Im Wortlaut
in Berlin
13 Min. Lesedauer
- Mitschrift Pressekonferenz
- Donnerstag, 7. Januar 2016
(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)
BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, wir haben uns heute gefreut, den Ministerpräsidenten Rumäniens, Dacian Cioloș, hier in Berlin zu Gast zu haben. Herr Cioloș ist neu im Amt und Vorsitzender einer Expertenregierung. Wir wünschen dem Land in der jetzt sehr entscheidenden Phase allen Erfolg.
Für uns ist Rumänien aus vielerlei Gründen ein sehr wichtiger Partner - einmal in der Europäischen Union und in der Nato, aber auch durch die emotionalen Bindungen von vielen Rumäniendeutschen, die als Minderheit hier in Deutschland leben, aber auch der deutschen Minderheit in Rumänien; da gibt es sehr enge Beziehungen.
Wir haben aber auch sehr gute wirtschaftliche Beziehungen. Deutschland ist nicht nur der wichtigste Handelspartner Rumäniens, sondern auch der drittgrößte Investor Rumäniens. So haben sich unsere Gespräche natürlich auch darum gerankt, wie wir die wirtschaftliche Kooperation verbessern können. Es gibt jetzt schon Beziehungen mit dem Wirtschaftsministerium, und es wird im Frühjahr auch noch weitere Aktivitäten geben, um die deutsch-rumänischen Wirtschaftsbeziehungen noch einmal zu intensivieren.
Voraussetzung dafür ist - und darüber haben wir gesprochen -, dass das Rechtssystem und die Verwaltung Rumäniens immer weiter verbessert werden und die Korruption bekämpft wird. Hierbei gab es in letzter Zeit beachtliche Erfolge, und die Regierung von Dacian Cioloș - so hat er es hier heute auch zum Ausdruck gebracht - arbeitet mit Hochdruck an dieser Aufgabe, die, glaube ich, die Voraussetzung dafür ist, dass wir auch die entsprechenden Erfolge - etwa Wirtschaftswachstum und damit auch die Verbesserung des Wohlstands der Bürgerinnen und Bürger Rumäniens - sehen.
Wir haben natürlich über die Fragen der Europäischen Union gesprochen, über Fragen der Flüchtlingspolitik, auch über Fragen der Verwendung europäischer Mittel und vor allen Dingen auch über die Nachbarschaft Rumäniens. Rumänien grenzt an Moldawien, Rumänien grenzt an die Ukraine; insofern ist gerade auch der Minsker Prozess in der Ukraine für Rumänien von großer Bedeutung. Hier gibt es eine völlig gleiche Sichtweise bezüglich dessen, was getan werden sollte und getan werden muss. Natürlich haben wir auch über die Frage der Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union und über die Frage der gerechten Aufgabenverteilung innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union gesprochen, wenngleich Rumänien - das muss man hier ja sagen - noch nicht Mitglied des Schengen-Raumes ist, aber natürlich sehr hart daran arbeitet, das zu werden; auch darüber haben wir gesprochen.
Ich glaube, dass Ihr Besuch, Herr Ministerpräsident, ein weiterer Schritt auf dem Weg ist, unsere Beziehungen und auch unsere Zusammenarbeit im Europäischen Rat eng und vertrauensvoll zu gestalten. Deshalb noch einmal herzlich willkommen hier in Berlin!
MP Cioloș: Vielen Dank! Ich möchte von dieser Gelegenheit profitieren und Ihnen, für Frau Bundeskanzlerin, für diese schnelle Einladung, Sie zu besuchen, danken - es ist für mich sehr wichtig, diesen Besuch am Anfang meines Mandats und des Mandats dieser neuen Regierung durchführen zu können.
Ich möchte mich auch für die Tatsache bedanken, dass Deutschland ein strategisch wichtiger Partner für Rumänien ist. Das wird ja auch bewiesen durch unsere Beziehungen, die im Bereich der Wirtschaft eng sind und stark sind. Deutschland ist der erste Handelspartner Rumäniens - 20 Prozent des gesamten Handelsaustausch Rumäniens erfolgt mit Deutschland. Wir haben jährlich einen hohen Betrag des Handelsaustausches. Deutschland ist drittgrößter Investor in Rumänien; es gibt sehr viele aktive Unternehmen in Spitzenbereichen, man schafft Arbeitsplätze und Entwicklungen in unserem Land - auch für die Zukunft.
