Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, dem bayerischen Ministerpräsidenten, Söder, und dem Ersten Bürgermeister Hamburgs, Tschentscher

Thema: Gespräch der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, die Tatsache, dass es so lange gedauert hat, deutet auf intensive, aber sehr konstruktive Diskussionen hin. Wir hatten heute nämlich eine wirklich sehr, sehr lange und inhaltsreiche Tagesordnung.

Wir haben uns neben den Europafragen sehr eingehend Zeit genommen, uns mit der Umsetzung des Klimaschutzprogramms zu beschäftigen. Im Bereich des Steuerrechts ist hier ja noch der Vermittlungsausschuss angerufen; dazu wird es am Montag dann Beratungen geben. Wir haben alle das Ziel, das möglichst zügig zu vollenden. Aber wir können den Beratungen natürlich nicht vorgreifen.

Wir haben dann über den noch ausstehenden Baustein in der ganzen Energieproblematik gesprochen. Wir haben das Klimaschutzprogramm, und jetzt befinden wir uns in der heißen Phase der rechtlichen Umsetzung des Kohleausstiegs. Aber wir haben noch nicht sozusagen den Baustein: Wie geht es mit den erneuerbaren Energien weiter? Wie erreichen wir das 65-Prozent-Ziel plus die Frage: Wie garantieren wir Versorgungssicherheit und auch Bezahlbarkeit?

Deshalb haben wir nach eingehender Diskussion verabredet, dass wir über all die Fragen, die damit zusammenhängen - Genehmigungsverfahren, Planungsbeschleunigung, Versorgungssicherheit, Art der Energieträger - im Januar ein Treffen mit den Chefs der Staatskanzleien haben werden, die das vorbereiten. Wir haben dann die Absicht, in einer Sonderkonferenz der Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung dafür Sorge zu tragen, dass wir einen solchen Energieausbaupfad auch festschreiben können und damit dann auch in diesem Bereich Verlässlichkeit haben.

Wir haben uns dann mit dem Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur befasst. Hierbei geht es darum, dass wir vor allen Dingen die Länderbeiträge und die Bundesbeiträge gut koordinieren. Der Verkehrsminister wird dazu eine Leitstelle einrichten und auch eine Lotseninfrastruktur für den Ausbau vorbereiten. Wir müssen die Förderprogramme aufeinander abstimmen. Dazu gibt es die gemeinsame Bereitschaft.

Ähnlich sieht es beim Mobilfunkausbau aus. Die Bundesregierung hat hierzu eine Strategie des Mobilfunkausbaus beschlossen. Aber wir müssen schauen, dass wir schnell die entsprechenden Mobilfunkantennen bekommen. Dazu wollen wir vorrangig Flächen oder Gebäude des öffentlichen Besitzes zur Verfügung stellen. Auch hier werden Bund und Länder sehr eng zusammenarbeiten, genauso wie bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes. Es sind ja 575 Dienstleistungen, die wir digitalisieren wollen, sodass die Bürger sich dann digital an den Staat wenden können. Auch hier war die Bereitschaft, sich miteinander zu koordinieren, sehr groß. Es gibt auch schon eine sehr gute Zusammenarbeit. Das ist aber auch ein sehr großes Projekt. Es gibt 11 000 Kommunen in Deutschland. Wenn es in allen Kommunen das Gleiche geben soll, ist das natürlich ein wichtiger Punkt.

Ich bin sehr froh - ich werde morgen nach Auschwitz fahren -, dass wir uns darauf einigen konnten, dass die Stiftung Auschwitz-Birkenau von Bund und Ländern zusätzliches Geld bekommen wird. Dieser Beitrag von 60 Millionen Euro zum Erhalt und zur Rekonstruktion der Stiftung Auschwitz- Birkenau - im Grunde geht es um Stiftungsgelder – wird die Möglichkeiten der Erhaltung verbessern. Deshalb ist das eine gute Botschaft, die ich morgen auch mit nach Polen nehmen kann.

Wir haben uns dann noch gemeinsam darüber gefreut, dass wir das Drei-Prozent-Ziel in Sachen Forschung und Entwicklung erreichen konnten.

Ich will auch sagen: Der Beauftragte für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus hat darauf hingewiesen, dass fast alle Bundesländer - die, die es noch nicht gemacht haben, werden es tun - solche Beauftragten ernannt haben. Das zeigt unsere Entschlossenheit, dass jüdisches Leben in Deutschland stattfinden soll, dass es Teil unseres gemeinsamen Lebens ist und dass wir den Kampf gegen den Antisemitismus sowie den Kampf gegen jeglichen Hass gegen Menschen natürlich ganz oben auf die Tagesordnung setzen.

Insgesamt waren es wichtige und konstruktive Beratungen. Wie immer erwächst daraus wieder eine neue Pflicht zu neuer Arbeit, die wir aber fröhlich angehen werden.

MP Söder: Fröhlichkeit, sicher, aber auch Ernsthaftigkeit. Im Grunde genommen geht es letztlich um ein Wort: Geschwindigkeit. Wir stellen fest, dass bei den wichtigen Fragen der Energie - deswegen ist das Ziel auch, zu einer Energiekonferenz zu laden - aus allen Landesteilen gemeldet wird, dass es mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien aus unterschiedlichen Gründen schwierig ist. Die Geschwindigkeit, die wir derzeit im Land haben, entspricht nicht der Geschwindigkeit, die wir brauchen, um gesteckte Ziele - ob beim Klimaschutz oder auch bei der wirtschaftlichen Versorgungssicherheit - zu erreichen.

