Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Ministerpräsident Haseloff und Bürgermeister Sieling

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, wir haben heute unser routinemäßiges Gespräch zwischen Bund und Ländern gehabt - wenngleich wir uns ja mit Blick auf die Flüchtlingspolitik jetzt auch öfter treffen.

So hat das Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik auch heute einen geraumen Zeitabschnitt unseres Treffens eingenommen. Wir haben über die europäischen Aktivitäten berichtet - EU-Türkei-Migrationsagenda, Hotspot-Entwicklung und einiges andere mehr.

Wir haben dann die innenpolitische Debatte zwischen Bund und Ländern geführt - konstruktiv, weil uns ja eint, dass wir dies als eine nationale gemeinsame Aufgabe verstehen. Diesbezüglich hat insbesondere Herr Weise noch einmal zum Stand der Arbeiten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vorgetragen. Es ist deutlich geworden, dass es natürlich eine ganze Reihe von Problemen gibt, dass aber auch deutliche Bewegung da ist. Die Länder spüren auch, dass jetzt sozusagen eine gewisse Dynamik im BAMF entstanden ist.

Wir haben über einzelne Punkte gesprochen: die Durchführung von Integrationskursen und die Frage der Rückführungen, in der Bund und Länder jetzt auch besser zusammenarbeiten - insbesondere, was die Passangelegenheiten anbelangt. Wir haben des Weiteren das Thema Wohnungsbau behandelt. Hierzu gibt es jetzt ja Überlegungen - die aber noch spezifiziert werden müssen -, wie wir auch steuerliche Anreize setzen können. Insgesamt ist deutlich geworden, dass uns das Thema weiter beschäftigen wird. Wir haben auch darüber berichtet, dass es im Kabinett nächste Woche um den einheitlichen Ausweis geht, der dann nach einer Einführungsphase auch Schritt für Schritt ausgerollt wird.

Wir haben dann über das Thema Energiewende gesprochen, das wir auch turnusmäßig behandeln. Sie wissen, dass es in dieser Woche wieder eine ganze Reihe von zweiten und dritten Lesungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Energiewende gibt. Der Bundeswirtschaftsminister hat darauf hingewiesen, dass in Kürze dann auch die Vorschläge für die Zukunft des Erneuerbare-Energien-Gesetzes kommen werden; dann wird es bei der Förderung stärker nach Ausschreibungen gehen. Auch dieses Thema wird uns weiter begleiten.

Die Länder haben uns dann darüber informiert, dass sie heute Beratungen über den Bund-Länder-Finanzausgleich hatten. Das hat der Bund zur Kenntnis genommen. Wir hatten noch keine Gelegenheit, uns mit den Vorschlägen zu befassen, aber dazu wird es natürlich in absehbarer Zeit dann auch vor allen Dingen zwischen dem Bundesfinanzminister und den Ländern Gespräche geben.

BGM Sieling: Aus Sicht der Länder war beim Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik von überragender Bedeutung - und ist in all den Gesprächen von überragender Bedeutung -, dass wir die Umsetzung der Verabredungen hier Schritt für Schritt beraten. Das ist ausgesprochen hilfreich. Es ging dabei um die von der Bundeskanzlerin angesprochenen Themen. Natürlich wird die Entwicklung im BAMF positiv gesehen, aber immer auch mit einem ausgeprägten Ehrgeiz, dass es auch noch schneller gehen könnte. Ich glaube, das liegt in der Natur der Sache und der Herausforderungen.

Ich will auch noch einmal ansprechen, dass das Thema Wohnungsbau durchaus eins ist, das sich auch auf der Länderseite nicht so einfach darstellt; denn wir haben in den einzelnen Ländern eben doch sehr unterschiedliche Situationen. Vor allem haben wir unterschiedliche Belastungen und Herausforderungen in Ballungsräumen und ländlichen Räumen. Von daher war es wichtig, dass wir hier nach dem Bericht der Bundesbauministerin Hendricks und der Einschätzung des Bundesfinanzministers jetzt weitergehen und den entsprechenden Arbeitsprozess aufsetzen.

