Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem algerischen Premierminister Ahmed Ouyahia

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

PM Ouyahia: (Anfang fehlt aufgrund von technischen Problemen bei der Dolmetschung) Diese Arbeitssitzung hat es uns ermöglicht, unseren Willen zu zeigen, dass wir Fortschritte in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit machen wollen. Wir haben hier auch algerische und deutsche Unternehmer, die sich in einem Hotel zusammensetzen. Mehr als 20 Partnerschaften laufen bereits, und über andere wird noch gesprochen. Die algerische Regierung und die Bundesregierung sind entschlossen, diese Dynamik weiter fortzusetzen.

Wir haben auch eine sehr interessante Zusammenarbeit in vielen verschiedenen anderen Bereichen, wie zum Beispiel im Sicherheitsbereich zwischen den beiden Verteidigungsministerien und auch den Innenministerien.

Wir haben hier auch über eine Frage gesprochen, die mit unseren Staatsangehörigen in Deutschland zu tun hat, die sich dort teilweise illegal aufhalten. Was diejenigen betrifft, die sich legal in Deutschland aufhalten das sind ca. 40 000 , haben wir uns bei der Bundesregierung für den Empfang, der ihnen bereitet worden ist, und für die Bedingungen ihres Aufenthalts bedankt. Was die Personen betrifft, die sich illegal in Deutschland aufhalten wir sind ja selbst ein Land, das sich gegen illegale Migration einsetzt , konnten wir mit der deutschen Bundesregierung natürlich nur einer Meinung sein; wir haben seit dem Jahr 1997 ja auch ein Rückübernahmeabkommen. Das ist auch ein Thema, das wir freundschaftlich miteinander bearbeiten. Algerien ist in einem Gesetzentwurf der deutschen Bundesregierung als sicheres Herkunftsland eingestuft worden, und wir haben uns unsererseits für die Umsetzung von Auslieferungsersuchen der algerischen Behörden eingesetzt.

Dieses Treffen hat es uns natürlich auch ermöglicht, uns über internationale Fragen auszutauschen, die uns beide interessieren. Auch hier haben wir große Übereinstimmung zwischen den Herangehensweisen Algeriens und Deutschlands feststellen können.

Ich möchte jetzt nicht zu lange sprechen, sondern der Frau Bundeskanzlerin das Wort erteilen. Herzlichen Dank!

BK'in Merkel: Sehr geehrter Herr Premierminister, meine Damen und Herren, ich möchte mich ganz herzlich bedanken für den freundschaftlichen Empfang hier in Algerien. Ich freue mich, nach zehn Jahren nun wieder in Ihr Land zurückgekehrt zu sein und hier heute sehr konstruktive Gespräche geführt zu haben.

Deutschland und Algerien verbindet eine enge Partnerschaft. Wir haben seit der Unabhängigkeit Algeriens diplomatische Beziehungen miteinander, und wir haben in den letzten zehn Jahren das darf ich, glaube ich, sagen unsere Beziehungen intensiviert. Das schlägt sich nieder in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit: 200 deutsche Unternehmen sind hier aktiv. Es gibt auch eine Kooperation bei der Entwicklungszusammenarbeit und der Wirtschaft, die sich zum Beispiel in beruflichem Training ausdrückt, was, glaube ich, angesichts der Bedürfnisse der Jugend in Ihrem Lande von großer Bedeutung ist.

Wir wissen aber, dass wir sowohl im wirtschaftlichen Bereich als auch in anderen Bereichen die Kontakte noch ausbauen können. Wir wollen jetzt ein Kulturabkommen finalisieren, das hier dann auch in der Frage der Einrichtung eines vollständigen Goethe-Instituts Ausdruck finden könnte. Die Arbeit der Außenhandelskammer kann noch effektiver gestaltet werden. Wir wollen auch einen Beitrag leisten zu der Diversifizierung Ihrer Wirtschaft, die ja noch sehr stark von Erdgas und Erdöl abhängig ist. Sie haben aufgrund der fallenden Rohstoffpreise in den letzten Jahren ja durchaus eine schwere Wegstrecke zurücklegen müssen. Insofern ist die Diversifizierung der Wirtschaft etwas, wobei Deutschland seinen Beitrag leisten kann. Wir haben eine Energiepartnerschaft ins Leben gerufen, und wir können hier noch sehr viel mehr machen.