Anlässlich dieses Besuches haben wir über die Prioritäten diskutiert, die unsere Regierung, meine Regierung in diesem Jahr hat. Meine Regierung wird sich auf eine Reform der Verwaltung konzentrieren, um diese effizienter zu machen, auf eine Vision der Wirtschaftsentwicklung für längerfristige Ziele. Es geht um Vorhersehbarkeit, es geht um das Justizsystem, es geht aber auch um den steuerlichen Bereich und um das Wirtschaftswachstum, also darum, dass wir neue Möglichkeiten für deutsche Investitionen in Rumänien schaffen - wir haben auch über diese Möglichkeiten gesprochen. Meine Absicht ist es, dass ich im Frühjahr noch einmal nach Deutschland komme, wobei ich einen besonderen Schwerpunkt auf die Bundesländer legen möchte, sodass auch hier die Zusammenarbeit gestärkt wird.
Wir haben auch über die deutsche Minderheit in Rumänien diskutiert, die sehr gut integriert ist und sehr aktiv ist und zusammen mit der rumänischen Gemeinschaft in Deutschland immerhin ungefähr 600 000 Personen ausmacht - die gut in die deutsche Gesellschaft integriert sind; das sind Leute mit Universitätsstudien, die aktiv an der deutschen Gesellschaft mitarbeiten. Dieser Aspekt, also die gute Integration der Minderheit sowie auch der rumänischen Gemeinschaft in Deutschland, ist eine Brücke, eine Verbindung, die auf natürliche Art und Weise Voraussetzungen für eine positive Situation im Bereich der Kooperation zwischen unseren Ländern schafft.
Wir haben auch über die Kooperation im Rahmen der Europäischen Union diskutiert.
Die rumänische Regierung möchte aus Rumänien ein aktives Mitglied im europäischen Prozess und zu den Bereichen, die auf der europäischen Tagesordnung stehen, machen. Dieser proaktive Faktor bedeutet auch einen besseren Dialog, eine bessere Kooperation mit den Mitgliedstaaten, und dabei ist Deutschland natürlich ein Schlüsselstaat innerhalb der Europäischen Union. Es ist sozusagen ein Motor im Prozess der Transformation der Institutionen und bei der Findung der Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Rumänien möchte hier auch ein aktiver Partner mit Deutschland zusammen sein. Auf dieser bilateralen Ebene wollen wir gut weiterarbeiten.
In diesem Zusammenhang haben wir auch über die Tatsache gesprochen, dass Rumänien die Voraussetzungen für den Beitritt von Schengen bereits erfüllt hat. Wir möchten einen soliden Schengen-Raum, einen glaubwürdigen Schengen-Raum. Deswegen sind wir davon überzeugt, dass die Probleme, die zurzeit bei der Sicherung der Außengrenze auf der Tagesordnung stehen. Rumänien handelt hier schon so, als ob es bereits Mitglied des Schengen-Raum wäre, und zwar mit großer Verantwortung bei der Kontrolle der Grenzen.
Wir haben auch über die Aspekte bezüglich der Migration gesprochen, ausgehend von der rumänischen Position - die kennen Sie ja. Wir sind offen für einen Dialog, um Lösungen zu finden, die auch die Erwartungen der anderen Staaten beinhalten. Wir haben auch über die Stärkung der europäischen Grenzen und die Stärkung von Frontex diskutiert. Rumänien ist ein sehr wichtiger Beitragsleister für Frontex; und zwar war Rumänien nach Deutschland an zweiter Stelle, was die Beiträge für Frontex anbelangt. Diese Position und diese Dynamik möchten wir gerne behalten. Diese Arbeit zur Verstärkung der Außengrenzen der Europäischen Union geht ja in eine gute Richtung, und das wird sicherlich auch für die Migrationsfrage nützlich sein.