Des Weiteren haben wir heute in der Ministerpräsidentenkonferenz - das ist Ihnen ja bekannt - nach intensivster Diskussion einen mehrjährigen Prozess abgeschlossen, indem wir eine Verständigung der Länder im Hinblick auf die Zukunft der Bund-Länder-Finanzen ab 2020 erzielt haben. Das ist in der Tat so, wie es sich die Länder für sich selber, aber auch für die Gesamtheit vorstellen. Wir haben das heute der Bundesregierung überreicht. Unsere Erwartung besteht jetzt darin, dass wir sehr zügig auf eine Einschätzung hoffen und dann auch - so zügig wie möglich, sage ich einmal - in die Gespräche darüber, wie wir dies realisieren wollen, eintreten können. Uns ist - das will ich vielleicht auch sagen - schon sehr bewusst, dass die Einigung natürlich nur mit einem hohen Beitrag des Bundes möglich wird. Ich glaube aber, wir sind in einer Situation, in der wir gemeinschaftlich ein großes Interesse daran haben sollten, dass der Föderalismus in Deutschland auch nach Realisierung der Schuldenbremse - das wird ab 2020 sein - seine ganze Kraft und Lebensfähigkeit erhalten kann.

MP Haseloff: Ich denke, es ist erst einmal ein Durchbruch gewesen - gerade, was dieses letzte Thema des Bund-Länder-Finanzausgleichs anbelangt -, dass wir innerhalb der Länder überhaupt zu einem Konsens gefunden haben; denn da lagen sich die einzelnen Vorschläge ja sehr konträr gegenüber und es schien so, als ob überhaupt keine Verständigung über die Mechanismen herstellbar wäre. Das haben wir in den letzten 24 Stunden durch intensive Arbeit positiv aufzulösen versucht.

Die Heterogenität in Deutschland ist sehr groß - angefangen von den Geberländern über die im Hinblick auf ihre finanzielle Situation schwierigen Länder Bremen und Saarland bis zu den ostdeutschen Ländern mit ihrer Sondersituation -, und all die Forderungen, die im Raume standen - einschließlich der Forderung Nordrhein-Westfalens zur Abschaffung des Umsatzsteuervorabzuges -, unter einen Hut zu bringen beziehungsweise diesen Ausgleich hinzubekommen, war nur möglich, indem man das Volumen entsprechend ausgeweitet hat. Uns ist durchaus bewusst, dass das eine ganz schwierige Aufgabe ist, die in den nächsten Monaten gelöst werden muss.

Es ist klar, dass so etwas heute in dieser Kürze der Zeit nicht erläuterbar war, aber es ist zumindest eine Diskussionsgrundlage. Die Frau Bundeskanzlerin hat klar angeboten, dass dieses Thema jetzt in den nächsten Monaten zwischen den Fachressorts und den Ländervertretern besprochen wird, sicherlich auch im Kontext aller Finanzierungsfragen, die ja bestehen; denn wir haben auch noch andere Baustellen, die wir angehen müssen, was die kurzfristigen und langfristigen Kosten anbelangt. Das Thema „Flüchtlinge“ ist schon benannt worden.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, zum letzten Punkt, den Bund-Länder-Finanzbeziehungen: Das liegt den Ländern ja sehr am Herzen. Können Sie sich so einen Lösungsweg überhaupt vorstellen, bei dem der Bund fast 10 Milliarden Euro geben muss? Die Geberländer sind also zufrieden, die Nehmerländer sind zufrieden, und der Bund zahlt. Können Sie sich so einen Pfad überhaupt vorstellen?

BK’in Merkel: Ich habe nicht ohne Bedacht gesagt, dass ich mich heute in der Sache nicht dazu äußern möchte. Wir haben die Dokumente entgegengenommen, und die Gespräche werden geführt werden.

Frage: An die Vertreter der Länder: Sie haben einen Durchbruch erzielt, aber eigentlich auf Kosten des Bundes. Das war vielleicht ein etwas einfacherer Weg. Wie wollen Sie diese zusätzliche Forderung denn Herrn Schäuble gegenüber vertreten?

BGM Sieling: Einfach, wenn ich das sagen darf, war der Weg auf keinen Fall; ansonsten wäre es nicht notwendig gewesen, über die vielen Jahre hinweg und gerade auch in den letzten Monaten so intensiv darüber zu reden. Es ist kein Glückspfad für einzelne Länder und für kein einziges Land, sondern alle haben etwas beitragen müssen und sind von ihren, für sich als notwendig erachteten Zielen und Niveaus ein Stück zurückgegangen; das will ich hier sehr deutlich sagen.

