Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem rumänischen Präsidenten, Johannis

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung.)

BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass der rumänische Präsident Klaus Johannis heute in Berlin bei uns zum Antrittsbesuch zu Gast ist. Es ist uns eine große Freude. Wir haben den Wahlkampf in Rumänien verfolgt, und es wird uns niemand in Deutschland übel nehmen, dass wir uns über den Sieg von Klaus Johannis gefreut haben, denn er ist ja auch ein Vertreter der deutschen Minderheit. Aber das, was zählt, ist, dass die Mehrheit der Rumänen ihn zum Präsidenten gewählt hat.

Wir haben uns heute in unserem Gespräch vorgenommen, dass die gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Rumänien noch besser werden kann und dass wir uns noch mehr miteinander austauschen, und zwar in zwei Richtungen - auf der einen Seite in Richtung der Kooperation auch in Fragen der europäischen Politik sowie der europäischen Außenpolitik mit den Nachbarn Rumäniens, die natürlich gerade zum Teil auch von großer strategischer Bedeutung sind. Es geht um den westlichen Balkan, die Frage Moldawiens und natürlich auch die Situation in der Ukraine, die aus der Perspektive Rumäniens natürlich nicht ganz so weit weg wie aus der deutschen Perspektive ist, wenn man sich einfach die geographischen Verbindungen anschaut.

Die Menschen in unseren beiden Ländern sind einander kulturell und auch menschlich sehr eng verbunden. Wir sind sehr enge Handelspartner und haben ein großes Handelsvolumen in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro. Deutschland ist auch ein großer Investor in Rumänien. All diese Beziehungen wollen wir natürlich ausbauen. Wir arbeiten auch in der Nato eng zusammen, und das soll auch weiterhin so sein.

Wir haben über die weitere Stärkung des Rechtsstaats, über das Justizsystem und die Korruptionsbekämpfung gesprochen. Die Europäische Union hat konstatiert, dass es hierbei erhebliche Fortschritte gab, und ich glaube, dass Rumänien auf diesem Weg auch weitermachen wird.

Wir haben natürlich auch über das Thema gesprochen, dass Rumänien den berechtigten Wunsch hat, auch Teil des Schengen-Raums zu werden. Wir werden schauen, dass wir auch in dieser Hinsicht schrittweise einen Fortschritt erzielen können, und wir werden darüber auch mit unseren europäischen Partnern sprechen. Wir wissen, dass das sowohl für Rumänien als auch für Bulgarien ganz oben auf der Tagesordnung steht.

Wir haben uns darüber unterhalten, dass einige wirklich wichtige wirtschaftliche Projekte von großer Bedeutung sind. Ich denke, gerade auch die Umsetzung der europäischen Fördermittel und die Durchsetzung der Möglichkeiten, den Lebensstandard zu verbessern, sind natürlich wichtige Punkte, wenngleich der Präsident hiervon nur mittelbar betroffen ist und die rumänische Regierung hierbei natürlich von großer Bedeutung ist.

Insofern sage ich: Es war ein sehr anregendes, ein sehr freundschaftliches Gespräch, und wir wollen diesen freundschaftlichen Austausch natürlich auch in Zukunft fortsetzen. Wir werden uns regelmäßig bei den Europäischen Räten begegnen und damit dann auch eine ganz gemeinsame Agenda hinsichtlich der Ukraine bis hin zu anderen außenpolitischen und europapolitischen Herausforderungen haben. Herzlich willkommen hier bei uns in Deutschland!

P Johannis: Dankeschön, Frau Bundeskanzlerin. Herzlichen Dank für den schönen Empfang und für das sehr gute Gespräch. Es ist mir eine Freude und eine Ehre, heute hier in Berlin zu sein. Ich bedanke mich bei Bundespräsident Joachim Gauck und bei der Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Einladung und den sehr guten Empfang. Ich bin sehr glücklich über die Gespräche, die wir geführt haben.

Zusammen mit Frau Bundeskanzlerin Merkel haben wir die Entwicklung der bilateralen Beziehungen, der wirtschaftlichen Beziehungen, der kulturellen Beziehungen und natürlich auch der politischen Beziehungen besprochen. Für Rumänien ist Deutschland nicht der Hauptwirtschaftspartner, aber auch einer der wichtigsten Partner im Rahmen der Europäischen Union und auf der internationalen Ebene.