Wir haben auch über die regionale Außenpolitik und über die östliche Partnerschaft der Europäischen Union geredet. Dazu gehören natürlich die Situation in der Ukraine und die Situation in der Republik Moldau. Wir haben darauf bestanden, dass Rumänien weiterhin den Weg in Richtung der Europäischen Union unterstützt, den die Republik Moldau einschlagen sollte, und sprechen uns für eine proeuropäische Regierung in Chișinău und für eine Fortsetzung der Reformen aus. Wir hoffen, dass sich eine zukünftige Regierung dafür einsetzt.
Ich möchte der Frau Bundeskanzlerin noch einmal für die Möglichkeit dieses Besuchs danken. Ich hoffe, dass es nur ein erster Besuch ist und dass wir diese gute Zusammenarbeit fortsetzen.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, wie aktuell ist das Schengen-Projekt noch im derzeitigen Kontext in der Europäischen Union? Es gibt ja mittlerweile auch Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union. Rumänien ist darauf vorbereitet - auch technisch -, die Außengrenzen und auch die eigenen Grenzen zu sichern. Vielleicht sollte Deutschland die Aufnahme Rumäniens in den Schengen-Raum deutlicher befürworten?
BK’in Merkel: Erstens glaube ich, dass das Schengen-Projekt von größter Aktualität ist und dass es allergrößte Gründe gibt, alles zu tun, damit wir die Freizügigkeit innerhalb der Schengen-Grenzen auch weiterhin wirklich leben können. Deshalb haben wir ja auch die Dringlichkeit, die Fragen der Migration zu steuern und auch zu regeln, um aus illegaler Migration legale Migration zu machen.
Die temporären Grenzkontrollen, die Sie angesprochen haben, sind zwar Teil des Schengen-Systems, aber sie bergen natürlich auch Gefahren in sich, dass wir, wenn wir die Probleme nicht wirklich lösen, dann auch Schengen nicht so leben können, wie wir das wollen. Ich glaube, Schengen ist sowohl etwas, was die Bürgerinnen und Bürger Europas sehr schätzen, als auch ein Faktor für das Zusammenwachsen Europas und für das Wirtschaftswachstum Europas. Deshalb muss aus meiner Sicht alles darangesetzt werden, Schengen zu erhalten und dann natürlich auch den Ländern, die noch nicht zu Schengen gehören, auch die Möglichkeit zu geben, Teil dieses Schengen-Systems zu werden.
Es ist richtig, dass Rumänien viele vorbereitende Arbeiten zur Sicherung der Außengrenze getroffen hat. Dennoch gibt es aus unserer Sicht auch einen Zusammenhang mit der Bekämpfung von Korruption. Insofern werden wir jetzt den nächsten Kommissionsbericht abwarten. Wir wissen, dass das Thema ganz oben auf der Tagesordnung in Rumänien steht. Deshalb werde ich mich auch dafür einsetzen, dass sich Anstrengungen, die geleistet wurden, und Verbesserungen, die sichtbar sind, dann auch in Fortschritten bei der Einbeziehung das Schengen-System widerspiegeln. Das kann ja gegebenenfalls auch schrittweise erfolgen.
MP Cioloș: Ich möchte vielleicht noch ergänzend dazu sagen: Natürlich haben wir diese Aspekte diskutiert. Ich habe dabei auch unterstrichen, dass man im Kampf gegen die Korruption in Rumänien im letzten Jahr große Anstrengungen unternommen hat. Das wird ja abseits von technischen Prozessen auch innerhalb der Gesellschaft sichtbar. Die derzeitige Regierung wird diesen positiven Trend im Kampf gegen die Korruption fortsetzen. Wir hoffen, dass der nächste Bericht über den Kooperationsmechanismus auch diese positiven Anstrengungen widerspiegelt. Das wäre dann möglicherweise der dritte Bericht in Folge, der positiv ist und diesen Trend bestätigt. Wir hoffen, dass sich diese Sache in der nächsten Zeit dann auch in der Entscheidung der Mitgliedstaaten bezüglich des Beitrittes Rumäniens zum Schengen-Raum widerspiegelt. Wir möchten nicht nur den Beitritt, sondern wir möchten einem soliden Schengen-Raum beitreten, und dazu möchten wir auch unseren Beitrag leisten.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik eine Frage zu den Kölner Übergriffen: In Teilen der Bevölkerung und in Teilen des Auslands werden die Vorgänge auch mit Ihrer offenen Flüchtlingspolitik in Verbindung gebracht. Werden Sie Konsequenzen aus den Kölner Übergriffen ziehen? Was werden Sie tun, um die zunehmende Spaltung in der deutschen Gesellschaft zu vermindern und dagegen anzuarbeiten?