Darüber hinaus wissen wir natürlich, was das für eine Herausforderung auch für die Bundesregierung bedeutet. Wir werden deshalb sehr in diese sorgsamen Gespräche einsteigen. Wir glauben aber, dass unser Vorschlag ausgesprochen sachgerecht ist. Aber auch ich will die weiteren Gespräche jetzt nicht mit weiteren Einlassungen erschweren.

MP Haseloff: Diese Zahl, die ja dann ab 2020 und mindestens bis 2030 - dann soll ja die erste Evaluierung stattfinden - entwickelt wurde, hängt auch damit zusammen, dass uns schon bewusst ist, dass wir bis 2019 ein weiter aufwachsendes Volumen im Bereich der Soli-Einnahmen haben werden. Da liegen wir bei rund 19 Milliarden Euro, wohl wissend, dass diese bis 2030 wieder abgeschmolzen werden sollen. Aber es ist auch hier an dieser Stelle einnahmeseitig - nicht nur bei der Umsatzsteuer, sondern auch beim Solidaritätszuschlag - mit einem deutlich anwachsenden und beim Bund, was die letzte Komponente anbelangt, mehrheitlich verbleibenden Anteil von Finanzmöglichkeiten auszugehen. Das haben wir als Diskussionsgrundlage unterstellt.

Es ist nur klar, und das sage ich auch an dieser Stelle: Sobald wir eine Komponente aus dem System herausnehmen, das sehr, sehr fragil ist und viele, viele Einzelkomponenten aufweist, stehen wir praktisch wieder am Anfang der Diskussionen. Deswegen ist es gut, wenn beide Seiten - das haben sie auch zugesagt - sorgsam über diesen Vorschlag reden, auch einschließlich der mittel- und langfristigen Finanzprognosen und Einnahmeeinschätzungen.

Frage: Ich hätte eine Frage an die Ländervertreter: Ist denn auch darüber gesprochen worden, was der Bund bis 2020 möglicherweise noch für die Flüchtlinge zahlen soll? Da hat es ja immer wieder einmal die Forderung von der Länderseite gegeben, dass der Bund noch mehr als das leisten müsste, was vereinbart worden ist.

Frau Bundeskanzlerin, ist auch darüber gesprochen worden, was passiert, wenn die Flüchtlingszahl bis Ende des Jahres nicht signifikant zurückgehen wird? Müssen Bund und Länder dann gemeinsam nationale Maßnahmen ergreifen?

BK’in Merkel: Über Letzteres ist heute nicht gesprochen worden. Wir haben darüber gesprochen, dass wir daran durch die Bekämpfung der Fluchtursachen arbeiten - das hat heute auch seitens der Länder eine große Rolle gespielt -, und zwar in den Lagern in Jordanien und im Libanon sowie natürlich durch die Abmachung mit der Türkei, um die Lage der Flüchtlinge dort in der Türkei zu verbessern, und dass wir auf diesem Wege die Zahlen reduzieren wollen. Aber darüber hinaus ist nicht darüber gesprochen worden.

BGM Sieling: Auch über den ersten von Ihnen angesprochenen Aspekt ist nicht gesprochen worden, weil, glaube ich, jetzt in allen Ländern die Phase eintritt, in der auch geschaut wird, was denn die realen Kosten sind und wie sich das entwickelt.

Zum anderen gibt es keinen sachlichen Zusammenhang mit der Frage der Bund-Länder-Finanzen; das steht ab 2020 an. Auf dem Weg bis dahin haben wir feste Vereinbarungen zwischen dem Bund und einzelnen Ländern sowie zwischen dem Bund und der Ländergesamtheit, und die wollen wir erfüllen.

MP Haseloff: Trotzdem ist aber jedem klar, der Haushalte zu verantworten und auch fortzuentwickeln hat - auch über kurz- und mittelfristige Prognosen und Planungen hinaus -, dass die finanziellen Konsequenzen der Bewältigung der jetzigen Themen natürlich durchaus relevant bleiben und auch ein Dauerthema für unsere zukünftigen Zusammenkünfte hier im Bundeskanzleramt sein werden.