Sie haben erwähnt, dass wir auch im Bereich der Verteidigung zusammenarbeiten. Wir sehen die berechtigten Sicherheitsinteressen Algeriens und wollen die strukturierte Zusammenarbeit auf diesem Gebiet auch weiterführen, auch mit Blick auf die Bekämpfung von Terrorismus und die Schaffung von innerer Sicherheit.

Wir haben über das Thema Migration gesprochen. Algerien ist Ankunftsland für Menschen, die sich auf illegalen Routen bewegen. Gleichzeitig haben wir hier über die sehr konstruktive deutsch-algerische Zusammenarbeit bei der Rückführung von Asylbewerbern, die in Deutschland keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, gesprochen. Diese Zusammenarbeit hat sich sehr gut entwickelt, und wir haben heute überlegt, wie wir sie noch ausbauen können. Ich möchte mich dafür aber ganz herzlich bedanken.

Wenn man in Algerien ist, dann besteht natürlich auch die Notwendigkeit, darüber zu sprechen, was in der Nachbarschaft passiert. Algerien ist das größte Flächenland Afrikas, mit 6000 Kilometern Grenze und angrenzenden Regionen, die verschiedenste Konflikte aufweisen. Ich habe mich gefreut zu hören, dass die Arbeit von Horst Köhler, unserem ehemaligen Bundespräsidenten, als UN-Gesandtem für die Lösung des Westsahara-Konflikts hier sehr positiv beurteilt wird. Wir haben auch über die politische Versöhnung in Mali gesprochen, bei der sich Algerien sehr engagiert einbringt, genauso wie über die Frage der Zukunft Libyens. Ich teile das, was sowohl Sie, Herr Premierminister, als auch der Außenminister zum Ausdruck gebracht haben, nämlich dass es eine selbst geschaffene Problemlösung sein muss, bei der Partner von außen nur helfen können, aber nicht das Problem selbst lösen können. Sie wissen, dass wir an der Lösung des libyschen Problems genauso ein Interesse haben wie Sie. Insofern sind wir da eng vereint.

Wir sehen, dass Algerien ein Land ist, das der Europäischen Union sozusagen genau gegenüberliegt. Die Distanzen, die uns voneinander trennen, sind nicht groß. Insofern freue ich mich, dass ich mit diesem Besuch auch ein Stück der Partnerschaft stärken kann.

Wir haben über die wirtschaftliche Entwicklung gesprochen. Ich habe auch zum Ausdruck gebracht, dass im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung sicherlich auch eine möglichst offene und vielfältige Zivilgesellschaft sinnvoll ist, in der sich gerade auch die Jugend mit ihrer Kreativität einbringt. Auch das war ein Gegenstand unserer Diskussion.

Herzlichen Dank! Damit sind auch meine einführenden Worte beendet.

Frage: Meine Frage richtet sich an Sie, Herr Premierminister. Üben Europa und Deutschland weiterhin Druck auf Algerien aus, obwohl Algerien bereits Nein zur Eröffnung von „kontrollierten Zentren“ auf seinem Staatsgebiet gesagt hat?

PM Ouyahia: Algerien ist für seine Grundsatzpositionen bekannt. Unsere europäischen Freunde sind auch als sehr zivilisierte Länder bekannt, vor allem Deutschland mit der Frau Bundeskanzlerin.

Wir haben auch gar nicht über diese Frage gesprochen. Ich glaube, Algerien kämpft wirklich durch die Arbeit, die wir selbst leisten, gegen illegale Migration. An unserer Südgrenze das wird auch von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt schicken wir jährlich 20 000 bis 30 000 Personen zurück, die illegal nach Algerien gekommen sind.

Frage: Herr Premierminister, Sie haben die Rückführung von Algeriern in Ihr Land angesprochen. Amnesty International beklagt bei aller Öffnung Ihres Landes noch sehr stark Repressalien gegen Homosexuelle, gegen Blogger, gegen Gewerkschafter. Auch der Umgang mit illegalen Migranten im Süden Ihres Landes wird scharf kritisiert. Könnten Sie da versprechen oder zusichern, dass es mehr Versammlungsfreiheit, mehr Meinungsfreiheit in Ihrem Land gibt? Welche Unterstützung erwarten Sie sich vielleicht auch von Deutschland?

Frau Bundeskanzlerin, trotz sinkender Zahlen in Deutschland ist ja die Stimmung in unserem Land sehr aufgeheizt, was Belange von Migration und Integration betrifft. Wer sind da Ihre Verbündeten im Kampf gegen Ängste? Was für ein Signal kann so ein Besuch wie heute in Algerien da sein?