Im wirtschaftlichen Bereich haben wir uns den Austausch zwischen den beiden Ländern angesehen, und da gibt es wieder eine Steigerung. Ich habe auch die Gegenwart wichtiger Investoren in Rumänien geschätzt, und ich habe bestätigt, dass wir daran interessiert sind, mehrere deutsche Unternehmen nach Rumänien zu bringen. In dem heutigen Gespräch hat sich herausgestellt, dass wir noch ein riesiges Potenzial für Entwicklungen, stärkere Investitionen und ein größeres Volumen des Handelsaustausches haben.

Im Rahmen des Treffens haben wir die Möglichkeiten der sektoriellen Zusammenarbeit, die gemeinsamen Interessen und die Partnerschaftsprojekte erwähnt. Wir haben ein großes Interesse daran, dass Deutschland unser Partner ist, um diese Nischen der Entwicklung zu identifizieren, die kompetitive Vorteile schaffen können und die Rumänien im Rahmen der europäischen Wirtschaft der Jahre bis 2020 individualisieren können.

Sowohl Frau Bundeskanzlerin Merkel als auch ich haben gesagt, dass die deutschen Gemeinschaften in Rumänien und die rumänischen Gemeinschaften in Deutschland eine sehr wichtige natürliche Brücke darstellen. Sie sind wichtig für die Konsolidierung der Zusammenarbeit zwischen Rumänien und Deutschland im europäischen Sinne.

Natürlich haben wir verschiedene Themen von europäischer Aktualität besprochen. Die Attraktivität Europas kommt auch vom Wohlstand und von der wirtschaftlichen Entwicklung. Diese Entwicklung müssen wir garantieren, und zwar durch Anstrengungen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. In diesem Sinne ist es sehr wichtig, sowohl die Wirtschafts- und Währungsunion als auch die Bankenunion zu konsolidieren. Wir haben wieder einmal bestätigt, dass wir durch unsere Aussagen und durch unsere Aktionen die europäischen Werte verteidigen müssen, die dazu geführt haben, dass die Europäische Union ein Musterprojekt geworden ist. Wir werden diese Dialoge weiterführen, um zu sehen, wie wir die interne Kohäsion sowie die interkulturellen Gespräche und die verantwortliche Haltung unserer Bürger stärken können, um weiterhin einen gemeinsamen Rahmen der Stabilität, des Wohlstands und der Demokratie zu schaffen.

Im Rahmen des Gesprächs haben wir auch über den Beitritt Rumäniens zum Schengen-Raum gesprochen. Wir brauchen die Unterstützung Deutschlands, um eine Lösung dafür zu finden, dieses Ziel zu erreichen. Es gibt Argumente, und ich glaube, unsere Argumente sind überzeugend. Wir können alle Vorbehalte ausräumen. Die letzten Berichte liefern dafür so ein Argument. Wir haben ein anderes solides Argument, nämlich die Möglichkeit, zur Sicherheit der externen Grenze der EU beizutragen, die Rumänien schon nachgewiesen hat.

Wir haben auch über internationale Themen gesprochen, besonders über Sicherheitsthemen, über Sicherheit in Europa. Wir müssen alles tun, was wir können, um eine Lösung für den Konflikt in der Ukraine zu finden. Ich habe die Anstrengungen Deutschlands und von Frau Bundeskanzlerin Merkel in diesem Sinne geschätzt. Rumänien unterstützt die Souveränität, die Unabhängigkeit und die Integrität der Ukraine im Rahmen der international anerkannten Grenzen dieses Staates. Wir wollen das Übereinkommen von Minsk wirklich in Kraft gesetzt sehen.

Wir unterstützen die Östliche Partnerschaft, besonders in Bezug auf die Republik Moldawien sowie auf die Länder auf dem Westbalkan. Es ist unsere Pflicht und liegt in unserem Interesse, dass diese Gegenden Teile der Entwicklung des europäischen Projektes mit allen Elementen des gemeinschaftlichen Acquis sind.

Letztendlich war es ein sehr gutes Gespräch, ein sehr konstruktives Gespräch. Ich bedanke mich, Frau Bundeskanzlerin!

Frage: Ich habe eine Frage an die Bundeskanzlerin und den Herrn Präsidenten: Gibt es das Risiko, dass Russland in der Republik Moldawien dasselbe tun wird, was es in der Ukraine getan hat?

BK'in Merkel: Das hoffen wir nicht. Ich glaube, wir sind jetzt erst einmal dabei, in der Ukraine daran zu arbeiten, dass es einen Waffenstillstand gibt, der auch eine längere Zeit halten wird, und dass man bei dem vorankommt, was wir als Maßnahmen zur Implementierung der Minsker Abkommen zusammen mit dem französischen Präsidenten im September in Minsk beschlossen haben. Wir sind allerdings seitens Deutschlands auch schon seit vielen Jahren damit beschäftigt, zu versuchen, den eingefrorenen Konflikt in Transnistrien zu lösen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es diesen Konflikt gibt und dass alle internationalen Bemühungen bisher zu keinem Erfolg geführt haben.

