Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Ministerpräsident Söder und dem Ersten Bürgermeister Tschentscher im Anschluss an das Gespräch mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Ministerpräsident Söder und dem Ersten Bürgermeister Tschentscher im Anschluss an das Gespräch mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

in Berlin

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Donnerstag, 30. April 2020

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, die Regierungschefinnen und -chefs der Länder und ich haben wieder einmal über die gewaltigen Herausforderungen beraten, vor die die Coronapandemie alle Bürgerinnen und Bürger, aber auch alle Ebenen unseres föderalen Landes gestellt hat. Für diese Herausforderung gibt es keinerlei Vorlage und keine historischen Erfahrungswerte, und wir lernen dank der Arbeit der Wissenschaftler jeden Tag dazu, aber müssen eben auch dazulernen.

Ich bin sehr froh, dass wir diese Beratungen jetzt sehr regelmäßig immer etwa alle 14 Tage durchführen. Sie helfen uns, gemeinsam vorzugehen. Sie helfen uns, Beschlüsse im Sinne einer gemeinsamen Strategie zu fassen. Aber natürlich sind wir ein föderales Land. Das heißt, es gibt regionale Abweichungen. Das wird angesichts regionaler Unterschiede in einem Land wie Deutschland auch immer so sein.

Aber ich denke, es ist im Interesse der Menschen, der Bürgerinnen und Bürger, dass es bei dieser Pandemie für ganz Deutschland eine Strategie und eine Zielsetzung gibt. Ich möchte dieses Ziel deshalb noch einmal wiederholen. Da es weder ein Medikament noch einen Impfstoff gegen dieses Virus gibt, geht es immer darum, die Ausbreitung zu verlangsamen, und zwar so weit zu verlangsamen, dass unser Gesundheitssystem, unsere Krankenhäuser, die Zahl der schwer an Corona Erkrankten bewältigen und jedem Patienten die bestmögliche medizinische Versorgung geben können.

Das ist uns bis jetzt gelungen. Wir alle zusammen haben in den letzten Wochen viel erreicht. Ich möchte noch einmal allen danken, die dazu beigetragen haben, indem die Regeln befolgt wurden und werden, indem Einschränkungen von den Menschen auf sich genommen und eigene Interessen für das Wohl aller immer wieder hintenangestellt wurden. Viele tun das weiterhin, und ich bitte auch alle, es weiterhin zu tun.

Aber ich möchte heute den Dank erweitern, und zwar auf all diejenigen, die sich bei dem Hochfahren unseres öffentlichen Lebens, von Wirtschaft, von sozialen Bereichen darüber Gedanken machen, wie das geschehen kann. Es beeindruckt mich sehr, wie Branche für Branche und Lebensbereich für Lebensbereich Konzepte erarbeitet werden, die mit viel Liebe zum Detail genau auf die wichtigen Dinge achten, die bei der Bekämpfung dieses Virus so entscheidend sind, nämlich darauf, Distanz zu halten, sich zu schützen, Masken zu tragen, ob das im Arbeitsschutz ist oder im gesellschaftlichen Leben. Diese umsichtigen Arbeitsschutzkonzepte mit Abstands- und Hygieneregeln oder die Vorschläge der Kultusministerkonferenz, der Jugendministerkonferenz, die Vorschläge der Religionsgemeinschaften, die wir jetzt gesehen haben, sind ein Beispiel dafür, wie sozusagen der zukünftige Alltag unter den Bedingungen der Pandemie gestaltet wird. Das geht sehr, sehr gut voran.

Wenn diese Konzepte ausgearbeitet sind, dann bleibt uns natürlich jeweils die Verantwortung der Politik, zu entscheiden, wann es wieder losgehen kann. Das sind schwierige Entscheidungen und schwierige Abwägungen. Es gibt auch keinen Automatismus, sondern wir müssen jedes Mal vorsichtig auf die Gesamtlage blicken. Immer wieder haben wir die große Verantwortung, alles, was in unserer Macht steht, zu tun, damit es keinen Rückfall in eine schwierigere Phase gibt, sondern damit wir Schritt für Schritt vorankommen.

Wir haben es bis jetzt geschafft, die Dynamik der Ausbreitung des Virus zu bremsen. Das muss auch weiterhin unser Leitgedanke sein, zumal uns die Wissenschaftler der führenden Wissenschaftsorganisationen ja auch immer wieder sagen, dass wir daran arbeiten sollen und müssen, die Zahl der Infizierten, auch wenn sie heute schon viel geringer ist, noch weiter nach unten zu bringen. Es geht vor allen Dingen auch darum, dass wir die Infektionsketten nachvollziehen können. Hierbei hat der öffentliche Gesundheitsdienst Hervorragendes geleistet. Ich möchte mich auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser öffentlichen Gesundheitsdienste ganz herzlich bedanken. Sie haben im Augenblick sozusagen wirklich viel von unserer Zukunft in ihrer Hand. Deshalb haben wir sie auch unterstützt und gestärkt.

Jede Lockerung der bisherigen Einschränkungen führt natürlich dazu, dass sich Menschen wieder mehr in der Öffentlichkeit bewegen, einander mehr begegnen, dass sich Innenstädte und auch Verkehrsmittel füllen. Deshalb müssen wir die notwendigen Auswirkungen auf mögliche Neuinfektionen ständig im Blick behalten. Ich denke, dabei sind sich Bund und Länder einig. Das kommt auch in unserem Beschluss zum Ausdruck. Es bleibt also unbedingt notwendig, dass wir diszipliniert bleiben, dass wir den Sicherheitsabstand wahren und die Hygieneregeln einhalten.

Wir werden bei allen kommenden Maßnahmen auch immer wieder gut abwägen, was das gesundheitlich bedeutet, welche Auswirkungen das für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft hat und was vor allen Dingen auch die wirtschaftlichen Aspekte sind. All das muss sorgsam miteinander abgewogen werden. Wir wissen - das haben wir heute auch zum Ausdruck gebracht -: Bund und Länder müssen so aufgestellt sein, dass wir es frühzeitig bemerken, sollte die Kurve der Infektionen wieder steiler werden. Wir müssen also ein Warnsystem haben und gegebenenfalls auch bereit sein, zu reagieren. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir uns darüber einig sind.

Deshalb waren die heutigen Beratungen ein Zwischenschritt. Denn die 12 bis 14 Tage, die es dauert, bis wir wissen, welche Auswirkungen das Ganze auf unser Infektionsgeschehen hat, werden erst am 6. Mai vorbei sein. Wir erinnern uns an die Öffnung von Geschäften. Deshalb werden wir auch bereits nächste Woche wieder tagen. Wir haben deshalb heute einzelne Beschlüsse gefasst, aber wir werden vor allen Dingen in der nächsten Woche noch einmal ein weitergehendes Paket verabschieden.

Heute stand noch einmal das Bekenntnis im Zentrum, dass wir Großveranstaltungen bis zum 31. August nicht werden zulassen können. Das wird etwas spezifiziert: größere Sportveranstaltungen, Volksfeste mit Zuschauern, größere Konzerte, Festivals, Dorf-, Stadt-, Straßen- und Wein- und Schützenfeste und Kirmesveranstaltungen. Diese werden also auch noch für längere Zeit untersagt bleiben müssen.

Ich möchte mich bei den Kirchen und Religionsgemeinschaften bedanken, die ein hervorragendes Konzept vorgelegt haben. Die Verantwortung hierfür liegt bei den Ländern, aber es wird unter den Maßregeln, die dort gemeinsam mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften ausgearbeitet wurden, wieder Gottesdienste geben können.

