in einem sehr positiven Gespräch sein.

Alles in allem: sehr wichtig. Ich erinnere mich an meinen letzten Aufenthalt hier. Damals haben wir die Agenda von Bratislava verabschiedet. Sie hatte etwas mit dem Wunsch Großbritanniens zu tun, aus der Europäischen Union auszutreten. Wir haben uns damals auf unsere Kernaufgaben besonnen. Wir werden mit den anderen Kollegen jetzt im Anschluss sicherlich auch noch einmal über das Thema des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union sprechen.

Aber erst einmal herzlichen Dank für den bilateralen freundschaftlichen Empfang!

Frage: Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Sie haben erwähnt, dass Sie zusammen mit den Ministerpräsidenten der V4 auch über den Brexit sprechen werden.

Sie haben sich zuletzt so geäußert, dass Sie noch Raum sehen für eine politische Einigung, weil Großbritannien eigentlich ein Problem zu Haus hat, den Austrittsvertrag durchzusetzen.

Welchen politischen Raum sehen Sie noch für Gespräche? Die Zeit ist sehr kurz. In 50 Tagen wird Großbritannien austreten. Welche Chancen sehen Sie für Gespräche?

BK’in Merkel: 50 Tage sind wenig, und 50 Tage sind lang - je nachdem, wie man es betrachtet. Wir alle haben ein Interesse - das sehe ich auch beim britischen Parlament, bei der britischen Regierung, bei Theresa May, aber auch bei uns -, dass wir einen geordneten Austritt Großbritanniens hinbekommen, weil das für uns alle besser ist. Deshalb haben wir auch die Pflicht, von unserer Seite aus alles zu tun, um einen solchen Vertrag zu bekommen. Das setzt voraus, dass uns Großbritannien möglichst klar sagt, was es will. Wir möchten dies natürlich auch erreichen. Wir müssen die Integrität unseres Binnenmarktes schützen; das ist ganz klar. Aber wir wollen natürlich auch Regelungen, die zum Beispiel für unseren Mitgliedsstaat Irland wichtig und notwendig sind. Denn wir wissen um die Fragilität der Situation zwischen der Republik Irland und Nordirland. Hierfür die geeigneten Vorkehrungen zu treffen, daran ist auch das britische Parlament interessiert.

Ich glaube, dass man Lösungen finden kann, auch ohne dass man das Austrittsabkommen wieder öffnet. Das steht für uns nicht auf der Tagesordnung.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, da es sich um ein bilaterales Treffen handelt: Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass ein vietnamesischer Geschäftsmann aus Berlin unter Einschaltung auch slowakischer Regierungsinstitutionen entführt wurde. Hat das in Ihren Augen die vertrauensvolle Zusammenarbeit der beiden Länder beeinträchtigt? Sehen Sie die Aufklärung hinreichend fortgeschritten?

Herr Ministerpräsident, ein Jahr nach dem Mord an dem Journalisten Ján Kuciak: Wie tiefgreifend ist der Wandel in der Slowakei wirklich, der als Konsequenz daraus gezogen wurde? Vielen Dank.

BK’in Merkel: Wir haben das kurz angesprochen, weil wir natürlich an einer Aufklärung interessiert sind. Aber ich habe keine Zweifel daran, dass die Slowakei alles tut, was notwendig ist, um diese Dinge aufzuklären.

MP Pellegrini: Was Ihre Fragen betrifft, möchte ich allen versichern, dass die effizientesten und besten Ermittlungsteams der Staatsanwaltschaft und der Polizei beste Arbeit leisten. Ihre Aufgabe ist es, Beweise zu sichern, weil die Täter dieser Straftat sehr wahrscheinlich bereits in den Händen der Polizei und Staatsanwaltschaft sind. Jetzt liegt es an den Ermittlern, dass sie alles dafür tun, dass diese Mörder vor Gericht gebracht werden.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass die Slowakische Republik weiterhin zu jenen Ländern gehört, in denen es eine der größten Pressefreiheiten gibt. Die Regierung der Slowakei hat sowohl vor als auch nach dieser schrecklichen Tat keine Maßnahmen getroffen, um die Pressefreiheit einzuschränken. Es wurden natürlich personelle Konsequenzen gezogen. Es wurden auch politische Schritte getätigt.

Ich denke, dass die politische Lage in der Slowakei stabil ist. Ich denke, wir sollten jenen Leute dabei helfen, die jetzt ermitteln. Bitte ziehen wir die Politik nicht in diese Ermittlungen hinein.

Danke.