BK'in Merkel: Um meinen Teil der Frage zu beantworten: Ich glaube, dass wir doch sehr intensive Gespräche hatten. Wir haben heute darüber geredet und auch gute Modalitäten gefunden, wie wir es noch effizienter gestalten können, dass diejenigen, die kein Recht haben, bei uns dauerhaft zu bleiben, zurückgeführt werden. Das ist gerade ein Beispiel dafür, wie wir auch in Deutschland unsere Probleme so lösen können, dass die Menschen dann sagen: Okay. Hier hat sich Recht und Gesetz durchgesetzt; denn es gibt eine hohe Bereitschaft in Deutschland, dass Menschen, die einen Fluchtgrund haben davon haben wir ja sehr viele, zum Beispiel aus Syrien und dem Irak , auch ein Aufenthalt gegeben wird, dass die Integration dort begonnen wird und dass auch Arbeitsmöglichkeiten bestehen. Auf der anderen Seite wird eben erwartet, dass da, wo die Frage des Aufenthalts negativ beschieden wird, der Staat auch handeln kann. Das setzt voraus, dass wir Partner haben, die das genauso sehen, und Algerien ist ein solcher Partner.

Gleichzeitig habe ich hier auch deutlich gemacht mich haben, als ich die Schule besucht habe, junge Mädchen gefragt: Was müssen wir tun, damit wir vielleicht auch eine Chance haben, in Deutschland zu studieren? , dass wir natürlich auch legale Möglichkeiten haben wollen zum Beispiel durch Visa, die während des Studiums gelten , Menschen legal einen Aufenthalt in Deutschland zur Ausbildung oder vielleicht auch im Zusammenhang mit Fachkräftezuwanderung zu ermöglichen. Beides gehört zusammen, und beides wird auch dem gesellschaftlichen Frieden dienen.

PM Ouyahia: Um jetzt auf meinen Teil der Frage zu antworten, die von der deutschen Journalistin gestellt worden ist, würde ich zunächst einmal sagen: Wenn jemand ein Land in der Welt kennt, das nicht von Amnesty International kritisiert wird, dann würde ich gerne wissen, welches es ist. Amnesty International ist eine Opposition, die ihre Meinung hat und die wir respektieren.

Um jetzt auf Ihre Frage danach zu antworten, was in meinem Land geschieht: Leider ist Ihr Aufenthalt nur kurz, aber Sie können Algerien durch die digitale Presse etwas besser kennenlernen. Wenn wir jetzt über Meinungsfreiheit sprechen, sollten Sie sehen, was es an Schriftpresse oder auch Karikaturen gegen den Staatspräsidenten, gegen den Premierminister und gegen sämtliche Institutionen gibt, und die Vielfalt der Zeitungen sehen, die es gibt. Ich glaube nicht, dass es einen Journalisten gibt, der deswegen verfolgt worden wäre.

Bezüglich der Homosexualität: Algerien ist ein Land, das seine Traditionen hat. Algerien ist eine Gesellschaft, die ihre Traditionen hat. Wir sind nicht in einem universellen Lauf der Entwicklung, sondern ein Land, das sich zusammenfindet, das sich versöhnt. Wir werden weiterhin auf der Grundlage unserer Werte arbeiten.

Bezüglich der ausländischen Personen, die zu uns kommen, die wir zurückschicken: Es wird uns vorgeworfen, Afrikaner in der Wüste auszusetzen. Das ist falsch. Im Juli und August haben wir fast 1000 Personen in ihre Länder begleitet – in Anwesenheit des UNHCR und in Anwesenheit der IOM. Ich glaube, ihre Aussagen bezüglich Algeriens waren ausreichend positiv.

Frage: Herr Premierminister, viele Beobachter oder Aktivisten auf politischem Gebiet sprechen von guten Beziehungen mit Algerien. Aber die wirtschaftlichen Beziehungen mit Deutschland sind nicht so gut wie die politischen Beziehungen. Es gibt sehr wenige deutsche Unternehmen in Algerien. Was bremst die Investitionen in Algerien? Kann man erklären, warum Frankreich immer an erster Stelle steht und erst dann Deutschland kommt?

PM Ouyahia: Ich werde zunächst auf Arabisch und dann auf Französisch antworten.