Wir haben uns entschlossen, unter Auflagen auch Spielplätze - das werden die Länder dann im Einzelnen entscheiden - und unter Auflagen auch die Kultureinrichtungen wie Museen, Ausstellungen, Galerien, Gedenkstätten oder zoologische und botanische Gärten wieder öffnen zu können.

Wir werden am 6. Mai die Konzepte der Kultusminister, Jugendminister und Sportminister auswerten und sehr klare Entscheidungen darüber fällen, in welcher Folge und in welcher Art und Weise Schule und Kita wieder möglich sind, ebenfalls bestimmte sportliche Betätigungen, natürlich unter gegebenen Bedingungen.

Wir haben auch darüber gesprochen, dass wir natürlich auch anderen Branchen Perspektiven geben sollten. Deshalb werden die zuständigen Fachministerkonferenzen beauftragt, bis zu der Konferenz, die auf den 6. Mai folgt - das Datum dafür haben wir noch nicht genau festgelegt -, Perspektiven und Rahmenbedingungen für die schrittweise Öffnung von Gastronomie- und Tourismusangeboten und für die weiteren Kultureinrichtungen vorzubereiten, natürlich immer unter der Voraussetzung, dass das Infektionsgeschehen dies zulässt.

Wir haben heute die Arbeitslosenzahlen und die Zahl der Menschen, die in Kurzarbeit sind, gehört. Wir wissen, dass es tiefgehende wirtschaftliche Auswirkungen gibt, die wir abzufedern versuchen. Trotzdem sind sie natürlich mit großen, großen Härten für Beschäftigte, für Inhaber von Unternehmen, für Selbstständige und viele andere verbunden. Deshalb haben wir diese Dinge im Blick. Aber ich bin der festen Überzeugung: Auch die Interessen der Wirtschaft, auch die Interessen der sozialen Kontakte verfolgen wir dann am besten, wenn wir einen Blick darauf werfen, dass wir bei der Zulassung von mehr Kontakten Schritte vorangehen können, aber nicht mehr zurückgehen müssen. Deshalb bleiben Vorsicht und auch die Einhaltung der Hygienemaßnahmen das Gebot.

MP Söder: Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Bundeskanzlerin, Corona hält uns weiter in Atem, und zwar nicht nur Woche für Woche, sondern jeden Tag. Alle politisch Verantwortlichen in Deutschland überlegen sich - man kann es nicht anders sagen - rund um die Uhr, was der richtige Weg und der richtige Zeitpunkt sind, auf welchen Themenfeldern und wie wir am Ende diese größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg für unser Land meistern können.

Das Positive ist, dass sich die Zahlen zu Corona deutlich stabilisiert haben. Ich kann das allein an einem Bundesland wie Bayern sagen. Aufgrund der Grenznähe waren wir am Anfang mit am stärksten betroffen. Wir hatten zu Beginn der Krise jeden Tag Steigerungsraten von 25 Prozent, 28 Prozent. Wir liegen zum Beispiel heute nach RKI bei 0,6, einem sehr, sehr stabilen niedrigen Wert. Das macht uns zwar optimistisch, aber trotzdem bleibt die Sorge. Denn wir wissen nicht, was kommt und ob das hält. Denn solange kein Medikament und kein Impfstoff da sind, droht jederzeit die Gefahr eines Rückfalls oder einer zweiten Welle.

Wir haben also bislang ein Stück weit Glück gehabt, und wir haben klug agiert. Die Geduld der Menschen hat enorm viel dazu beigetragen, dass sich Deutschland stabilisiert hat, aber auch, denke ich, das rechtzeitige und frühzeitige sowie geschlossene und entschlossene Handeln der Politik in Deutschland.

Im Moment, finde ich, entbrennen Debatten, die ich eigentlich angesichts der Situation zum Teil nicht nachvollziehen kann. Im Moment werden nur die Fragen gestellt, welche Folgen und welche schwierigen Auswirkungen der Lockdown gehabt hat. Ich bitte, einmal die Gegenfrage zu stellen: Welche Folgen hätte es gegeben, hätten wir das nicht gemacht? Was wäre in unserem Land los gewesen, hätten wir es verschlafen? Fast kein Land der Welt hat sich anders verhalten, und alle die, die es anders gemacht haben, müssen nachjustieren mit erheblichen Schäden.

Unser Gesundheitssystem, das so oft geschmäht wurde, hat bislang den absoluten Stresstest bestanden. Deutschland hat diesen Stresstest bislang gut bestanden. Aber Achtung: Er ist noch nicht vorbei! Corona ist ein Marathon, bei dem wir nicht wissen, wo das Ziel ist und wie lange der Lauf dauert, sodass wir, obwohl wir eine gute Zeit überbrückt haben, weder plötzlich zu laufen aufhören noch uns ausruhen können. Wir brauchen weiterhin maximale Konzentration und Aufmerksamkeit für diese Frage, für die Klärung und für die weitere Strategie, wie es mit Corona weitergeht.

Wenn ich das noch sagen darf: Wir müssen die wirtschaftlichen Fragen im Blick haben, dürfen dabei aber die ethischen nicht vergessen. Debatten über die Frage, wie lang jemand leben soll, halte ich nicht nur für unangebracht, sondern auch für gefährlich. Übrigens stand man in Italien letztlich vor genau dieser Debatte: Wer darf beatmet werden; wer nicht? Wer hat noch ein Recht, länger zu leben? - Wenn wir über solche Fragen in Deutschland reden, dann ist das nicht nur ein falscher Schritt, sondern es ist ein schwerer Rückfall in Diskussionen, die wir auf keinen Fall zulassen sollten.

Der wichtigste Rat ist also Vorsicht und Umsicht. Das heißt aber nicht, das auszublenden, was im Land stattfindet. Wir sind nicht stur. Aber wir sind verantwortlich. Deswegen brauchen wir auch weiterhin den Rat der Wissenschaftler. Wenn heute Max Planck, Leibnitz und Helmholtz, also drei der international angesehensten Wissenschaftsinstitutionen der Welt, die überall in der Welt tätig sind, Deutschland bescheinigen, dass der Weg im Moment der richtige war, dann sollten wir das einmal als positives Moment hinnehmen. Dass Virologen ihre Meinung weiterentwickeln, ist selbstverständlich, weil sich das Virus ja auch entwickelt. Es müssen die Erkenntnisse aus der ganzen Welt zusammengetragen werden.

Sogar Politiker sollen ab und an gestern etwas anderes gesagt haben als heute. Insofern gibt es keine Verteufelung, sondern ein Miteinanderleben. Ich fand, dass wir heute sehr sachliche, sehr tiefgreifende und verantwortungsbewusste Diskussionen hatten. Es ist wichtig, dass wir am Ende eines klarmachen: Wir wollen Zeitachsen eröffnen; wir wollen Perspektiven geben. Aber wir blenden nicht aus, was passieren kann, wenn wir zu schnell agieren, wenn wir Fehler machen, wenn wir es überstürzen und dabei über unsere eigenen Füße stolpern.

Mein Eindruck ist, Frau Bundeskanzlerin: Europa schaut eigentlich etwas bewundernd auf Deutschland, manchmal aber auch etwas verwundert auf Deutschland, wie gut es bisher gelaufen ist und wie schnell wir jetzt schon wieder glauben, dass dieses Problem keine Rolle spielt.

Ich habe übrigens Verständnis für alle. Ich habe Verständnis für alle Bürger, die sagen „Ich möchte wieder so leben wie vorher. Ich möchte gerne in die Gastronomie gehen, ich möchte in den Urlaub fahren.“ Natürlich, das würden wir alle gern selbst.