Insofern müssen wir an der Stelle weiterarbeiten. Man kann also auch mit Blick auf Moldawien nicht sagen, dass alles so ist, wie wir uns das wünschen.

P Johannis: Zu dieser Zeit gibt es keine Zeichen, die darauf hindeuten würden, dass sich die Dinge in dieser Richtung entwickeln. Es ist aber klar, dass es das Interesse der ganzen Region ist - besser gesagt: das Interesse von ganz Europa -, dass sich die Lage in der Ukraine stabilisiert und dass wir wieder zum Normalzustand zurückkehren. Alles andere wäre ein großes Problem für die ganze Region und für ganz Europa.

Vorgestern war ich in der Republik Moldawien. Ich habe diese Themen mit den Leuten dort besprochen. Was Transnistrien betrifft, habe ich all diejenigen, mit denen ich gesprochen habe, gebeten, weitere Anstrengungen zu unternehmen, um die Lage zu verbessern. Besonders im 5+2-Format versucht man, das Problem in Transnistrien zu lösen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, der Präsident fordert eine höhere Nato-Präsenz in Rumänien wegen des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland. Unterstützen Sie diese Forderung?

Herr Präsident, wie nehmen Sie den Umgang mit Rumänen in Deutschland wahr? Hier ist ja viel von Armutszuwanderung und weniger von qualifizierten Fachkräften die Rede. Was kann Rumänien tun, um die eigenen Bürger von Abwanderung abzuhalten?

BK'in Merkel: Wenn ich ungefragt etwas zum Thema Zuwanderung aus Rumänien nach Deutschland sagen darf: Ich glaube, wir sollten hier nicht pauschalisieren. Natürlich ist zum Teil auch von Armutszuwanderung die Rede, aber wir haben auch sehr viele qualifizierte Fachkräfte aus Rumänien, die im Sinne der Freizügigkeit hier ihre Arbeit machen. Deshalb sollten wir das, glaube ich, durchaus auch erwähnen.

Was die Nato-Präsenz anbelangt, so glaube ich, dass man angesichts der regionalen Lage verstehen kann, dass sich Rumänien als Nato-Mitglied in einer herausgehobenen strategischen Lage sieht. Wir haben in Wales diesbezüglich wichtige Schritte miteinander besprochen. Wichtig ist, dass wir unseren Blick hier nicht nur auf das Baltikum und Polen lenken, sondern auch zur Kenntnis nehmen, dass die Ukraine eben ein unmittelbarer Nachbar von Rumänien - und auch ein indirekter Nachbar im Sinne der Nachbarschaft zu Moldawien - ist. Ich glaube, wir haben diesbezüglich wichtige Schritte gemacht. Jetzt geht es erst einmal darum, diese Schritte umzusetzen. Dann müssen wir auch darüber sprechen, was die weiteren Wünsche von Rumänien sind. Auf jeden Fall war der Gipfel von Wales in dieser Hinsicht ein entscheidender Gipfel.

P Johannis: Das Problem der Armutszuwanderung ist ein Problem, das unglücklicherweise zu sehr mit dem Problem der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa vermischt ist. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein Wert, sie ist sehr wertvoll für uns alle in Europa. Leider sieht man, wenn man über Rumänien spricht, erst nur die Armutswanderung - die nicht so wichtig ist, wenn wir über Zahlen sprechen -, und man übersieht dabei sehr oft ein wichtiges Phänomen, das ein Problem für Rumänien und ein Gewinn für Deutschland ist: nämlich die Migration von sehr gut qualifizierten Arbeitskräften, die aus Rumänien auswandern und nach Deutschland kommen. Ich kenne persönlich Hunderte von solchen Leuten - um nicht Tausende zu sagen; das wäre vielleicht ein bisschen übertrieben -, die aus Rumänien ausgewandert und nach Deutschland gekommen sind. Diese Leute sind hier ganz schnell und perfekt integriert, und diese Leute arbeiten hier, und sie arbeiten gut. Für Rumänien sind diese Leute ein Verlust. Unser Schulsystem ist ziemlich performant, aber ein Land wie Rumänien hat ein Problem, wenn wichtige Teile seiner sehr gut qualifizierten Arbeitskräfte auswandern. Man nennt dieses Phänomen „Braindrain“, und es ist unser Interesse, eine Antwort auf diese Herausforderung zu finden.