Deswegen müssen wir noch einmal grundlegender diskutieren und deswegen besteht auch die Bereitschaft des Bundes, das mit den Ländern in einer Energiekonferenz auszuloten und sich zu überlegen, was man machen kann, um Planungen zu beschleunigen, Prozesse zu optimieren, Bürger zwar mitzunehmen, aber dabei nicht ins Stocken zu geraten. Das ist meiner Meinung nach eine der wichtigsten Fragen, vor denen wir in Deutschland generell stehen.

Das gilt übrigens nicht nur für die Energie, sondern das gilt genauso bei der Frage des Mobilfunks und das gilt genauso bei der Frage der Ladesäulen. Wir stoßen jedes Mal an die gleiche Schwelle, an die gleiche Grenze, dass unsere vorhandenen Strukturen zwar viel Partizipation ermöglichen, aber im Endeffekt an einigen Stellen zu gegenseitiger Blockade führen. Die Kunst beziehungsweise die Aufgabe, die wir letztlich haben, ist, eine andere Form von Geschwindigkeit zu erreichen, damit wir als Land im Tempo der internationalen Entwicklung bleiben können. Das gilt für die ganzen Themen, die die Bundeskanzlerin angesprochen hat, und denen wir uns jetzt einmal sehr intensiv widmen. Wir wollen vor Weihnachten das Thema Klima endgültig auf den Weg bringen, und wir haben das Ziel, danach das Thema Energie anzugehen und in den beschlossenen Zeitachsen parallel dazu Mobilfunk und E-Mobilität, aber auch Wasserstofftankstellen auf den Weg zu bringen.

Wir haben zwar immer wichtige Sitzungen, aber man kann, glaube ich sagen, dass wir heute nicht nur eine Tagesordnung abgearbeitet haben, sondern bestimmte Schwerpunkte gesetzt haben und einen sehr offenen Austausch hatten. Ich bin den Kollegen, aber auch der Bundesregierung sehr dankbar dafür, denn ohne Geschwindigkeit werden wir am Ende für unser Land nicht das erreichen, was wir uns vorstellen.

BGM Tschentscher: Die Geschwindigkeit erreichen wir vor allem dann, wenn wir jetzt handlungsorientiert weiter sprechen. Das war heute in allen Bereichen der Fall. Wir verfolgen jetzt nicht nur Ziele, sondern diese Ziele sind auch klar. Wir brauchen zum Beispiel beim Energiemix einen Anteil der regenerativen Energien von 65 Prozent. Da kommt es jetzt darauf an, dass wir wirklich handlungsorientiert sind.

Wir haben in Hamburg gestern einen Klimaschutzplan mit 400 konkreten Maßnahmen für die Freie und Hansestadt Hamburg beschlossen, und wir sehen an allen Ecken und Enden, dass die Kunst immer darin besteht, Hand in Hand zu arbeiten, also ein Ziel zu haben, aber auch immer die konkreten Maßnahmen danebenzulegen. Das haben wir, der Bund und die Länder, heute eben für ganz Deutschland getan, und zwar zur E-Mobilität, zur Ladeinfrastruktur, zum Ausbau der Windenergie, zur Sektorenkopplung - also einerseits die regenerativen Energien ausbauen, aber dann eben auch darauf achten, dass keine Überschusssituationen entstehen, sondern die großen Potenziale der regenerativen Energien dann auch in der sogenannten Sektorenkopplung umgesetzt werden.

Dass wir das alles jetzt auch noch einmal in einer Sonderkonferenz Energie zusammenführen, ist wahrscheinlich sehr hilfreich, eben weil wir festgestellt haben, dass die Dinge wirklich Hand in Hand gehen müssen. Wir können nicht auf der einen Seite sagen, dass wir jetzt Ladeinfrastruktur, Stromtrassen und Windenergiestandorte brauchen, und auf der anderen Seite passt es nicht in der Bauleitplanung und die Länder haben dann plötzlich doch nicht die Standorte, die wir für den Ausbau der Windenergie brauchen. Insofern hat der Tag gezeigt, dass wir alle sehr ambitioniert hinter den Zielen her sind, aber in der konkreten Umsetzung eben noch besser werden müssen.

Es ist, glaube ich, ein sehr guter Plan, dass wir das gemeinsam zusammentragen, um dann der jungen Generation zu sagen: Wir sind nicht nur in der Lage und bereit, in Deutschland klimaneutral zu werden, sondern wir gehen das auch sehr, sehr konkret an.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, die Länder reden von Steuerausfällen von 2,5 Milliarden Euro in den nächsten Jahren im Zusammenhang mit dem Klimapaket. Können Sie die Zahlen nachvollziehen und wollen Sie den Ländern da entgegenkommen?

BK’in Merkel: Ich möchte das jetzt nicht kommentieren. Wir wollen alle, dass das Klimapaket insgesamt durchkommt; die Gesetze hängen alle miteinander zusammen, auch das Steuergesetz ist wichtig und das brauchen wir. Ab Montag wird verhandelt und wir haben schon öfter Lösungen gefunden, als man dachte. Ich bin also ganz optimistisch.

StS Seibert: Ich sehe keine weitere Hand oben - dann einen schönen Abend!

BK’in Merkel: Schönen Abend!