Ich spüre auch den wirtschaftlichen Druck. Wir erleben, dass verschiedene Gruppen auf uns zukommen und sagen: „Macht jetzt mehr, macht jetzt schneller.“ Aber die Aufgabe von uns ist es, alles zusammenzubringen, aus Ungeduld Kreativität zu entwickeln und auf der anderen Seite mit Konzepten, die perspektivisch sind, Zeitachsen zu definieren, diese Zeitachsen aber auch so zu sehen, dass es schneller gehen kann, wenn es besser wird, aber langsamer, wenn es schlechter wird. Das ist meiner Meinung nach das ganz Entscheidende, also eine „atmende Strategie“ in Bezug auf die Entwicklung. Unsere Aufgabe ist Besonnenheit. Keine Experimente mit der Gesundheit der Menschen.


Was das angeht, was wir heute gemacht haben, gibt es sicherlich bei der einen oder anderen Frage einen unterschiedlichen Akzent. Der eine wollte mehr, der andere wollte weniger. Ich glaube, das ist ein Rahmen - Herr Tschentscher, das kann man sagen -, in dem sich alle wiederfinden können und in dem wir uns für Woche für Woche weiter bewegen.

Das Ziel ist es, dies transparent zu machen, Auflagen zu verbinden und natürlich regionale Besonderheiten zu akzeptieren. In einigen Bundesländern wird man andere Entscheidungen treffen, was Gerichtsurteile angeht, in anderen geht man vorsichtiger um. Ich sage es zum Beispiel für Bayern: Das, was heute beschlossen wurde, muss jetzt aufgearbeitet werden und muss in den nächsten Kabinettssitzungen beraten werden. Wir werden nächste Woche in Bayern den entsprechenden Fahrplan gestalten. Beim Thema Spielplätze ist zum Beispiel die Frage: Wie und in welcher Form öffnen wir diese? Das muss man dann diskutieren.

Ich will nur eines sagen, was mir noch ganz besonders wichtig ist: Die Wirtschaft ist der eine Teil. Darüber wird umfangreich nachgedacht. Was Gastronomie und Handel angeht, werden wir nächste Woche über die Perspektiven reden. Da gibt es schon Vorarbeiten. Ich sage der Gastronomie, dem DEHOGA und natürlich auch der Gewerkschaft, die dahintersteht: Tolle und kluge Konzepte. Aber das ist die größte Herausforderung, weil in der Gastronomie ein Mundschutz wenig Sinn macht und das Distanzgebot, das das zentrale Element ist und bleibt, angesichts von Alkohol zumindest schwerer konsequent umsetzbar ist. Das ist einfach die Realität des Lebens. Konzepte, die wir machen müssen, dürfen nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern auch in der Realität.

Ich sage schon: Uns macht die Familie die meisten Sorgen. Nächste Woche ist beispielsweise Muttertag. Natürlich ist es wichtig, dass wir für Senioren und Pflegeheimen, die nach wie vor die größte infektiologische Herausforderung sind, einen Weg finden können, dass man sich wieder etwas häufiger besuchen kann, dass man Mutter und Großmutter besuchen und sehen kann. Dafür gibt es Möglichkeiten mit festen Kontaktpersonen.

Der Spielplatz ist eigentlich nicht das Wichtigste, sondern wichtig ist, dass wir für Kitas und Schulen einen Weg finden. Es ist übrigens wichtig, dass wir einen Weg finden, dass wir die Besorgnisse der Eltern, die sich große Sorgen um die Kinder machen, die gefährdet sind, ernst nehmen, aber auch den Pädagoginnen und Pädagogen eine Chance geben, die zu den Risikogruppen gehören. Es wird die größte und sportlichste Herausforderung sein, diesbezüglich ein Konzept mit breitester Unterstützung zu haben. Das Gleiche gilt für den Bereich der Kitas.

Hinsichtlich der Schulen ist es mir wichtig, zu sagen: Es ist wichtig, dass man die Zeitachsen so definiert, dass es nicht Chaos an den Schulen gibt und wir wieder zurückdrehen müssen, also Schulen schließen müssen, obwohl sie gerade erst geöffnet haben. Wir müssen das Ganze in Einklang mit einer Zeitachse bringen, was die Ferien angeht.

Wir haben heute gute Beschlüsse gefasst, was Gottesdienste angeht. Ich finde, das war ein wichtiger Beitrag.

Wir haben das Thema Kultur auf die Bereiche der Museen erweitert. Bevor die Museen geöffnet werden können, müssen im Laufe der nächsten Woche entsprechende Hygienekonzepte vorhanden sein. Das gilt übrigens auch für Tiergärten. Wir müssen mit den Kommunen reden - in Bayern insbesondere in München und Nürnberg -, wie man die Tiergärten natürlich nur außen und nicht innen öffnet und wie man beispielsweise Karten über den Online-Verkauf organisiert. Das muss man an der Stelle mit den Kommunen bereden.

Letzter Punkt: Die heutigen Beschlüsse, die wir getroffen haben, sind, wie die Bundeskanzlerin gesagt hat, wieder ein Schritt in Richtung Normalität, aber eine Normalität mit Corona. Eine andere Normalität gibt es auf absehbare Zeit nicht. Das wird nicht ewig so sein. Wir werden schon durch diese Krise kommen. Wir haben bislang das Land gut durch die Krise geführt, und wir werden auch - davon bin ich überzeugt - das Land gemeinsam aus dieser Krise herausführen. Aber ich glaube, Geduld und Konsequenz sind zusammen der richtige Ratgeber. Besonnenheit statt Lobbyismus, Transparenz und Nachvollziehbarkeit in den Punkten wird in den nächsten Wochen wichtig sein. Wir müssen schauen - ich finde, das ist uns heute besser gelungen als manches Mal zuvor -, dass wir ein Stückwerk vermeiden und eine langfristige Perspektive haben. Perspektive heißt, dass wir auch ein bisschen Licht am Ende des Tunnels sehen. So entwickeln wir uns Woche für Woche weiter.

Noch einmal danke an die Kollegen aus Hamburg und aus den anderen Bundesländern. Ich glaube, das war insgesamt eine gute Diskussion, auch wenn es Unterschiede gibt, was die Regionalität angeht.

Zum Schluss auch ein Dank an die Bundeskanzlerin, die tatsächlich die internationale Stimme der Vernunft ist.

BGM Tschentscher: Wie gesagt, wir haben besprochen, was wir alle in Deutschland spüren. Je erfolgreicher wir mit der Verlangsamung der Infektionsgeschwindigkeit sind, umso stärker tritt Tag für Tag der dringende Wunsch der Bürgerinnen und Bürgern in den Vordergrund, dass wir weitere Schritte in Richtung eines wieder normaleren öffentlichen Lebens gehen.

Gleichwohl - das war wirklich die durchgängige Haltung in der der heutigen Diskussion - dürfen wir unsere Strategie, die erfolgreich ist, jetzt nicht verlassen. Die Strategie besteht darin, dass wir schrittweise vorgehen und dass wir kontrolliert vorgehen, dass wir jeden größeren Schritt, den wir gehen, über einen entsprechenden Zeitabstand und die Infektionsdaten, die wir dann erhalten, kontrollieren.

Das hat die Entscheidung heute geprägt: Kein großer neuer Schritt, sondern wir werden dies am 6. Mai, also in der kommenden Woche, erörtern. Es wird dann um die Dinge gehen, die vereinbart sind und die schon als Konzept vorliegen. Es wird dann um die Bereiche Sport, Kita, Schule und um weitere Schritte in diesen Feldern gehen. Heute haben wir uns auf Kleinere bereinigende Maßnahmen und Einzelpunkte beschränkt, bei denen wir davon ausgehen können, dass sie kein nennenswertes größeres Infektionsrisiko mit sich bringen, wenn wir die Maßnahmen einhalten, mit denen wir diese Schritte verknüpft haben.