Wenn wir über Zahlen sprechen: Die Zahl derjenigen, die aus Rumänien nach Deutschland kommen, qualifiziert sind und hier arbeiten, ist viel höher als die Zahl derjenigen, die als Armutsauswanderer angesehen werden. Rumänien muss eine Antwort auf diese Herausforderung finden. Wir können das stoppen, wenn wir in Rumänien eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und bessere Gehälter - besonders für die Jugendlichen - erzielen und wenn wir durch Transparenz in den öffentlichen Ausschreibungen, aber auch, was die Karriere im privaten Raum betrifft, den Jugendlichen eine gute Chance, eine wirkliche Chance auf einen Lebenslauf in der öffentlichen oder in der privaten Ebene gewähren. Es gibt gute Zeichen; es gibt Jugendliche, die sich entscheiden, nach Rumänien zurückzukommen, weil sie glauben, dass diese Sachen jetzt auch bei uns möglich sind. Wir haben aber noch viel daran zu arbeiten.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, kann man bis Ende dieses Jahres eine Entscheidung über den Schengen-Beitritt Rumäniens erwarten, vor allem angesichts der positiven Ergebnisse der letzten Berichte der Europäischen Kommission?

BK'in Merkel: Sie haben es erwähnt, die letzten Berichte waren schon positiver, und wir glauben auch, dass die Reformen weiter konsequent umgesetzt werden. Wir werden über nächste Schritte sprechen. Ich kann jetzt noch nichts zusagen, aber ich glaube, ich verstehe, dass Rumänien diesbezüglich bald eine Antwort erwartet, die zeigt, dass es vorangeht. Wir kommen darauf zurück; das haben wir verabredet.

Frage: Ich habe noch eine Frage zu Moldawien: Was sind denn die konkreten Maßnahmen, mit denen Sie beide glauben, Moldawien helfen zu können, eine mögliche Destabilisierung aus dem Osten zu verhindern?

Herr Präsident, noch eine Frage zu den Ungarn in Ihrem Land: Es gibt ja auch von ungarischer Seite ähnliche - wenn auch nicht ganz so aggressive - Töne, dass man die Auslandsbürger beziehungsweise die Interessen von Auslandsbürgern schützen müsse. Machen Sie sich eigentlich Sorgen, dass auch bei Ihnen Spannungen mit Minderheiten - in dem Fall mit den Ungarn - entstehen könnten?

BK'in Merkel: Was Moldawien anbelangt, so ist es ja Teil der Östlichen Partnerschaft. Daher wurde auch ein Assoziierungsabkommen unterzeichnet, das jetzt auch im Ratifikationsprozess im Deutschen Bundestag ist. Darüber wird Moldawien auch erhebliche Hilfe von der Europäischen Union bekommen. Wir sind auch politisch sehr eng mit Moldawien verbunden - das gilt im Übrigen für Rumänien und für Deutschland. So werden wir Moldawien helfen. Wir haben uns ja auch immer wieder um die 2+5-Gespräche gekümmert. Natürlich hat die Ukraine jetzt manches an Aufmerksamkeit in Anspruch genommen, weil die Situation dort natürlich besonders schwierig war. Wir haben uns aber auch sehr für faire Wahlen in Moldawien eingesetzt, und wir hoffen auch, dass die neue Regierung erfolgreich arbeiten kann - sie wird von uns Unterstützung bekommen. Auch als Russland im Sommer die Sanktionen gegen Moldawien verhängt hat, hat die Europäische Kommission versucht zu helfen. Rumänien hat auch sehr stark geholfen, was den Export von landwirtschaftlichen Erzeugnissen anbelangt. So gibt es, glaube ich, viele kleine Schritte, mit denen wir zeigen, dass Moldawien unser enger Partner ist.

P Johannis: Zum Thema Ungarn: Es ist festzustellen, dass das Interesse Ungarns an den ungarischen Minderheiten außerhalb Ungarns ungewöhnlich hoch ist. Wir fühlen uns dadurch in Rumänien nicht bedroht; wir sind aber natürlich sehr aufmerksam, wenn ein Nachbarstaat ein derartig hohes Interesse an einer Minderheit an den Tag legt. Die ungarische Minderheit hat in Rumänien politische Vertretungen. Das sind unsere beziehungsweise meine Ansprechpartner. Mit diesen Politikern treffe ich mich häufig, und wir sprechen über diese Fragen. Ich kann Ihnen versichern: Es gibt in Rumänien kein ungarisches Problem.

BK'in Merkel: Danke schön!