Eine Frage an den Herrn Ministerpräsidenten: Sie haben wahrscheinlich auch über die Lage in der Ägäis gesprochen. Ist das, was die Türkei bisher getan hat, aus Ihrer Sicht ausreichend, kommt die Türkei ihren Ankündigungen und den Absprachen nach?
BK’in Merkel: Was in der Silvesternacht passiert ist, ist völlig inakzeptabel; das sind widerwärtige kriminelle Taten, die ein Staat nicht hinnehmen wird, die auch Deutschland nicht hinnehmen wird. Deshalb wird mit Hochdruck seitens der zuständigen Institutionen aufgeklärt. Diese Aufklärung muss unterstützt werden.
Das Gefühl - von in diesem Fall Frauen -, sich völlig schutzlos ausgeliefert zu fühlen, ist auch für mich persönlich unerträglich. Deshalb ist es wichtig, dass alles, was dort geschehen ist, auf den Tisch kommt. Es ist richtig und gut, dass es jetzt sehr, sehr viele Anzeigen gibt und dass auch die Polizei all diesen Dingen nachgeht.
Natürlich ergeben sich aus dem, was dort passiert ist, einige sehr ernsthafte Fragen, die über Köln hinausgehen. Es gibt Fragen nach Verbindungen, ob es gemeinsame Verhaltensmuster gibt, ob es in Teilen von Gruppen auch so etwas wie Frauenverachtung gibt. Wir müssen dem mit aller Entschiedenheit entgegentreten, denn ich glaube nicht, dass es nur Einzelfälle sind. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, (Antworten darauf zu erlangen), und wir haben als staatliche Institutionen die Pflicht, die richtigen Antworten darauf zu geben.
Wenn es rechtlicher Änderungen oder größerer Polizeipräsenz bedarf - ich will vielleicht daran erinnern, dass wir erhebliche Aufstockungen bezüglich des Etats des Bundesinnenministers vorgenommen haben, nämlich 4 000 weitere Bundespolizisten -, dann sind das die notwendigen Antworten. Aber wir müssen auch immer und immer wieder über die Grundlagen unseres kulturellen Zusammenlebens in Deutschland sprechen. Was die Menschen mit Recht erwarten, ist, dass diesen Worten dann auch Taten folgen. Dabei muss eben immer wieder überprüft werden, ob wir, was Ausreisenotwendigkeiten oder Ausweisungen aus Deutschland anbelangt, schon alles getan haben, was notwendig ist, um hier klare Zeichen an diejenigen zu setzen, die nicht gewillt sind, unsere Rechtsordnung einzuhalten.
MP Cioloș: Dieses Abkommen, das wir mit der Türkei geschlossen haben, ist ein guter Schritt. Wir machen Fortschritte. Seitens der Türkei werden Fortschritte gemacht, aber auch wir von der Europäischen Union müssen unsere Fähigkeiten an der Grenze stärken. Was den Vorschlag der Kommission angeht, dass wir die Küstenwache stärken, so ist das ein guter Anfang. Aber das ist sicherlich nicht die einzige Maßnahme, die zur Lösung dieser Fragen führen wird.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, die Situation der Flüchtlinge ist sicherlich eine aktuelle Frage. Deutschland hat ja sehr hart die Staaten kritisiert, die sich den verpflichtenden Quoten für Flüchtlinge widersetzt haben. Österreich hat zum Beispiel diesen Ländern angedroht, dass, was die europäischen Fonds angeht, diese Fonds gegenüber Ländern, die sich hier verweigern, reduziert werden. Was ist die Position Deutschlands in diesem Fall? Wächst auch hier die Bereitschaft Deutschlands, entsprechend hier Maßnahmen zu treffen?