Insofern war es ein sehr gutes Ergebnis. Heute sind Dinge, die schon beschlossen waren oder vorbereitet waren, wie zum Beispiel die erleichterte Religionsausübung, kombiniert mit bereinigenden Punkten, die zum Teil in einigen Ländern sowieso schon in Kraft waren und die voraussichtlich ein nur sehr, sehr geringes Risiko mit sich bringen, die Infektionssituation zu verschlechtern, beschlossen worden. Wir haben einvernehmlich gesagt: In der kommenden Woche werden wir im Lichte der dann vorliegenden Daten über den nächsten oder die nächsten großen Schritte sprechen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie hatten es in Ihrer Stellungnahme gesagt: Über Gastronomie und Tourismus soll nicht in der nächsten, sondern in der darauffolgenden Sitzung entschieden werden. Dann sind wir kurz vor den Pfingstferien. Wenn Sie das heute einschätzen müssten - die Leute müssen ja auch buchen -, glauben Sie, dass im Sommer ein Urlaub außerhalb von Deutschland, vielleicht in Italien oder Spanien, möglich ist?

Damit ist eine Frage an Ministerpräsident Söder verknüpft: Kann es diesbezüglich vielleicht eine Sonderrolle für Österreich geben? - Danke!

BK’in Merkel: Ich kann nur zu den Dingen wirklich profunde Aussagen machen, die ich überblicken kann. Das kann heute nicht überblickt werden.

Ich möchte auch noch einmal auf eines hinweisen: Bei uns findet die Diskussion auf einem sehr komfortablen Niveau statt. Wir reden jetzt darüber: Wann machen wir die Schulen, die Kitas auf? Wir erarbeiten Konzepte für die Zukunft. Wann kann vielleicht in den Bereichen Restaurants und Hotels wieder etwas stattfinden? In einigen europäischen Ländern gibt es noch den totalen Lockdown. Wenn ich an unsere französischen Nachbarn denke, ist das bei ihnen noch bis zum 11. Mai der Fall.

Jetzt darüber zu sprechen, wie die europäischen Reisebewegungen im Sommer stattfinden, ist nicht das Thema, das im Augenblick schon auf der Tagesordnung steht. Ich kann für uns, für Deutschland, nur sagen: Wir sollten alles daransetzen - das sagen uns ja auch die Wissenschaftler - so weiter zu machen. Wir sind jetzt für ganz Deutschland bei durchschnittlichen Infektionszahlen von unter 1500 Fällen mehrere Tage lang. Wir haben 400 Gesundheitsämter. Die Infektionen sind sehr unterschiedlich verteilt, aber wir haben die Gesundheitsämter so gestärkt, dass im Grunde die Infektionsketten nachvollziehbar sind. Wir gewinnen auch viel mehr Einsicht über die Fragen: Wo ist ein Geschehen in einem Pflegeheim? Wo gibt es etwas in einem Krankenhaus? Wo sind das noch die Nachwirkungen der Skiurlauber?

Wir müssen jetzt lernen, wie sich unsere zusätzlichen Hygienemaßnahmen, die Tatsache, dass im öffentlichen Raum sehr viele Masken oder Mundschutz getragen wird, dass sich die Menschen an die Distanzregelung gewöhnt haben, im Vergleich zu der Zeit vorher bemerkbar machen.

Dann werden wir zuerst einmal sehen, was sich regional tut. Eine neue Phase würde erreicht werden, wenn wir innerhalb Deutschlands wieder touristische Reisen zuließen, denn dann wären tatsächlich die Hausstände wieder vollkommen durcheinandergebracht.

Auch die Restaurants sind deshalb so problematisch - nicht, dass wir der Gastronomie und den Menschen nicht wünschten, dass sie essen gehen können -, weil wir, selbst wenn die Tische zwei Meter Abstand voneinander stünden, natürlich an einem Tisch natürlich nicht kontrollieren könnten: Sitzt dort eine Familie - dann ist das vollkommen unproblematisch - oder aber sitzen dort Menschen, die sich aus ganz unterschiedlichen Hausständen begegnen?

Wir müssen jedes Mal lernen: Wie wirkt sich das aus? Wie weit haben die Hygienemaßnahmen gegriffen? Ich glaube, das ist das Klügste und am Schluss auch schnellste Vorgehen. Deshalb steht die Frage, ob man innerhalb Europas reisen kann, jetzt noch nicht auf der Agenda. Das muss ich ganz einfach so sagen.

MP Söder: Die Entscheidung darüber, ob die Grenzen offen sind oder ob sie es nicht sind, trifft an der Stelle der Bund. Ich kann nur eines sagen: Sollte am Ende möglicherweise das Reisen innerhalb Deutschlands möglich sein, kann ich jedem, der in den Süden fährt, sagen: Man muss nicht nach Österreich fahren. Man kann auch in Bayern Urlaub machen.

BGM Tschentscher: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

MP Söder: Wenn es dann möglich ist. Wenn man Richtung Süden fährt, kann man in Bayern - - -

BK’in Merkel: Auch der Norden hat Supermöglichkeiten, sich zu vergnügen.

MP Söder: Dann ist es schon geklärt, wohin man fährt: nach Norden oder nach Süden. Der Westen ist auch dabei.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Söder, am Dienstag findet der Autogipfel statt. Die Autoindustrie, die sich ja in der Vergangenheit durch Betrug selbst etwas in Schieflage gebracht hat, fordert jetzt wieder die Hilfe der Steuerzahler. Haben diese jetzt eine Aussicht auf Kaufprämien?

Was ist eigentlich mit dem Termin, den Herrn Braun heute Morgen angekündigt hat, dass die allgemeinen Kontaktbeschränkungen bis zum 10. Mai weiter gelten?

BK’in Merkel: Das ist ja das übliche Verfahren. Die Beschränkungen galten im Allgemeinen bis zum 3. Mai. Wir haben auch heute den Beschluss wieder so aufgebaut, dass alles, was nicht extra erwähnt wird, weiter so gilt, wie wir es früher beschlossen haben. Die allgemeinen Verfügungen werden in den meisten Ländern - Markus Söder und Herr Tschentscher können das besser sagen - noch einmal weiter bis zum 10. Mai geschrieben. Wir werden uns dann am 6. Mai wieder treffen, und dann wird man wieder sehen. Das ist bis jetzt jedes Mal so passiert. Der Chef des Kanzleramts, Herr Braun, wollte nur deutlich machen, dass die nicht am 3. Mai enden, sondern dass die fortgeschrieben werden. Darauf haben wir uns heute auch verständigt.

Was das Gespräch mit der Automobilindustrie anbelangt, so ist das ein Gespräch, das wir ja jetzt regelmäßig führen. Damit hatten wir im Übrigen schon vor der Coronakrise in einem etwas größeren Format begonnen. Das war Ausdruck der Tatsache, dass die Automobilindustrie eine wichtige Kernbranche in Deutschland ist, von der sehr, sehr viele Arbeitsplätze abhängen. Wir haben natürlich ein großes Interesse daran, wenn es um die Wiederbelebung der Wirtschaft geht, dass die Automobilindustrie auch gute Chancen hat.

Wir werden am Dienstag keine Entscheidungen über Anreize zum Autokauf fällen, weil wir das in ein Gesamtprogramm zur Belebung der wirtschaftlichen Tätigkeit einbetten werden. Dabei wird sicherlich auch die Automobilbranche eine Rolle spielen. Sie wird es im Übrigen auch auf europäischer Ebene tun, denn auch dort reden wir ja über einen „recovery fund“. Jeder hat also gesagt: Wir haben jetzt Rettungsmaßnahmen in Höhe von 500 Milliarden Euro, wie wir genauso auch nationale Rettungsmaßnahmen haben, und jetzt geht es dann auch um die Perspektive, darum, was passiert, wenn die Wirtschaft wieder anlaufen soll. Auch dabei wird auf europäischer Ebene die Automobilindustrie eine Rolle spielen; denn nicht nur deutsche Arbeitsplätze hängen davon ab, sondern auch viele Arbeitsplätze in Spanien, in osteuropäischen Ländern usw. Aber am Dienstag sind dazu keine zeitnahen Entscheidungen zu erwarten.