Du hast in Deiner Frage gesagt, dass die deutsche Seite einen sehr regen Anteil an diesen wirtschaftlichen Beziehungen hat. Erstens kann ich sagen, dass Deutschland mit einem Handelsvolumen von 4 Milliarden Dollar pro Jahr der drittgrößte wirtschaftliche Partner für Algerien ist. Wir haben also für die Wiederankurbelung der mechanischen Industrie durch die Teilnahme der deutschen Unternehmen gesorgt. Wir sehen heute zum Beispiel Busse oder Lkws, beispielsweise von Mercedes; diese Marke genügt schon. Die mechanische Industrie in (Ortsname nicht verifizierbar) und die Motorenindustrie in Constantine entstanden auch durch Deutschland. Private Unternehmen arbeiten mit Volkswagen zusammen. Es gibt den deutschen Partner noch immer. Wir haben 20 000 Partnerschaften, und es gibt noch weitere Verhandlungen.

Frage: Herr Premierminister, ich würde gerne auf die Frage der Rückführungen zurückkommen. Können Sie zusichern, dass Algerien die etwa 3700 in Deutschland ausreisepflichtigen Algerier zurücknimmt, und können Sie dafür auch einen Zeitraum nennen?

Ganz kurz an die Frau Bundeskanzlerin: Welche Erwartungen haben Sie denn an den EU-Sondergipfel in Salzburg?

Eine Frage zu der Lage in Deutschland: Eine Zeitung schreibt, Sie seien der Auffassung, dass Verfassungsschutzpräsident Maaßen nicht mehr tragbar sei, weil er sich in die Tagespolitik eingemischt hat. Stimmt das?

BK'in Merkel: Zu der letzten Frage kann ich nur sagen, dass das, was ich bereits am Freitag gesagt habe, weiterhin Gültigkeit hat und dass dem nichts hinzuzufügen ist.

Zu dem informellen Gipfel in Salzburg: Dort werden die Fragen des Brexit auf der Tagesordnung stehen, aber auch Fragen der gemeinsamen Migrationspolitik, der Politik mit Afrika. Bundeskanzler Kurz hat sich im Zuge der Präsidentschaft zusammen mit Donald Tusk als Ratspräsident das Thema Afrika zum Schwerpunkt gesetzt. Bundeskanzler Kurz hat mir gestern mitgeteilt ich glaube, auch der Presse , dass er beabsichtigt, noch zum Ende seiner Präsidentschaft im Dezember ein Treffen mit dem Vorsitzenden der Afrikanischen Union und anderen Vertretern Afrikas durchzuführen. Das werden die Themen sein. Es wird ja keine formellen Schlussfolgerungen geben, weil es sich um ein informelles Treffen handelt.

PM Ouyahia: Was die Frage angeht, die an mich ging: Wir sind bereit, 3700 ausreisepflichtige Algerier wiederaufzunehmen. Ich bestätige, dass Algerien seine Kinder wiederaufnehmen wird egal, ob es 3000 oder 3500 sein werden , sofern bestimmte Regeln eingehalten werden da sind wir völlig in Übereinstimmung mit den deutschen Behörden :

Erstens nenne ich die Identifizierung, dass es sich wirklich um Algerier handelt. Das werden wir in Zukunft noch effizienter prüfen, da unser Archiv jetzt digitalisiert worden ist und wir auch über digitale Fingerabdrücke verfügen. Das heißt, das kann jetzt schneller geschehen.

Zweitens kann ich Ihnen auch sagen, dass mindestens 700 Ausreisepapiere bei unseren Vertretungen in Deutschland für diejenigen Personen vorliegen, die ausreisepflichtig sind.

Drittens. Wir haben gesagt, dass wir keine Charterflüge nutzen wollen. Das gilt auch für alle anderen Länder. Air Algérie hat sechs Flüge wöchentlich zwischen Algerien und Deutschland. Air Algérie bringt bisher in erster Linie diejenigen Personen zurück, die sich illegal in Deutschland aufhalten, und zwar ca. fünf pro Flug. Wenn die deutschen Behörden jetzt die Lufthansa davon überzeugen könnten Lufthansa hat elf Flüge zwischen Deutschland und Algerien , dann würden natürlich die Frequenz und die Anzahl steigen. Zumindest was die Fristen angeht, sind wir da in sehr guter Abstimmung mit den deutschen Behörden. Wir wollen dieses Thema im Rahmen unserer Beziehungen, die ja exzellent sind, so schnell wie möglich abarbeiten.

Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin; persönlich mein ganz herzlicher Dank.