BK’in Merkel: Es gibt in Deutschland natürlich die Diskussion über die Fragen: Wie sieht Solidarität innerhalb Europas aus? Welche Lösungen finden wir dafür, wenn wir eine Herausforderung zu bewältigen haben? Wir haben sehr intensiv darüber gesprochen, wie die einzelnen Mitgliedstaaten daran teilnehmen, die Elemente dieser Solidarität zu benennen und auszuarbeiten. Sicherlich ist einer der Vorwürfe, dass diese verpflichtenden Quoten sehr schnell entschieden wurden, vielleicht auch über die Köpfe einiger Länder hinweg. Auf der anderen Seite habe ich darauf hingewiesen, dass das Flüchtlingsproblem auch von uns nicht zehn Jahre lang vorbereitet wurde, sondern sehr plötzlich aufkam. Das heißt, wir mussten schnelle Antworten finden.
Wir werden dies zum Anlass nehmen, in Europa natürlich auch weiter darüber zu sprechen, wie wir unsere gemeinsame Solidarität wahrnehmen können und müssen, denn Solidarität beruht immer auf Gegenseitigkeit. Ich möchte hier keine konkreten Drohungen aussprechen - Was ist, wenn....?- , aber ich möchte schon sagen, dass ein Schengen-System nur funktionieren kann, wenn eine gemeinsame Verantwortung für Flüchtlinge und eine gemeinsame Verantwortung für den Schutz der Außengrenzen übernommen wird. Diese Diskussion müssen wir in Europa weiterführen.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, es gibt eine Diskussion in Deutschland mit Bezug auf Zuwanderung - unter anderem auch aus Rumänien -, was die Soziallleistungen, Sozialhilfe angeht.
Erstens. Haben Sie darüber mit Ihrem rumänischen Kollegen gesprochen?
Zweitens. Wie stehen Sie zu Überlegungen aus den Kreisen Ihres Koalitionspartners SPD, aber auch der CSU, bestimmte Fristen einzuführen - zum Beispiel ein Jahr - ehe man hier sozialhilfebezugsberechtigt ist?
BK’in Merkel: Ich glaube, dass es richtig ist, dass die Bundesarbeitsministerin darüber nachdenkt, wie man auf das Urteil des Bundesozialgerichts antworten kann, dass auch jemand, der hier in Deutschland keine Arbeit hat, bereits Ansprüche hat, Sozialhilfe durch die Kommunen zu bekommen. Das ist nicht die Intention des Freizügigkeitsgesetzes; das heißt, dass man überall in Europa arbeiten darf. Diese Intention schließt nicht ein, dass man überall in Europa vom ersten Tag an auch die gleichen Sozialleistungen bekommt. Deshalb finde ich die Gedanken, die sowohl Frau Nahles als auch Herr Scholz geäußert haben, interessant. Sie verknüpfen sich in gewisser Weise mit dem, was Großbritannien für eine bestimmte Regelung wünscht.
Es zeigt sich wieder einmal, dass wir in Europa dadurch eine schwierige Situation haben, dass wir auf der einen Seite einen Binnenmarkt haben - in diesem Binnenmarkt wollen wir die Freizügigkeit garantieren - und dass wir auf der anderen Seite sehr unterschiedliche Sozialsysteme haben. Deshalb ist uns jeder rumänische Arbeitnehmer oder jede rumänische Arbeitnehmerin sehr willkommen. Rumänen sind im Rahmen der Freizügigkeit in Europa bei uns in Deutschland sehr stark vertreten, was den Arbeitsmarkt anbelangt. Aber wenn es um den Bezug von Sozialleistungen geht, die nicht auf Arbeit beruhen, wie durch das Urteil des Bundesozialgerichts (gefordert), dann bin auch ich der Meinung, dass es zumutbar ist, wieder in das Heimatland zurückzugehen, aus dem man kommt, und dass sich die Tatsache, dass wir keine Sozialunion sind, sondern unterschiedliche Sozialsysteme haben, dann auch in dieser Rechtsprechung reflektieren muss. Deshalb müssen wir Auswege daraus finden.