Ich glaube, wenn man sich heute einmal die Arbeitslosenzahlen und die Kurzarbeitszahlen anschaut - mehr als 10 Millionen Menschen befinden sich in Kurzarbeit -, dann kann man sagen: Es ist sehr gut, dass wir solche Reserven auch bei unserer Bundesagentur für Arbeit haben. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort möchte ich auch dafür danken, diese ganzen Anträge innerhalb kurzer Zeit zu bearbeiten. Das sind etwa 14-mal so viele Menschen wie die, die das normalerweise machen. Die haben sich innerhalb kurzer Zeit eingearbeitet, um Menschen auch eine Perspektive zu geben. Aber das zeigt auch, dass wir natürlich, soweit das Infektionsgeschehen das zulässt, alles tun sollten, um die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen, und dazu gehört die Automobilindustrie.

MP Söder: Ich will dies nur ergänzen. Sie wissen, dass die großen Autoländer - Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern – sich dabei eng abstimmen. Wir werden jetzt am Montag dazu auch eine Videokonferenz durchführen und werden auch noch einmal darüber reden. Wir sind uns aber ziemlich einig darüber, dass wir für die Automobilindustrie - nicht nur für die Automobilindustrie als solche, sondern auch für eine Verbindung von Automobilität mit der Herausforderung des technologischen Klimaschutzes - natürlich ein Konzept brauchen.

Wir waren uns auch immer alle darüber im Klaren: Wir haben jetzt so eine Phase des, sage ich einmal. Überbrückens. Deswegen ist Kurzarbeit so wichtig. Deswegen sind die Kredit- und Bürgschaftsprogramme so wichtig. Wir werden dann, sollte sich alles so stabilisieren, wie es ja im Moment aussieht und wie wir hoffen, auch noch ein Wirtschaftskonzept des Durchstartens und auch der Animation und Stimulation der Wirtschaft brauchen, um das in Gang zu setzen, zumal wir als Exportnation natürlich extrem davon abhängig sind, ob es in anderen Ländern ähnliche Entwicklungen wie bei uns gibt. Da muss man - die Frau Bundeskanzlerin hat es ja angesprochen - ja sagen: Wenn sich der USA-Markt nicht entwickelt, wenn sich in Europa wenig bewegt, dann müssen wir auch umgekehrt überlegen, was wir in Deutschland noch tun können, um Nachfrage und Binnenkonjunktur anzukurbeln. Da braucht es viele Ideen. Eine davon ist sicherlich, die Automobilität zu unterstützen.

Sie wissen: Ich bin für eine solche Innovationsprämie. Wir werden jetzt einmal mit den Autoländern reden und dann über den Punkt, ob und wie das umgesetzt werden kann.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben ja gerade eine Art Lanze für die Wissenschaft und deren stetig neue Erkenntnisse gebrochen. Können Sie die Kritik nachvollziehen, die sich ja an die Politik und auch an Sie persönlich richtet, dass sie aufgrund unterschiedlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse natürlich auch immer wieder neue Zielansagen gemacht haben, also die Verdopplungszahl 10, die Verdopplungszahl 14, dann war plötzlich der Faktor R wichtig, und jetzt ist eigentlich gar keine Zahl mehr wichtig. Können Sie das nachvollziehen?

Habe ich Sie richtig verstanden, dass ein neues qualitatives Ziel jetzt ist, dass man einerseits die Gesundheitsämter so ausstattet und andererseits die Fallzahl auf einen so niedrigen Wert gesenkt bekommt, dass man das jeweils dahingehend zusammenbringt, dass die Infektionsketten verlässlich immer wieder unterbrochen werden können?

Bitte noch eine Kleine Zusatzfrage: Trifft es zu, dass der französische Präsident Sie mit dem Ansinnen kontaktiert hat, dass, nachdem die Franzosen die Spiele der ersten französischen Liga abgesagt haben, auch Sie die Bundesliga stornieren sollen?

BK’in Merkel: Nein. Davon habe ich überhaupt noch nie etwas gehört. Ich habe regelmäßigen Kontakt mit dem französischen Präsidenten, aber davon habe ich nichts gehört.

Ich will als Erstes einmal sagen, dass ich mich sehr freue, dass Deutschland herausragende Wissenschaftler im Bereich der Virologie, aber auch im Bereich der Epidemiologie hat, auf deren Stimme wir hören können und auf deren Stimme auch viele andere außerhalb Deutschlands hören. Wir haben mit Herrn Drosten immerhin den Forscher, der den ersten Test für das Coronavirus entwickelt hat. Da kann man sich schon freuen, wenn das einer ist, in Deutschland arbeitet; denn ohne diese Tests wären wir ja in einer ziemlich schwierigen Lage.

Das Kennzeichen von Wissenschaft ist, dass man auch immer wieder die neuesten Erkenntnisse transparent und deutlich macht. Wir haben zum Beispiel ein brennendes Interesse daran, herauszubekommen, wie dieses Virus auf Kinder wirkt, weil davon natürlich sehr, sehr viele Entscheidungen abhängen. Dazu gibt es sehr viele Studien, und keine ist so, dass man jetzt sagen würde, das sei schon das Ende, sondern da gibt es jeden Tag neue Erkenntnisse. Es wäre aber auch ganz schlimm, wenn die Wissenschaftler das, was sie wissen, nicht publizierten und dann daraus eine konsolidierte Meinung erarbeitet werden muss. Aber es kann natürlich sein, dass man es nach drei Monaten noch nicht abschließend weiß. So ein Virus kann sich auch verändern; das kann auch sein. Es kann ganz außergewöhnliche Dinge geben. Das Virus kann mutieren, und plötzlich hat man andere Erkenntnisse, als man am Anfang hatte.

Das heißt, damit müssen wir leben. Das ist Teil unserer aufgeklärten Gesellschaft. Es wäre nichts schlimmer, als wenn Wissenschaftler uns ihre jüngsten Erkenntnisse nicht mitteilen würden. Entscheiden müssen wir politisch. Wir müssen abwägen, die Erkenntnisse aus den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen zusammennehmen, Maßstäbe bilden. Wir wollen keine Überforderung des Gesundheitssystems, aber natürlich wollen wir auch, dass unsere Wirtschaft möglichst gut arbeiten kann. Im Übrigen gibt es Länder in Europa, in denen die Hälfte der Wirtschaft gar nicht tätig ist. Wir haben wirtschaftliche Tätigkeit im Grunde nie verboten.

Jetzt komme ich zu den Zahlen. Um einen Sachverhalt wie eine solche Pandemie oder Epidemie zu beschreiben, kann es durchaus drei Kenngrößen geben, von denen keine einzige falsch ist. Am Anfang war es unheimlich einprägsam, dass man gesagt hat „In zwei Tagen verdoppelt sich die Zahl“, dann „In sechs Tagen verdoppelt sich die Zahl“, und dann waren es zehn Tage. Warum bin ich auf 14 Tage gegangen? – Weil wir plötzlich festgestellt haben, dass die Patienten, die in den Beatmungsbetten liegen, nicht zwei Wochen dort liegen, sondern im Durchschnitt drei bis vier Wochen dort liegen. Das konnten wir aber nicht wissen, als wir noch keine Beatmungs- - -

MP Söder: (ohne Mikrofon; akustisch unverständlich)

BK’in Merkel: Wir haben am Anfang ganz viele Krankenhausbetten normal gebaut. Hier in Berlin ist an einer ganzen Klinik gearbeitet worden. Wir haben Intensivbetten verstärkt. Irgendwann haben wir gemerkt: Mit der normalen Krankenhauskapazität kommen wir klar; wenn es einen Engpass gibt, dann bei den Intensivbetten.

Jetzt ist es natürlich ein Unterschied, wenn man nachher einmal bei 14 oder 15 Tagen liegt. Die ersten Schließungen haben wir gemacht, als es 3000 Infizierte gab. Binnen weniger Tagen waren es 9000 und dann 18 000. Heute liegen wir bei aktuell bei 40 000 Infizierten und einer Gesamtzahl von 150 000 bis 160 000. Die Verdopplungszahl ist also ein Punkt.

Aber immer war für jeden Epidemiologen der R-Faktor etwas, das existiert hat. Es gibt überhaupt keinen Epidemiologen, der ohne R-Faktor arbeitet. Der ist nicht neu erfunden worden, und der ist auch nicht von mir neu ins Spiel gebracht worden. Ich hatte damals nur gedacht, weil sich ja nicht jeder damit auskennt: Die Verdoppelungszahl zeigt etwas, nämlich, was „exponentielles Wachstum“ bedeutet und was „lineares Wachstum“ bedeutet. – Der R-Faktor sagt das auch aus. Ein R-Faktor von eins - das habe ich ja hier erklärt - bedeutet jeden Tag immer wieder die gleiche Infiziertenzahl. Die Epidemiologen sagen, er müsse unter eins liegen, also, dass die Zahl der Infizierten zurückgehen müsse.

Jetzt kommt natürlich hinzu: Wenn wir 40 000 Infizierte und jeden Tag 1500 neu Infizierte haben, dann können 400 Gesundheitsämter das verfolgen. Das war schon immer das Ziel. Wo waren wir gut? – Als bei Webasto eine Chinesin 16 Leute angesteckt hat, haben wir jeden einzelnen Fall verfolgen können. Hätten wir das weiterhin machen können, dann wären manche Maßnahmen nicht notwendig gewesen. Irgendwann sind aber sehr viele Ski-Urlauber zurückgekommen, und es gab den Karneval in Heinsberg. Dann ist es nicht mehr gelungen, diese einzelnen Infektionen nachzuvollziehen, und dann hat sich dieses exponentielle Wachstum eingestellt. Jetzt müssen wir im Grunde wieder zu dem Anfangspunkt zurückkehren, dass wir für jeden nachverfolgen können, wo er sich angesteckt hat und wie das geschehen ist.

Keine dieser Zahlen ist falsch. Wenn wir jetzt nur ein Gesundheitsamt hätten, das die Kontakte von 1500 neu Infizierten nachvollziehen müsste, würde das natürlich nicht gehen. Also haben wir gesagt: Wir müssen alle öffentlichen Gesundheitsämter qualifizieren und verstärken, und zwar auf ein Team pro 20 000 Menschen, das das nachvollzieht. - Jetzt sind die Gesundheitsämter viel, viel stärker. Wir haben Scouts eingeführt, wir haben dieses und jenes gemacht, und die Meldewege sind besser. Am Anfang haben wir überhaupt keinen Überblick darüber gehabt, wie viele Intensivbetten wir haben. Inzwischen haben wir ein Register, wodurch wir sagen können, welches Bett belegt ist. Wir haben jetzt fast 100 Prozent der Intensivbetten erfasst. Wir können selbst für neue Operationen öffnen, weil man die durchschnittliche Liegezeit kennt. Man weiß, wann das Bett wieder frei ist.

Wir haben also jeden Tag unglaublich viel gelernt, und all die Ziffern, Zahlen und Richtwerte sind am Anfang richtig gewesen und sind am Ende richtig gewesen. Um es bildlich zu machen, stellt man sie zum Teil anders dar.

Das Ziel ist, wie bei Webasto am Anfang wieder dahin zu kommen, jede Infektionskette verfolgen zu können. Deshalb gibt es auch die Tracing-App und viele andere Dinge.

Ich glaube, Herr Tschentscher hätte das eigentlich noch viel besser erklären können, weil er schon einmal im Krankenhaus gearbeitet hat.

BGM Tschentscher: Vielleicht nur eine Ergänzung: Wissenschaftler sind Wissenschaftler und keine Hellseher. Wir haben ein neues Virus. Es gab bisher keine belastbaren Daten. Deswegen hat die Wissenschaft Annahmen getroffen. Viele Annahmen haben sich auch schon bestätigt. Die Übereinstimmungen wissenschaftlicher Aussagen ist aus meiner Sicht viel größer als das, was es derzeit an Unterschieden gibt.

Worauf es jetzt ankommt, ist das, was die Bundesregierung vorbereitet hat. Es gibt eine ganze Reihe an systematischen Untersuchungen, die jetzt in Deutschland laufen und die auch einheitlich ausgewertet werden sollen, um bestimmte Fragestellungen, die jetzt ganz speziell bedeutsam sind, möglichst bald zu klären, zum Beispiel, welche Rolle Kleinkinder bei der Infektionsübertragung spielen. Herr Drosten und andere Wissenschaftler haben uns ja zunächst einmal einen Analogieschluss aus ähnlichen Virusgruppen präsentiert, und daraufhin mussten wir - auch aus Vorsichtsgründen - sagen: Wenn das so ist, dann dürfen wir jetzt keinen Fehler machen.

Ab jetzt beginnen die Studien darüber, welche Auswirkungen dieses Virus ganz konkret hat. Wie wird das Immunsystem stimuliert? Es werden jetzt serologische Studien gemacht, um festzustellen: Wie ist es mit jemandem, der die Infektion überstanden hat? Hat der Antikörper? Schützen die vor einer erneuten Infektion? - Das kann man derzeit nicht zu 100 Prozent wissen. Wissenschaftler sind geübt darin, das zu kontrollieren und das zu untersuchen. Sobald es dort eine Sicherheit geben wird, werden wir auch eine sichere Entscheidungsgrundlage für die Politik haben, und so lange müssen wir mit einer Restunsicherheit leben. Wir können nur aufgrund von Daten entscheiden, die es gibt.

Deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir die nächsten Wochen - - - Einige Dinge werden länger dauern, einige Hinweise werden wir wahrscheinlich etwas früher bekommen. Aber wichtig ist, dass man die Daten jetzt sammelt und dass man sie da, wo sie nicht von alleine entstehen, auch systematisch erhebt.

BK’in Merkel: Es ist natürlich ein grundsätzliches Prinzip, wenn man etwas noch nicht weiß, dass man dann nicht immer vom allerbesten Fall ausgeht und sagt „Es wird schon gut gehen“, sondern wenn man etwas nicht weiß, dann sind Vorsicht und Umsicht die Gebote, mit denen man am wenigsten gefährdet. Das ist einfach so.

Wir haben eine gute Wissenschaftslandschaft. Wir haben unsere Wissenschaft, die Universitätsmedizin und die Forschungsleute jetzt wirklich gut ausgestattet. Wir tun ja alles, um möglichst schnell Erkenntnisse zu bekommen.

Frage: Aus Teilnehmerkreisen war zu hören, dass es auch Unmut gegeben hat - eben klang das ja sehr verständnisvoll - mit dem öffentlichen Auftreten und der Selbstdarstellung einzelner Wissenschaftler, namentlich Herrn Drosten. Viele Theorien haben sich im Laufe der Zeit - Sie haben es selbst angesprochen - schon widersprochen. Stimmt das, gab es Kritik am öffentlichen Auftreten?

BK’in Merkel: Es gab keine - - -

BGM Tschentscher: Bei uns heute?

MP Söder: Bei uns? Nein, überhaupt nicht. Aber es ist halt so: Man berichtet eh nicht von den internen Dingen, aber es war schon wichtig - jedenfalls uns war das wichtig, das merken Sie auch gerade an den beiden engagierten Vorträgen -, dass wir einfach noch einmal den Rahmen klären.

Ich glaube, dass wir die letzten Wochen in Deutschland zum Teil eine etwas surreale Debatte bekommen haben. Nicht der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach Veränderungen ist das Problem, sondern manche Argumente in der politischen Diskussion. Die Mehrzahl der Bürger scheint jedenfalls Umfragen zufolge den Charakter der Vorsicht und Umsicht eher zu bestätigen als überstürztes Handeln. Man kann, wenn man den ersten Teil der Hauptkrise einer Krankheit überstanden hat und ein Arzt dann zwei, drei Ratschläge zur Therapie gibt, dann kann man ihn ja nicht dafür verantwortlich machen, dass es die Krankheit gibt und gegeben hat.

Wir müssen jetzt schon einfach, wie die Bundeskanzlerin und Herr Tschentscher gesagt haben, schauen: Was für wissenschaftliche Vorschläge gibt es, und wie ist das aus unserer Sicht einzuschätzen und zu bewerten? Aber da eben - und das ist das Entscheidende - unsere Wissenschaftler nicht nur in ihrer Klinik in Deutschland forschen, sondern internationale Erkenntnisse mit einbeziehen, ergeben sich auch Weiterentwicklungen. Das ist der entscheidende Punkt.

Ich kann nur eines sagen: Wir sind ein Forscherland, unser gesamter wirtschaftlicher Wohlstand basiert auf Innovation und auf Wissenschaftserkenntnissen. Das ist eine der großen Stärken Deutschlands, und diese Stärke sollten wir auch im Bereich der Medizin behalten. Wir waren uns eigentlich alle einig, dass man die Wissenschaftsannahmen akzeptiert und dass man damit dann umgehen muss. Politisch entscheiden müssen eh die Politiker, aber es ist ein kluger und wichtiger Ratschlag, dies nicht zu ignorieren.

BK’in Merkel: Es ist ja ganz menschlich, dass wir alle uns wünschen, dass wir möglichst schnell wieder so leben können wie in der Zeit, bevor dieses Virus in unser Leben eingetreten ist, und dass wir alle natürlich auch mit Sorge die Folgen sehen, die dieses Virus anrichtet - nicht nur bei Menschen, sondern auch an unserer Wirtschaft, an unseren sozialen Kontaktmöglichkeiten, an Familien, die Einschränkungen haben, an Kindern, die nicht andere Kinder sehen können. Ich warne aber davor, sozusagen den Überbringer der Botschaft verantwortlich dafür zu machen, dass der Wunsch nicht Erfüllung geht. Es wäre ganz schwierig, wenn die Wissenschaftler sich nicht mehr trauen, das, was sie wissen, zu sagen, und wir uns dann in einer Scheinsicherheit wiegen, die aber zum Schluss nicht trägt.

Insofern, glaube ich, müssen wir politisch entscheiden, aber können dankbar sein, dass uns wissenschaftliche Erkenntnisse mitgeteilt werden. Und da sind Unsicherheiten dabei, das liegt in der Natur der Sache. Deshalb ist Wissenschaft so spannend - weil man nicht zweimal das Gleiche macht, man hat immer etwas Neues; ich kenne das ja noch von früher. Das ist in der Politik nicht jeden Tag so, da muss man manchmal etwas wiederholen. Man hat aber auch immer Unbekanntes. Deshalb sind wir Politiker ja noch da: Wir müssen daraus die Schlüsse ziehen.

Frage: Sie haben jetzt alle drei einen sehr kontrollierten Prozess beschrieben. Aber gibt es nicht einen Akteur, der nur ganz kurz von Herrn Söder erwähnt wurde, nämlich die Gerichte, die eigentlich ein bisschen die Handlungsschiene und die Entscheidung, wie schnell geöffnet wird, aus der Hand nehmen? Ein Beispiel: Die 800-Quadratmeter-Grenze ist in Bayern gefallen. Auch die Hamburger haben mit Gerichten Erfahrungen gemacht.

MP Söder: Nein, eigentlich sind beide bestätigt worden.

Frage: Ja, mit den noch größeren Geschäften, die dann die Verkaufsfläche reduzieren müssen, genau. Aber es hat Gerichtsentscheidungen gegeben, die politische Entscheidungen korrigiert haben. Die Frage ist: Wie sehr besorgt Sie, dass Sie auch bei den nächsten Schritten von den Gerichten letztlich eine Beschleunigung bekommen könnten, und was heißt das für diese 800-Quadratmeter-Grenze? Wird die möglicherweise nächste Woche fallen?

MP Söder: Wir leben in einem Rechtsstaat, deswegen nehmen wir jede Gerichtsentscheidung nicht nur hin, sondern setzen sie auch um, das ist selbstverständlich. Das ist übrigens für viele Dinge auch ein Begleitmaßstab, genauso wie das, was in den veröffentlichten Meinungen, in der Presse, im Parlament stattfindet. Das sind alles Argumente, die gewogen werden und die man auch umzusetzen versucht.

Allerdings sage ich jetzt auch relativ offen: Die Frage, ob wir jetzt die 800 Quadratmeter herunterregeln oder für andere hochregeln, ist jetzt nicht die ganz entscheidende Frage. Ob ein Bundesland etwas einmal eine Woche früher oder später macht, ist nicht das Entscheidende. Wir haben letztes Mal über ein Maskengebot geredet. Dann haben viele Länder das gemacht, auch wir. Jetzt haben wir de facto eine Maskenpflicht.

Ich glaube, es bleibt eine Stärke an unserem Land, dass nicht einmal etwas von oben verordnet wird und dann bleibt, sondern dass es einen kontrollierten Prozess gibt, wie Sie das genannt haben. Ja, das stimmt, das ist ein kontrollierter Prozess, und zwar von allen Seiten. Die Argumente, die einige nennen, das würde hier völlig ohne jede Kontrolle stattfinden, ist schlicht und einfach nicht wahr, und ich finde es gut, dass der Rechtsstaat an der Stelle auch immer funktioniert. Er weist auch uns immer wieder auf mögliche Schwachstellen - übrigens auch von Kompromissentscheidungen - hin. Die 800-Quadratmeter-Entscheidung war keine Liebesentscheidung oder aus voller Überzeugung getroffen worden, sondern es war eine Kompromissentscheidung aus unterschiedlichen Erwägungen heraus. Insofern glaube ich sogar, dass das im Prozess eher hilft als stört.

BGM Tschentscher: Wenn man sich die Urteilsbegründungen durchliest, dann sieht man, dass Gerichte auch sehr differenziert mit den Fragestellungen umgehen - wenn ich das einmal aus meiner Bewertung sagen darf. Heute Nachmittag hat das OVG in Hamburg - ich habe das Urteil noch nicht genau gelesen, aber ich habe das kurz gesehen - diese 800-Quadratmeter-Klausel bestätigt. Das Gericht sieht dabei zwar einerseits den Gleichbehandlungsgrundsatz, dem man ja immer nachkommen möchte, aber auf der anderen Seite räumen die Gerichte dem Staat, der Politik, auch einen Spielraum ein, weil man ja anerkennt, dass die Situation, in der wir uns bewegen, schrittweise vorwärts bewegen müssen und immer auch beachten müssen, dass die Dinge nicht außer Kontrolle laufen dürfen. Dafür müssen eben manchmal auch Zwischenschritte definiert werden. Da das Leben aber ein Kontinuum ist, gibt es, wenn Sie irgendwo eine Grenze setzen oder eine Entscheidung treffen, aber immer Grenzbereiche, in denen man aus Gleichbehandlungsgrundsätzen auch andere Meinungen haben kann.

Deswegen sehe ich momentan schon, dass die Gerichte die Lage, in der wir uns bewegen, schon anerkennen und in die Gesamtbewertung einbeziehen. Wie gesagt, die 800-Quadratmeter-Grenze ist gerade in Hamburg, aber ich glaube, auch in anderen Ländern, bestätigt worden. Das muss aber nicht auf Dauer so bleiben. Natürlich müssen wir, wenn die Dinge sich weiterentwickelt haben, immer wieder prüfen, ob die Auflagen, die wir haben, aufrechterhalten werden müssen. Deswegen sind die Verfügungen, die wir beschließen, auch alle immer zeitlich sehr begrenzt. Es ist ja gerade erwähnt worden, dass wir jetzt sagen: Nicht einmal für die nächsten drei Monate legen wir etwas fest, sondern wir begrenzen die Verfügungen beziehungsweise die Regelungen immer so, dass - - - Je bedeutender und je weitreichender sie sind, umso kürzer setzen wir sie in Kraft und signalisieren damit auch, dass wir immer engmaschig prüfen, ob sie noch nötig sind oder ob wir sie eben zugunsten einer größeren Lockerung ersetzen können.

BK’in Merkel: Die Gerichtsurteile sind für uns natürlich auch Ansporn, unsere Entscheidungen sehr, sehr gut zu begründen. Wir haben die 800 Quadratmeter - die schon ein Kompromiss waren - ja nicht deshalb gewählt, weil wir glauben würden, dass man bei 850 Quadratmetern nicht mehr den nötigen Abstand im Laden halten kann. Wir haben vielmehr gesagt. Wir wollen nicht wieder den gesamten Personenverkehr in die Innenstädte ermöglichen. Die Städte Deutschlands sind auch sehr unterschiedlich: Es gibt zum Beispiel Städte, die sehr Kleine Fußgängerzonen haben; in denen ballt sich der Kontakt sehr schnell.

Wir müssen insofern die Maßnahmen immer wieder überdenken. Wie Herr Tschentscher auch sagt, ändert sich das ja auch, und mit jeder weiteren Maßnahme muss man immer wieder abwägen, ob das in Relation zu anderen Maßnahmen noch passt. Mir war jetzt zum Beispiel auch wichtig, dass wir nicht schon den gesamten Handel aufmachen, ohne ein Wort über Kitas gesagt zu haben. Das heißt, wir müssen auch die verschiedenen Sektoren der Gesellschaft immer wieder bedenken, weil sonst einer sagt: Warum darf eigentlich der gesamte Handelsbereich schon voll arbeiten, aber in anderen Bereichen - die gesellschaftlich natürlich auch von größter Relevanz sind - darf ich noch gar nichts? So müssen wir das eben immer wieder gegeneinander abwägen und dabei natürlich auch die Infektionsrisiken bedenken.

Frage: An alle drei: Sie haben eben die Kitas und die Schulen angesprochen. Herr Söder, Sie haben gesagt, die Familie sei ganz wichtig. Haben Sie heute darüber gesprochen, ob es Perspektiven gibt, dass man vielleicht bundesweit zu einer Regelung kommt, wann es wieder losgehen kann? Es gibt ja Länder, die zum Beispiel die Jüngsten, die Kleinsten zuerst losgeschickt haben - Dänemark und die Niederlande zum Beispiel. Könnte zum Beispiel Deutschland da aus den Erfahrungen etwas lernen und wäre das vielleicht ein Beispiel?

BK’in Merkel: Von meiner Seite kann ich nur sagen: Wir wollen da ja am Mittwoch, dem 6. Mai, ein Stück weiterkommen, sodass wir nicht nur prinzipiell sagen „Wir wollen mal wieder aufmachen“, sondern auch die Schritte nennen. Wir haben bei den Schulen ja schon Schritte vereinbart: erst die Abschlussklassen, dann ab dem 4. Mai die Klassen, die nächstes Jahr Abschlussklassen sind. So wird man sich jetzt durchhangeln. Das müssen die Kollegen aus den Ländern vielleicht noch stärker sagen. Ich glaube, dass es da kein Entweder-oder - „nur die großen Schüler“ oder „nur die Kleinen Schüler“ - gibt. Vielmehr geht es dabei ja um ganz unterschiedliche Einrichtungen. Das heißt, ich muss schauen: Wie komme ich mit den neuen Abstandsgeboten in einer Kita klar und wie komme ich mit den neuen Abstandsgeboten in einer Schule - und dann gibt es dann noch verschiedene Schultypen - klar? Insofern wird das in Deutschland, glaube ich, eher ein paralleler Prozess der verschiedenen Altersgruppen sein, in dem aber keine Altersgruppe sofort 100 Prozent all dessen hat, was vor der Coronakrise war.

MP Söder: Das werden wir dann nächste Woche diskutieren. Wir sind bei uns mit unseren Pädagogen und Lehrern in einem sehr engen Austausch. Ich habe es vorhin schon einmal angedeutet: Das ist die größte Herausforderung, weil die Sensibilitäten und auch die wissenschaftliche Erkenntnis dabei am unterschiedlichsten entwickelt sind - im Sinne von „vielleicht, aber vielleicht auch nicht“.

Eines kann man, glaube ich, festhalten: Es wird auf keinen Fall ein normales Schuljahr mehr werden. Das ist, glaube ich, das Entscheidende. Unser Ziel muss sein, dass am Ende die Schülerinnen und Schüler aus diesem Schuljahr keinen Nachteil für ihren weiteren Lebensweg und Schulweg haben. Das gilt für das Thema Sitzenbleiben, das gilt aber ganz besonders auch bei den Prüfungen. Beispielsweise glauben wir bei uns, garantieren zu können, dass ein Abi, das man dieses Jahr macht - oder eine Mittlere Reife oder eine Quali -, genau die gleiche Qualität hat wie sonst. Wir glauben, in so einem Fall muss die absolute Normalität erreicht werden - wir wollen da kein Notabitur, kein Durchschnittsabitur, das es einmal als Idee gab, oder Ähnliches mehr. Aber bei allen anderen Klassen müssen wir überlegen, was der beste Weg ist und wie man den Interessen von Eltern, die Betreuung wollen, und den Interessen von Eltern, die in großer Sorge um ihre Kinder sind, gerecht werden kann. Wir bekommen auch Briefe von Eltern, die sagen: gar nicht mehr in die Schule bringen.

Wir müssen also schauen, wie wir das mit der Schulfamilie alles so organisieren, dass es den breitesten Konsens gibt. Ich befürchte, wir werden beim Thema Schule nicht alle glücklich machen können, aber unser Ziel ist, vernünftige Schulstruktur mit den Betroffenen zu erreichen.

BGM Tschentscher: Wir haben jetzt ja aus den Fachministerkonferenzen sehr, sehr fundierte Stufenpläne für den Kitabereich genauso wie für den Schulbereich. Das heißt, fachlich ist jetzt genau überlegt worden, wie man schrittweise öffnen kann, hinter den Stufen steht aber noch kein Datum. Genau das müssen wir jetzt prüfen: Wie wir auch zeitlich abgewogen zwischen den Sektoren vorgehen können. Insofern haben wir, glaube ich, für nächste Woche eine gute Grundlage. Dass das so ambitioniert ausgearbeitet ist, zeigt einfach auch, dass wir da die Interessen sehen und dass wir das, was jetzt gerade auch bei den jüngeren Kindern und im Kitabereich dringlich nötig ist, nicht auf die leichte Schulter nehmen.

StS Seibert: Vielen Dank!

BK’in Merkel: Dann wünsche ich noch einen schönen ersten Mai - den Tag der Arbeit!

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